München

Trauer und Sorge um Israel

Sozialwissenschaftlerin Gisela Dachs Foto: IKG-Kulturzentrum/ Astrid Schmidhuber

Wie an ein Ereignis und seine Opfer erinnern, für das es keine angemessenen Worte gibt, an eine Katastrophe, die noch nicht einmal beendet, geschweige denn bewältigt ist? Die jüdische Gemeinschaft in München fand verschiedene Ausdrucksformen: Schweigemarsch und Namenslesung der Opfer in der Stadt, Gedenkakt in der Synagoge, eine Fotogalerie am St.-Jakobs-Platz mit Momentaufnahmen aus glücklicheren Tagen, als die Porträtierten noch nicht die Schrecken des 7. Oktober 2023 vorhersehen konnten.

Als Beitrag des IKG-Kulturzentrums, das sich mit solidarischen Institutionen in München wie dem Büro des Antisemitismusbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft sowie dem Leo-Baeck-Institut in Jerusalem zusammentat, kamen zum Jahrestag des größten Massakers in der jüdischen Geschichte nach 1945 »Stimmen aus Israel« zu Gehör.

Zur Einführung sprach Ludwig Spaenle, der seit seinen jüngsten Aufenthalten in Israel nicht müde wird, auf die Folgen des Massakers für die israelische Gesellschaft und die Notwendigkeit der Solidarität mit der einzigen Demokratie im Nahen Osten hinzuweisen.

Irene Aue-Ben-David, Repräsentantin des Leo-Baeck-Instituts, das seit 32 Jahren den Jüdischen Almanach publiziert, erzählte über den Schabbatmorgen des 7. Oktober, an dem um 6.29 Uhr der Alarm auf der Raketen-App des israelischen Heimatschutzes an ihrem Handy losging.

Leben vor Ort

Genau diesen Alarmton bekamen die Zuhörer später zu hören, während der Ausführungen von Gisela Dachs. Die App springt an, sobald in Israel Alarm, etwa durch bevorstehenden Raketenbeschuss, ausgelöst wird. Die promovierte Sozialwissenschaftlerin, seit 2001 für den Jüdischen Almanach zuständig, sprach über das Leben vor Ort, Bedrohung, Trauer und die Sorge, was auf Israel noch zukommen könne, die sich unter anderem in Form von Street-Art und Graffitis in Tel Aviv manifestiere. Sie zeigte Beispiele: etwa Joe Biden als Superheld »Captain America« oder den Schriftzug »Free Pink«, Künstlername von Inbar Haiman, deren Tod am 16. Dezember 2023 traurige Gewissheit wurde.

Im Gespräch mit Dachs, Aue-Ben-David und Ghilad H. Shenhav, einem der 20 Autoren des Almanachs, lotete Ellen Presser die Wahrnehmung der Situation der Menschen in Israel und in der Diaspora aus. Das Leo-Baeck-Institut, eigentlich nur der Erforschung der deutsch-jüdischen Geschichte seit dem 19. Jahrhundert verpflichtet, forciert nun gerade Dialog-Projekte, die Israel derzeit international verweigert werden.

Shenhav, der das Zentrum für Israel-Studien am Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) leitet, hofft genau darauf im Hinblick auf die palästinensische Seite. Wie das in der Praxis aussehen soll, weiß auch er nicht.

Gisela Dachs sieht den Zionismus nicht am Ende, es sei jedoch offen, wie er sich künftig neu definiere und positioniere. Zum Schluss gab es Musik, ein neues israelisches Lied: »All I’m fighting for is to bring you home« von Tamir Grinberg.

Gisela Dachs (Hrsg.): »7. Oktober – Stimmen aus Israel«. Suhrkamp/Jüdischer Verlag, Berlin 2024, 204 S., 23 €

Auszeichnung

Strack-Zimmermann erhält Janusz-Korczak-Preis für Menschlichkeit

Die FDP-Politikerin wird für ihre klaren Worte und ihr entschlossenes Handeln angesichts globaler Krisen geehrt

 29.06.2025

Erfurt

Ende eines Krimis

Seine Entdeckung gilt als archäologisches Wunder: Mehr als 25 Jahre nach dem Fund des Erfurter Schatzes sind vier weitere Stücke aufgetaucht

von Esther Goldberg  29.06.2025

Porträt der Woche

Heilsame Klänge

Nelly Golzmann hilft als Musiktherapeutin an Demenz erkrankten Menschen

von Alicia Rust  29.06.2025

Interview

»Wir erleben einen doppelten Ausschluss«

Sie gelten nach dem Religionsgesetz nicht als jüdisch und erfahren dennoch Antisemitismus. Wie gehen Vaterjuden in Deutschland damit um? Ein Gespräch über Zugehörigkeit, Konversion und »jüdische Gene«

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  29.06.2025

Solidarität

»Sie haben uns ihr Heim und ihre Herzen geöffnet«

Noch immer gibt es keinen regulären Flugbetrieb nach Israel. Wir haben mit Israelis gesprochen, die in Deutschland gestrandet sind. Wie helfen ihnen die jüdischen Gemeinden vor Ort?

von Helmut Kuhn  26.06.2025

Meinung

Mannheim: Es werden bessere Tage kommen

Wegen Sicherheitsbedenken musste die jüdische Gemeinde ihre Teilnahme an der »Meile der Religionen« absagen. Die Juden der Stadt müssen die Hoffnung aber nicht aufgeben

von Amnon Seelig  25.06.2025

Frankfurt

Lust auf jüdisches Wissen

Die traditionsreiche Jeschurun-Religionsschule ist bereit für die Zukunft

von Eugen El  23.06.2025

Interview

»Jeder hilft jedem«

Eliya Kraus über schnelle Hilfe von »Zusammen Frankfurt« und mentale Unterstützung

von Katrin Richter  23.06.2025

Leipzig

Tausende Gäste bei Jüdischer Woche

Veranstalter waren die Stadt Leipzig in Kooperation mit dem Ariowitsch-Haus

 23.06.2025