March of the Living

»Tief ergreifendes Erlebnis«

Aron Schuster: »Wenn Tausende junge Menschen die Israelfahnen schwingen und gemeinsam singen, hat das etwas Zuversichtliches.« Foto: Rafael Herlich

Herr Schuster, Sie werden in den nächsten Tagen junge Juden aus Deutschland auf der Reise nach Auschwitz begleiten. Warum ist 72 Jahre nach der Befreiung eine solche Fahrt noch so wichtig?
Wir haben heute leider immer weniger Zeitzeugen, umso wichtiger ist es, authentische Orte, und da steht Auschwitz ganz weit oben, zu besuchen, um die Erinnerung wachzuhalten. Außerdem sind in der heutigen vierten Generation unmittelbare familiäre Bezüge immer weniger vorhanden. Gerade diese Zielgruppe sollte diese Orte des Schreckens in Augenschein nehmen können.

Welche Motive haben die jungen Leute, sich die Stätte des Grauens anzusehen?
Es ist für viele eine Reise zu den Ursprüngen der eigenen Familiengeschichte in Polen. Immer wieder entdecken Teilnehmer während der Busfahrten Geburts- und Aufenthaltsorte ihrer Großeltern. Fast alle besuchen Auschwitz zum ersten Mal. Es ist etwas Besonderes, die Schreckensorte nicht nur auf Foto- und Filmdokumentationen zu sehen, sondern selbst zu betreten.

Welche Eindrücke hatten Sie persönlich bei Ihrem ersten »March of the Living«?
2014 war ich zum ersten Mal dabei. Es war ein tief ergreifendes Erlebnis, das ich niemals vergessen werde. Die Dimension und das Ausmaß der Schoa wurden mir hierbei noch einmal sehr klar vor Augen geführt.

Der Aufenthalt auf dem Gelände von Auschwitz-Birkenau ist für viele hoch emotional. Gibt es Hilfe, um die psychische Belastung zu mildern?
Es fährt ein gutes Team aus unserem Jugendreferat mit, unter anderem ein diplomierter Sozialarbeiter. Der Religionslehrer Benny Pollack und unser Leiter des Jugendreferats, Nachumi Rosenblatt, werden ebenfalls mitkommen – Menschen, die mit dieser Situation umgehen und helfen können. Es ist immer wieder beeindruckend, wie die Gruppe in Situationen der großen emotionalen Belastung zusammenhält und zusammenwächst. Wir ermöglichen bewusst, dass die Teilnehmer die eigene Familiengeschichte erzählen können. Dies ist ein sehr guter Weg, das Erlebte verarbeiten zu können.

Andererseits will sich das moderne deutsche Judentum nicht immer über die Schoa identifizieren. Warum ist die Fahrt trotzdem notwendig?
Zum einen wird die Schoa immer ein einschneidendes Vorkommnis in der Geschichte des Judentums bleiben. Auf der anderen Seite hat der March of the Living auch ein sehr hoffnungsvolles Element. Wenn man gerade bei der Abschlusszeremonie in Birkenau die vielen Tausend jungen Menschen sieht, wie sie die Israelfahnen schwingen und gemeinsam singen, hat das auch etwas Zuversichtliches. Es hat etwas von: Wir haben überlebt, und es gibt heute in Europa wieder jüdisches Leben. Während der Reise besichtigen wir nicht nur Orte, die mit der Schoa in Verbindung stehen, sondern zeigen den Jugendlichen auch, wie traditionsreich und bedeutend jüdisches Leben in Polen vor der Zeit des Nationalsozialismus war, wo jüdisches Leben florierte wie etwa in Krakau und in Warschau. Und egal, wo man hinkommt, immer sind schon Gruppen aus anderen Nationen vor Ort.

Entstehen dabei auch nachhaltige Verbindungen?
Es entsteht ein großes Wir-Gefühl. Die Gruppen sind in denselben Hotels untergebracht. Während des Abendessens und in der Hotellobby treffen wir immer wieder auf andere Delegationen aus der ganzen Welt. Auf Organisationsebene gibt es ebenfalls Kontakte. Ein Ergebnis ist das Leadership-Programm mit Studierenden aus anderen europäischen Ländern, zu dem wir uns vor Kurzem in Sobernheim getroffen haben.

Mit dem stellvertretenden Direktor der ZWST sprach Heide Sobotka.

Lesung

Ein zeitgenössisches Märchen

Der niederländische Schriftsteller Leon de Winter stellte im Literaturhaus seinen neuen Roman »Stadt der Hunde« vor

von Luis Gruhler  16.06.2025

Urteil

Sicherungsverwahrung nach Brandanschlag auf Oldenburger Synagoge

Der Mann hatte die Tat eingeräumt und von »Stimmen« berichtet, die ihn zu dem Brandanschlag aufgefordert hatten

von Jörg Nielsen  16.06.2025

Thüringen

Gebete im »Salon Goethe«

Rund 130 Menschen kamen zum Schabbaton der Jüdischen Gemeinde Chabad Berlin nach Weimar

 16.06.2025

Berlin

Unter die Haut

Der Künstler Gabriel Wolff malt, formt und tätowiert »jüdische Identität

von Alicia Rust  15.06.2025

Porträt der Woche

Zwischen den Welten

Ruth Peiser aus Berlin war Goldschmiedin, arbeitete bei einer Airline und jobbt nun in einer Boutique

von Gerhard Haase-Hindenberg  15.06.2025

Berlin

»Drastisch und unverhältnismäßig«

Die Jüdische Gemeinde erhöht die Gebühren ab September deutlich. Betroffene Eltern wehren sich mit einer Petition

von Christine Schmitt  12.06.2025

Hamburg

Kafka trifft auf die Realität in Tel Aviv

Ob Krimi, Drama oder Doku – die fünften Jüdischen Filmtage beleuchten hochaktuelle Themen

von Helmut Kuhn  12.06.2025

Weimar

Yiddish Summer blickt auf 25 Jahre Kulturvermittlung zurück

Zwischen dem 12. Juli und 17. August biete die internationale Sommerschule für jiddische Musik, Sprache und Kultur in Weimar diesmal insgesamt über 100 Programmbausteine an

von Matthias Thüsing  11.06.2025

Sachsen

Verdienstorden für Leipziger Küf Kaufmann

Seit vielen Jahren setze er sich für den interreligiösen Dialog und den interkulturellen Austausch von Menschen unterschiedlicher Herkunft ein

 11.06.2025