Schwerin

Stolpern mit App

Stolperstein In Schwerin Foto: picture alliance / ZB

Schwerin

Stolpern mit App

In 37 Orten Mecklenburg-Vorpommerns sind Gedenksteine zu finden. Mithilfe des Smartphones kann man nun mehr erfahren

von Axel Seitz  28.07.2025 17:27 Uhr

Martin Beutler wohnte im Haus am Großen Moor 12 in der Schweriner Innenstadt ebenso wie Joseph Fliesswasser und das Ehepaar Frieda und Leo Mann mit ihrer Tochter Käthe. Fast täglich kann Janina Kirchner auf dem Weg zu ihrer Arbeit über diese Steine »stolpern«.

»Die Stolperstein-Initiative in Schwerin ist eine sehr wichtige Aufgabe von vielen aktiven Leuten in der Stadt«, betont die Verwaltungsleiterin der Jüdischen Gemeinde Schwerin. Und mit Blick auf die jüngeren Generationen sagt Janina Kirchner: »Wenn ich mit meinem Enkelkind spazieren gehe und ihm solche Steine zeige, dann ist das etwas, worüber wir direkt stolpern und mit unseren Kindern und Enkeln sprechen können.«

2006 wurden die ersten Stolpersteine in Schwerin verlegt. Bis heute sind es insgesamt 98 geworden sowie eine Stolperschwelle.

2004 begann die Stolperstein-Initiative damit, an ermordete und vertriebene Juden zu erinnern. »Damals habe ich tatsächlich angefangen, damit jemanden zu betrauen«, erinnert sich Sabine Klemm, die sich seither in der Initiative engagiert. »Wir haben eine Schülergruppe gefunden mit einer sehr engagierten Geschichtslehrerin. Und dann konnten wir dazu übergehen und fragen, wer hat eigentlich in Schwerin gelebt? Die Schülerinnen und Schüler sind dann zu den Stadtvertretern gegangen und haben darum gebeten, sie möchten gerne Stolpersteine verlegen lassen. Die Schweriner Stadtvertreter konnten nicht anders, als dem zuzustimmen.«

2006 wurden die ersten Stolpersteine in Schwerin verlegt. Bis heute sind es insgesamt 98 geworden sowie eine Stolperschwelle. Diese erinnert an Patienten der damaligen »Anstalt für geistesschwache Kinder« in einer Klinik auf dem Schweriner Lewenberg.

Zwischen 1939 und 1941 wurden fast 300 Bewohner ermordet.
Auf dem Schweriner Marktplatz erinnern Stolpersteine an die Familie Kychenthal, die hier ein Kaufhaus betrieb. An diesem Ort wurde eine App für Smartphones präsentiert. »Die Idee dieser App ist, dass Menschen, die das interessiert, sich vor so einen Stein stellen und ihn mittels dieser App auslesen können und zusätzliche Informationen bekommen«, erzählt Jochen Schmidt, der Direktor der Landeszentrale für politische Bildung in Mecklenburg-Vorpommern.

In insgesamt 37 Orten in Mecklenburg und Vorpommern sind Stolpersteine zu finden.

Die Landeszentrale hat diese App mit auf den Weg gebracht. In Schleswig-Holstein entwickelt, beteiligt sich neben Mecklenburg-Vorpommern auch das Land Bremen daran. »Zunächst gibt es erst mal einen Text zur jeweiligen Person, in Zukunft sollen auch Bilder dazukommen. Es können auch Audiodateien sein. Das ist eine Verlängerung dieser Erinnerungsarbeit, die geleistet worden ist mit den Stolpersteinen.«

Für Jochen Schmidt und seine Mitstreiter in Schwerin ist dies erst einmal der Auftakt, bald soll die Stadt Pasewalk folgen. »Ziel ist eine vollständige Erfassung aller Steine im Land. In zwei, drei Jahren sollte das passiert sein«, betont Jochen Schmidt.

In insgesamt 37 Orten in Mecklenburg und Vorpommern sind Stolpersteine zu finden, beispielsweise zwei in Ahrenshoop, sechs auf Hiddensee, 14 in Parchim und 31 in Wismar. »Wir werden nie fertig. Es sind noch sehr, sehr viele Menschen, für die Stolpersteine verlegt werden könnten«, betont Sabine Klemm. »Der Opferbegriff ist sehr groß. Er gilt auch für Menschen, die noch flüchten konnten. Denen gebührt auch ein Stolperstein, denn sie fehlen uns heute.«

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