Schoa

»Stab der Erinnerung weitergeben«

Kranzniederlegung beim Gedenken im KZ Sachsenhausen Foto: dpa

In Dachau haben am Sonntag Hunderte Menschen an die Befreiung des ehemaligen Konzentrationslagers vor 69 Jahren erinnert. Bei der zentralen Trauerstunde in der KZ-Gedenkstätte zitierte Josef Schuster den Schriftsteller und Schoa-Überlebenden Elie Wiesel: »Das Gegenteil des Erinnerns ist nicht das Vergessen. Das Gegenteil des Erinnerns ist die Gleichgültigkeit«, so der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern.

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, forderte bei der Gedenkstunde mehr Engagement der demokratischen Parteien gegen rechtsnationales Gedankengut.

Dass rechtspopulistische Bewegungen in ganz Europa Zulauf hätten, »ist vor allem dem Versagen der etablierten saturierten Parteien geschuldet«, betonte Knobloch. »Die Geschichte hat uns eine unmissverständliche Botschaft hinterlassen: Die Zerbrechlichkeit von Freiheit und Demokratie. Deshalb muss die Erlebnisgeneration den Stab der Erinnerung an die Erkenntnisgeneration weitergeben.«

Brandenburg Mit Schweigeminuten, Gebeten und Kranzniederlegungen wurde am Sonntagnachmittag auch in Brandenburg an die Befreiung der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück vor 69 Jahren erinnert. Dazu kamen weit mehr als 1000 Menschen zusammen, darunter Überlebende aus etlichen europäischen Ländern und Israel. Politiker verschiedener Parteien sagten bei den Gedenkveranstaltungen, es sei vor allem für die junge Generation wichtig, sich mit der Vergangenheit Deutschlands auseinanderzusetzen.

Auf diese Weise könnten Menschen dafür sensibilisiert werden, wie kostbar Demokratie, Pluralismus und Freiheit seien, hob Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst im früheren Lager Sachsenhausen hervor. Die kontinuierliche Arbeit der Gedenkstätten trägt nach ihrer Ansicht dazu bei, dass »unsere Demokratie wehrhaft bleibt«.

Der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland, erinnerte unter anderem an die Mordserie des rechtsradikalen Nationalsozialistischen Untergrunds und sagte, Geschichte wiederhole sich zwar nicht, aber bekannte Probleme könnten in einem neuen Gewand auftreten.

Der Präsident des Internationalen Sachsenhausen-Komitees, Roger Bordage, warnte, dass Ausgrenzung, Fremdenhass, Gewalt, religiöser Fundamentalismus und soziale Ungleichheiten »unsere an der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte orientierten Werte immer stärker bedrohen«. Die Erfahrungen der Zeitzeugen könnten hilfreich sein, »damit auch die Zukunft des europäischen Kontinents durch Frieden und Demokratie und nicht durch Zerstörung und Hass bestimmt wird«.

Projekt Vor der Gedenkfeier war der mit 3000 Euro dotierte Franz-Bobzien-Preis an Schüler aus dem Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg verliehen worden, die ein ehemaliges Kriegsgefangenenlager wiederhergerichtet hatten. Mit der von der Stadt Oranienburg und der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten vergebenen Ehrung werden Projekte gewürdigt, die sich mit der Aufarbeitung der NS-Zeit auseinandersetzen. Der sozialistische Politiker Bobzien war im KZ Sachsenhausen inhaftiert und setzte sich dort vor allem für polnische und tschechische Jugendliche ein.

Am Vormittag gab es bereits eine Gedenkfeier in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück (Oberhavel). Dort erinnerte unter anderem die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz und nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann an die gefolterten und ermordeten Häftlinge während der NS-Zeit. Dabei verwies sie auf die Bedeutung von Gedenkstätten für junge Menschen.

diktatur Mit einem Besuch könne das Bewusstsein geschaffen werden, »dass Grundrechte und Menschenwürde kostbar sind und ein Rückfall in eine Diktatur nie wieder passieren darf«. Hieraus erwachse die Verantwortung, achtsam zu sein und gegen jede Form von Ausgrenzung, Intoleranz und Gewalt vorzugehen.

Ravensbrück galt als eines der größten Frauen-KZs der Nationalsozialisten. Dort wurden zwischen 1939 und 1945 rund 132.000 Frauen und 1000 Mädchen, aber auch 20.000 Männer gefangen gehalten. Sie stammten aus mehr als 40 Nationen. Im Konzentrationslager Sachsenhausen waren von 1936 bis 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. In beiden Lagern starben Zehntausende Häftlinge an Hunger und Krankheiten oder wurden ermordet. Sowjetische und polnische Soldaten befreiten die Lager Ende April 1945. epd/ja

Bayern

Als Rassist und Antisemit im Polizeidienst? Möglich ist es …

Der Verwaltungsgerichtshof München hat geurteilt, dass Beamte sich im privaten Rahmen verfassungsfeindlich äußern dürfen, ohne deswegen mit Konsequenzen rechnen zu müssen

von Michael Thaidigsmann  01.07.2025

München

Gedenken in schwerer Zeit

Die Stadt erinnerte an jüdische Opfer des NS-Regimes. Die Angehörigen aus Israel konnten wegen des Krieges nicht anreisen

von Luis Gruhler  01.07.2025

Lesen

Über eine Liebe nach dem Holocaust

Die österreichische Schriftstellerin Melissa Müller stellte im Münchener Literaturhaus ihr neues Buch vor

von Helen Richter  01.07.2025

Auszeichnung

Strack-Zimmermann erhält Janusz-Korczak-Preis für Menschlichkeit

Die FDP-Politikerin wird für ihre klaren Worte und ihr entschlossenes Handeln angesichts globaler Krisen geehrt

 29.06.2025

Erfurt

Ende eines Krimis

Seine Entdeckung gilt als archäologisches Wunder: Mehr als 25 Jahre nach dem Fund des Erfurter Schatzes sind vier weitere Stücke aufgetaucht

von Esther Goldberg  29.06.2025

Porträt der Woche

Heilsame Klänge

Nelly Golzmann hilft als Musiktherapeutin an Demenz erkrankten Menschen

von Alicia Rust  29.06.2025

Interview

»Wir erleben einen doppelten Ausschluss«

Sie gelten nach dem Religionsgesetz nicht als jüdisch und erfahren dennoch Antisemitismus. Wie gehen Vaterjuden in Deutschland damit um? Ein Gespräch über Zugehörigkeit, Konversion und »jüdische Gene«

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  29.06.2025

Solidarität

»Sie haben uns ihr Heim und ihre Herzen geöffnet«

Noch immer gibt es keinen regulären Flugbetrieb nach Israel. Wir haben mit Israelis gesprochen, die in Deutschland gestrandet sind. Wie helfen ihnen die jüdischen Gemeinden vor Ort?

von Helmut Kuhn  26.06.2025

Meinung

Mannheim: Es werden bessere Tage kommen

Wegen Sicherheitsbedenken musste die jüdische Gemeinde ihre Teilnahme an der »Meile der Religionen« absagen. Die Juden der Stadt müssen die Hoffnung aber nicht aufgeben

von Amnon Seelig  25.06.2025