Stiftung

Spenden erbeten

Sind ehrenamtlich im Einsatz für die »Stiftung Zurückgeben«: Judith Kessler, Anke Gimbal, Tatjana Kirchner und Sharon Adler (v.l.) Foto: Uwe Steinert

Die Schriftstellerin Lena Gorelik hat von ihr ebenso ein Stipendium erhalten wie die Filmemacherin Rachel Sur oder die Pianistin Elżbieta Sternlicht. Viele weitere Hundert Frauen sind von ihr gefördert worden. Die Rede ist von der »Stiftung Zurückgeben« – doch nun könnte die Stiftung selbst dringend Unterstützung gebrauchen.

»Die Arbeit weiterzuführen und Stipendien zu vergeben, stellt für uns eine große Herausforderung dar«, betont Sharon Adler, Vorsitzende von Zurückgeben. Denn die institutionell nicht geförderte Stiftung finanziere sich ausschließlich über Spenden. Diese sind jedoch kontinuierlich rückläufig. Dafür aber erreichen die Stiftung weit mehr Bewerbungen als früher. »Wir würden gern alle qualifizierten Bewerberinnen fördern, aber es wird für uns immer schwieriger.« Bewerbungsschluss für das kommende Jahr ist der 2. September.

Jüdische Frauen und Stipendien

Zurückgeben dürfte hierzulande die einzige Stiftung in Deutschland sein, die explizit jüdische Frauen mit Stipendien unterstützt. Die Stiftung wurde 1994 von einer Gruppe jüdischer und nichtjüdischer Feministinnen aus dem Umfeld der Erziehungswissenschaftlerin Hilde Schramm, der Tochter des einstigen NS-Rüstungsministers Albert Speer, ins Leben gerufen. Den Gründerinnen waren die zerstörten Arbeitsmöglichkeiten von Jüdinnen in Deutschland bewusst. Den Namen »Zurückgeben« prägte die Berliner Kinderärztin und Familientherapeutin Marguerite Marcus im Kontext des »kontaminierten Erbes«, also der Inbesitznahme von geraubtem Eigentum deportierter und geflüchteter Jüdinnen und Juden.

Die Stiftung wurde 1994 von jüdischen und nichtjüdischen Feministinnen gegründet.

»Nach dem 7. Oktober sehen sich besonders die jüdischen Wissenschaftlerinnen, darunter viele Studentinnen und Künstlerinnen, die meist ohnehin in einer prekären Lebens- und Arbeitssituation agieren, zusätzlichen Schwierigkeiten und Traumatisierungen ausgesetzt«, ist Sharon Adler überzeugt.

Insbesondere Personen, die die IHRA-Definition von Antisemitismus anerkennen, stehen verstärkten Anfeindungen gegenüber, vor allem in ihren bisher vertrauten Wissenschafts- und Kulturcommunitys. Auch in dieser Beziehung seien die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen der Stiftung Ansprechpartnerinnen und böten Rückhalt, so Adler. Sie würden sich seit vielen Jahren dafür engagieren, die finanziellen und organisatorischen Grundlagen für die Förderung jüdischer Wissenschaftlerinnen und Künstlerinnen zu erhalten. Ihre Projekte beschäftigen sich mit den unterschiedlichen Bereichen jüdischer Lebenswelten.

Neben Projekten, die sich mit kollektiver Geschichte befassen, setzen sich einige Frauen, ausgehend von ihren individuellen Familienbiografien, vor allem mit dem Thema der transgenerationalen Weitergabe von Traumata auseinander. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen ihrer Groß- und Urgroßeltern während der Schoa beschäftigen sie sich in ihren Projekten mit den familiären und gesellschaftlichen Konsequenzen der Vererbung psychischer Erschütterungen als Folge von Verfolgung, Gewalt und Krieg.

Jüdischsein in der ehemaligen Sowjetunion

Ein weiteres wiederkehrendes Themenfeld sei die Erfahrung des Jüdischseins in der ehemaligen Sowjetunion, wo Religiosität nicht gelebt werden durfte. Einige Stipendiatinnen, die entweder in den GUS-Staaten geboren wurden oder deren Eltern als sogenannte Kontingentflüchtlinge ab Anfang der 90er-Jahre nach Deutschland kamen, würden die Hinwendung zur jüdischen Tradition und Religion als Teil der Identitätssuche thematisieren. »Wir möchten die Sichtbarkeit der jüdischen Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen unterstützen«, so Sharon Adler. Das sei definitiv eines ihrer Hauptanliegen.

Ein weiteres wichtiges Feld ist die Beratung von zumeist nichtjüdischen Privatpersonen, die um Unterstützung bei der Provenienzrecherche von im Nationalsozialismus entzogenem jüdischen Eigentum bitten. Dieses Engagement ist in der Dokumentation Vergiftetes Erbe – Auf der Suche nach jüdischen Eigentümern, die auf »Arte« ausgestrahlt wurde, widergespiegelt.

Der Film begleitet Sharon Adler bei den Recherchen zur Provenienz eines Schmuckstücks aus ehemals jüdischem Besitz. Adler glaubt, dass eine reale Rückgabe in den allerseltensten Fällen zum Erfolg führen kann, die Spuren sind oftmals unpräzise, die Recherche langwierig. Auch für diese Arbeit bekomme, so Adler, die Stiftung keine finanzielle Unterstützung, weder vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste noch von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien oder dem Berliner Senat.

»Zurückgeben« hilft auch bei der Provenienzrecherche.

»Glücklicherweise ist es der Stiftung Zurückgeben dennoch in einigen wenigen Fällen durch aufwendige Recherche gelungen, die rechtmäßigen Besitzer ausfindig zu machen und die Rückgabe jüdischen Eigentums zu ermöglichen.« Deshalb stelle eine Spende an die Stiftung eine Form des Zurückgebens dar. »In jedem Falle kommt sie künstlerisch und wissenschaftlich arbeitenden jüdischen Frauen zugute.«

Wie beispielsweise Lena Gorelik. Die Münchner Schriftstellerin erzählt in ihrem Romanprojekt Babyn Jar über das nach der Schlucht auf dem heutigen Stadtgebiet von Kiew benannte Massaker an ukrainischen Juden und Jüdinnen im Jahr 1941.

Ein weiteres Projekt, das die Stiftung unterstützt, ist eine Film-Serie der israelisch-amerikanischen Schriftstellerin Rachel Sur über in Berlin lebende Israelis. Sur erzählt die Geschichte einer Familie, deren politische, historische und persönliche Traumata aus drei Generationen miteinander verwoben sind.

Auch die Berliner Pianistin Elżbieta Sternlicht wurde gefördert. Sie rückte mit einem Projekt lyrische Klavierstücke der Komponistin Fanny Hensel-Mendelssohn und ihr bislang unveröffentlichtes und nicht eingespieltes Werk mit einer CD-Aufnahme ins Bewusstsein der Öffentlichkeit.

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