Pessach

Shoppen für den Seder

Das Telefon schallt durch die Lagerhalle und übertönt die Jazzmusik, die aus einem kleinen Radio kommt. Jemand im Büro nimmt den Hörer ab, anstelle des Läutens dringen nun Gesprächsfetzen bis in die Halle. Lali Silber, Geschäftsführerin von »Lampari«, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, sie kontrolliert an diesem Freitagmittag ganz entspannt Kartons, in denen koschere Lebensmittel gelagert werden, bevor sie zu den Kunden gelangen.

Die 77-Jährige steht in der »Weinstraße«, wie sie die Abteilung nennt. »Noch kann man hier durchgehen«, sagt sie mit einem Lachen. Aber ab Montag, wenn neue Ware eintrifft, werde man den Boden nicht mehr sehen, und sie und die weiteren sechs Mitarbeiter werden über Paletten steigen müssen. Selbst das mehrere Hundert Quadratmeter große Lager ist mittlerweile zu klein geworden.

Vor 19 Jahren eröffneten Lali und Juli Silber ihren koscheren Laden

Vor 19 Jahren eröffneten Lali und Juli Silber ihren koscheren Laden in der Damaschkestraße und bauten auch einen Onlinehandel auf. Vor dem Laden türmten sich damals Kartons und Pakete, die mit koscheren Lebensmitteln gefüllt waren. »Als wir passende Räume für unser Geschäft suchten, war uns der breite Gehweg der Damaschkestraße ganz wichtig«, sagt Lali Silber. Denn irgendwo muss die Ware vorübergehend gestapelt werden – der »Showroom« und die 300 Quadratmeter Lager in der Damaschkestraße seien zu klein.

Deshalb suchten sie und ihr Enkelsohn, Mishel Menasherov, ebenfalls Geschäftsführer, zusätzliche Lagermöglichkeiten. Zuerst wurden nur für die Feiertage Räume gebucht, nun haben sie eine große Halle angemietet.

Kisten mit Wein und Mazze, Gurken und Fleisch werden erwartet.

»In diesem Jahr gibt es ganz seltene koschere Weinsorten, die schwer zu bekommen sind und der gehobeneren Klasse angehören«, sagt sie und zeigt auf die Kennzeichnungen der Kartons. Aber nicht nur Kisten mit Wein werden erwartet, auch Mazze, Gurken, Geflügel- und Rindfleisch. »Kurz gesagt: alles, was man für den Seder braucht.« Früher sei viel Mazze aus Frankreich und Holland gefragt gewesen, jetzt stünde »Aviv« ganz weit oben. »Hunderte Kisten sind noch unterwegs.«

Wieder hallt ein Klingeln durch die Räume. Eine Mitarbeiterin eilt aus dem Büro mit dem Telefon zu Lali Silber. Sie muss etwas in den Unterlagen nachschauen und begleitet die Mitarbeiterin rasch an ihren Schreibtisch. »Viele Weine stammen aus Georgien, diese Tropfen sind voll der Renner«, sagt Mishel Menasherov, der nun auch in die »Weinstraße« gekommen ist.

Georgien sei das Land mit der ältesten Weinkultur der GUS-Länder schlechthin. Kleinere Weingüter beliefern Lampari. »Und ich komme ebenfalls aus diesem Land«, sagt Lali Silber, die aus dem Büro zurück ist. Später emigrierte sie nach Israel, wo sie als Rundfunkredakteurin und als Gesandte von Keren Hayesod agierte.

Fast alle jüdischen Gemeinden Deutschlands bestellen zu Pessach bei Lampari

Fast alle jüdischen Gemeinden Deutschlands bestellen zu Pessach bei Lampari. Ebenso exportieren Silber und Menasherov nach Spanien, Portugal und in die baltischen Staaten. »Hotel King David« steht auf einem eingeschweißten großen Karton. »Da sind handgemachte Mazzot eingepackt, die zu dem Hotel nach Prag geschickt werden«, so der 38-Jährige.

»Ich bin hier hineingerutscht«, sagt der Enkelsohn. Und geblieben. Das Geschäft wuchs immer mehr. Eigentlich wollte er nach seinem BWL-Studium ins Bankenwesen. Am Touro College hatte er studiert, damals war er einer der ersten Studenten. »Wir gehen in Vorkasse«, meint er. Bezahlt werden müsse erst bei Erhalt. Er weiß aber auch, dass er sich auf die Gemeinden verlassen könne. Die Zeiten, in denen Freunde um Hilfe gebeten werden mussten, wenn es eng wurde, seien glücklicherweise vorbei.

»Der Zoll hat unseren Container gerade im Hamburger Hafen freigegeben«, ruft Lali Silber erleichtert aus dem Büro. Vier Wochen war das Schiff unterwegs nach Deutschland. Nun kann der Lkw beladen werden, sodass er demnächst im Lager ankommen wird. Da Lampari große Mengen überwiegend direkt vom Hersteller bekommt, können die Produkte preiswert weiterverkauft werden. Meistens wird die Ware in Containern geliefert, und die Paletten werden mit einem Gabelstapler ins Lager gefahren. Dieses Jahr sind glutenfreie Pessachkuchen, Pitabrot, Tapioka, Suppenpulver, Mandeln, Kartoffelmehl, koscheres Salz aus dem Roten Meer und Gewürze sehr begehrt.

Allerdings hat Menasherov auch die Erfahrung gemacht, dass es wirtschaftlicher sei, selten angefragte Artikel aus dem Angebot zu nehmen. Kaffee sei beispielsweise für ihn eher uninteressant. An Schokolade, Bonbons und Bamba verdiene man zu wenig. Deshalb stünden inzwischen »nur noch« 400 Artikel statt 700 zur Auswahl. »Wir verdienen erst an der Masse.« Wenn der Absatz zu gering ist, funktioniere es nicht.

Dieses Jahr liegen glutenfreie Kuchen und Tapioka im Trend.

Die Mitarbeiterin, die den Telefondienst gerade übernommen hat, kommt herangeeilt. »Bis wann kann ein Logistiker heute noch liefern?«, fragt sie mit dem Hörer in der Hand. »Bis 18 Uhr«, lautet die Antwort. Zwei Mitarbeiter, darunter Denis Mena­sherov, ein weiterer Enkelsohn, fangen an, zwischen den Kartons durch die Gänge zu gehen und Ware zusammenzusuchen und einzupacken. »Es ist für Selbstabholer«, sagen sie.

Ob Großabnehmer oder Einzelbesteller, alle werden gleich gut bedient

Ob Großabnehmer oder Einzelbesteller, alle werden gleich gut bedient, versichert Lali Silber. »Unsere oberste Regel heißt, dass der Kunde zufrieden sein muss.« Sie und zu Beginn auch ihr Mann Juli hatten vor Jahren eine Vision: Ihre Idee war von Anfang an, einen koscheren Discounter zu etablieren und Kunden in Deutschland und den Nachbarländern mit ihren Produkten zu beliefern.

Gegen 8 Uhr beginnt der Arbeitstag von Mishel Menasherov, dann betritt er das Büro, sichtet als Erstes die Mails, kümmert sich um die Anrufe und schaut, was vorzubereiten und gepackt werden muss. Später bespricht er mit allen, die mittlerweile eingetroffen sind, den Tagesablauf. Zwei bis drei Mitarbeiter bleiben im Lager, einer fährt raus und beliefert in Berlin Res­taurants und Caterer. »Das kann drei bis vier Stunden oder auch schon mal einen ganzen Tag dauern«, sagt der 38-Jährige.

Ein Basketballkorb hängt über der Tür zum Büro. »Der stammt noch aus meiner Kindheit«, meint Mishel Menasherov. Er habe immer die Hoffnung, zwischendurch ein paar Bälle zu versenken. »Klappt aber nicht, ich habe zu viel zu tun.« Manche Arbeitstage gehen bis 21 Uhr. Er würde sich gern weiter vergrößern. Derzeit habe er die Tiefkühlware nämlich woanders untergebracht. »Aber ich hätte lieber alles in einem Haus.«

Tagsüber handelt er mit koscheren Lebensmitteln, in seinem Privatleben versucht er, sich koscher zu ernähren. »Es ist auch hier möglich«, so der 38-Jährige. Lampari ist übrigens georgisch und heißt übersetzt »Lichtsäule« oder »Laterne«. Und wie eine Laterne soll ihr Laden auch für ihre Kundschaft leuchten, erläutert die 77-jährige Lali Silber den Firmennamen. Und prompt klingelt schon wieder das Telefon.

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