Berlin

Segen per Zoom

»Besonders in schwieriger Zeit braucht es gut ausgebildete Rabbiner«: Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann (M.) mit den Frankel-Absolventen Joshua Weiner (l.) und Netanel Olhoeft (r.) Foto: Tobias Barniske

Zum zweiten Mal in seiner noch jungen Geschichte konnte das Zacharias Frankel College, Rabbinerschule der konservativen Masorti-Bewegung in Deutschland, mit Freunden aus aller Welt Ordination feiern. Am vergangenen Sonntagabend erhielten die Rabbinerstudenten Netanel Olhoeft (26) und Joshua Weiner (35) im Gemeindehaus der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Fasanenstraße in Berlin-Charlottenburg ihre Smicha.

Abstandsregeln Wie andere aktuelle Veranstaltungen blieb auch diese Ordinationsfeier von den geltenden Abstandsregeln zur Corona-Prävention nicht verschont. Die Teilnehmer trugen Mundschutzmasken, ein festlicher Empfang blieb aus. Doch trotz oder gerade wegen der äußerlichen Beschränkungen geriet die Feier zu einem außergewöhnlichen und hoffnungsvollen Ereignis.

Von den Gitarren- und Violinklängen der Kantorstudentinnen Noga-Sarai Bruckstein und Shulamit Lubowska über internationale Grußadressen, Statements der College-Mitarbeiter bis hin zu den Worten der frisch ordinierten Rabbiner war die Ordination dem Anlass angemessen feierlich organisiert.

Gleichzeitig ist nun klar: Das Frankel College hat in bemerkenswerter Weise zu den schon länger existierenden »Geschwister«-Ausbildungsstätten, dem Abraham Geiger Kolleg in Potsdam und dem Rabbinerseminar zu Berlin, aufgeschlossen.

HERAUSFORDERUNG »Wir sind akademisches Institut und gelebte Gemeinschaft zugleich«, ließ Sandra Anusiewicz-Baer, Koordinatorin des College, eingangs wissen, und davon war am Sonntagabend so einiges zu spüren. »Diese Ordination ist ein neuer Beleg für das Wachstum jüdischen Lebens in Mitteleuropa«, freute sich Jeffrey Herbst, per »Zoom« zugeschalteter Präsident der American Jewish University Los Angeles, »und es ist ein Tag der Freude. Wir sind zwar über Tausende Meilen entfernt, aber im Herzen verbunden.«

Rabbi Bradley Artson, Dekan der Ziegler School of Rabbinic Studies an derselben Universität und Mitbegründer des Frankel College im Jahre 2013, dankte sämtlichen Unterstützern und wandte sich dann direkt an Netanel Olhoeft und Joshua Weiner: »Ihr habt unsere Schule zu einem noch besseren Ort gemacht, und nun seid ihr Pioniere eines einmaligen Bandes, das von Los Angeles über Jerusalem bis nach Potsdam reicht.«

Zu den Ehrengästen in der Fasanenstraße zählte auch der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, Daniel Botmann, der zugleich auf die aktuelle Situation einging. »Die Corona-Pandemie hat viele Menschen aus der Bahn geworfen, und was vor einigen Monaten noch selbstverständlich war, hat plötzlich keinen Bestand mehr«, sagte Botmann.

»In solch schwierigen Zeiten braucht es gut ausgebildete Rabbiner, die einfühlsam sind und den Menschen Halt geben.« Zugleich sei es eine große Herausforderung, die Gemeinden für jüdische Frauen, Männer und Kinder besser erreichbar zu machen. »Wir müssen auch um jeden einzelnen Menschen werben, dem die Religion bisher vielleicht nur wenig bedeutet. Diese Menschen erreichen wir nur mit vereinten Kräften – Orthodoxe, Konservative und Liberale gemeinsam«, betonte Botmann.

Josh Weiner ist der Erste, der seine Ausbildung am Frankel College begann und auch abschloss.

Dass die beiden neuen Rabbiner bis in die Fingerspitzen motiviert sind, hatte sich schon während der vergangenen Jahre abgezeichnet.

WERDEGANG Dabei war für Joshua Weiner, 1985 in Jerusalem geboren und als Kind zunächst in London aufgewachsen, der Weg als Rabbiner keineswegs vorgezeichnet. Nach seinem Dienst in der israelischen Armee studierte er in Israel zunächst Mathematik und Philosophie, wechselte dann zum Studium der Sozialarbeit, arbeitete mit Kindern, Jugendlichen und Folteropfern.

Vor sechs Jahren kam er nach Berlin und begann, sich ausgerechnet hier mit Fragen der jüdischen Religion, Tradition und Gemeinschaft intensiver zu beschäftigen. Weiner ist der erste Student, der seine Ausbildung direkt am Frankel College begann und hier nun auch abgeschlossen hat.

An der hiesigen Ausbildung schätzt er besonders die Flexibilität des Curriculums und Lehrplans. »Besonders gut haben mir zudem das Jahr an der Conservative Ye-shiva in Jerusalem und die Studien-Praktika in Paris und Berlin gefallen«, sagte Jo-shua Weiner der Jüdischen Allgemeinen.

VORBILDER In Berlin hat er während der vergangenen Jahre erfolgreich an einer Reihe von jüdischen Bildungsinitiativen für Kinder und junge Erwachsene mitgewirkt. Er wolle die dabei gewonnene Energie gern in etablierte Gemeindestrukturen einbringen, durchaus auch außerhalb der Hauptstadt. Als theologische wie spirituelle Vorbilder nennt er Nachman von Bratzlaw, Maimonides, Samson Raphael Hirsch, aber auch Kalonymus Kalman Shapiro, Khalil Gibran und Arthur Rimbaud.

Netanel Olhoeft, 1994 in Berlin geboren, fühlt sich neben Maimonides auch vom Denken und den Einsichten eines Maharal (Rav Jehuda Löb aus Prag), Ramchal (Rav Mosche Chaim Luzatto) und Schadal (Rav Schmuel David Luzzatto) angezogen. »Ich habe zugleich auch Hochachtung vor einer großen Zahl von nichtjüdischen Denkern, Dichtern und Philosophen«, betont Olhoeft.

Der junge Mann sieht seine nächsten Jahre zunächst im akademischen Bereich, vornehmlich als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter an der School of Jewish Theology der Universität Potsdam. Zu einem halachischen Thema ist zudem eine Dissertation im Entstehen. Von der Atmosphäre am Zacharias Frankel College war er in den vergangenen Jahren grundsätzlich begeistert.

COMMUNITY »Das College hat es geschafft, eine sehr harmonische und einander helfende, beistehende Community von Studierenden zu formen, die sich gemeinschaftlich dem Quellenstudium hingeben. Es ist zwar noch ein kleines Ins­titut, hat aber eine beständig brennende Flamme in seinem Inneren«, sagt Olhoeft.

Eine ihrer Hauptaufgaben sehen beide Rabbiner darin, jüdische Identität zu stärken.

Auch wenn die beiden jungen Rabbiner im Moment (noch) keine Gemeinde übernehmen, sehen sie es als eine ihrer vordringlichsten Aufgaben, jüdische Identität und jüdisches Selbstbewusstsein zu stärken, resultierend aus dem Wissen um die eigene Geschichte, Tradition und die reichhaltigen Quellen.

»Wir wollen helfen, den Menschen auf individuelle Weise die Schönheit der Tora wieder näherzubringen«, bringt es Netanel Olhoeft auf den Punkt.

Friedrichshain-Kreuzberg

Antisemitische Slogans in israelischem Restaurant

In einen Tisch im »DoDa«-Deli wurde »Fuck Israel« und »Free Gaza« eingeritzt

 19.04.2024

Pessach

Auf die Freiheit!

Wir werden uns nicht verkriechen. Wir wollen uns nicht verstecken. Wir sind stolze Juden. Ein Leitartikel zu Pessach von Zentralratspräsident Josef Schuster

von Josef Schuster  19.04.2024

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024

Berlin

Pulled Ochsenbacke und Kokos-Malabi

Das kulturelle Miteinander stärken: Zu Besuch bei Deutschlands größtem koscheren Foodfestival

von Florentine Lippmann  17.04.2024

Essay

Steinchen für Steinchen

Wir müssen dem Tsunami des Hasses nach dem 7. Oktober ein Miteinander entgegensetzen

von Barbara Bišický-Ehrlich  16.04.2024

München

Die rappende Rebbetzin

Lea Kalisch gastierte mit ihrer Band »Šenster Gob« im Jüdischen Gemeindezentrum

von Nora Niemann  16.04.2024

Jewrovision

»Ein Quäntchen Glück ist nötig«

Igal Shamailov über den Sieg des Stuttgarter Jugendzentrums und Pläne für die Zukunft

von Christine Schmitt  16.04.2024

Porträt der Woche

Heimat in der Gemeinschaft

Rachel Bendavid-Korsten wuchs in Marokko auf und wurde in Berlin Religionslehrerin

von Gerhard Haase-Hindenberg  16.04.2024