Vortrag

Schalom in Hellas

Den Juden in Griechenland widmete sich ein Vortragsabend im Hubert-Burda-Saal der Israelitischen Kultusgemeinde. Eingeladen dazu hatten die Stiftung für Jüdische Geschichte und Kultur in Europa, das Evlagon Institut für kretisch-jüdische Geschichte, die IKG München und Oberbayern sowie der Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur an der Ludwig-Maximilians-Universität.

In ihrer Begrüßungsrede vor dem griechischen Generalkonsul Andreas Psycharis und zahlreicher anderer Vertreter griechischen Lebens wie dem Vorsitzenden des Kretischen Vereins München, Manolis Kugiumutz, sprach Präsidentin Charlotte Knobloch von ihrem Besuch in Thessaloniki im Jahr 2007. Damals war am Freiheitsplatz ein Denkmal enthüllt worden, das an die rund 50.000 in deutschen Konzentrationslagern ermordeten Juden dieser Stadt erinnerte.

Vor der Schoa, so rief die Präsidentin ins Gedächtnis der Zuhörer, »galt Saloniki als größte sefardische Gemeinde Europas. 1910 hielt sich David Ben Gurion zum Türkischstudium in der Stadt auf und war fasziniert von der Vielfalt dieses jüdischen Gemeinwesens. Es war die Rede vom Jerusalem des Balkans. Der jüdische Einfluss war so groß, dass der Hafen der Stadt – einer der wichtigsten Häfen seiner Zeit – samstags schloss.«

Schabbat Für Knobloch ist die Erinnerung aber auch Teil der Gegenwart: »Wir teilen eine Geschichte, und wir teilen eine Zukunft«, mahnte sie. »Wer hätte angesichts der schrecklichen Auseinandersetzungen der vorherigen Jahrhunderte davon zu träumen gewagt, dass die blutigen Schlachtfelder von einst einmal Sitzungssälen in Brüssel weichen würden.« Diese Tatsache sei aber auch eine Verpflichtung für die Gegenwart: »Griechenlands Probleme sind auch unsere Probleme.«

Zwei Vorträge beleuchteten dann an diesem Abend die Situation der Juden in Griechenland in Geschichte und Gegenwart. »Greek Jews before and after World War II«, hatte Katherine E. Fleming ihren Vortrag überschrieben. Sie ist Alexander-S.-Onassis-Professorin für hellenistische Kultur und Professorin für Geschichte an der New York University, wo sie das Remarque-Institut leitet, sowie an der École Normale Superieure in Paris.

Die Spezialistin für die Geschichte des modernen Griechenlands, des Balkans und Mittelmeerraumes veröffentlichte unter anderem 2008 das Buch Greece: A Jewish History. Sie schilderte die Besonderheiten der Juden Griechenlands, die im Austausch mit den Mittelmeerländern standen. So habe es zum Beispiel auch in Ägypten zu Anfang des 20. Jahrhunderts griechischsprachige Juden gegeben.

Von den etwa 100.000 Juden, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Griechenland lebten, sind 80 Prozent von den Nationalsozialisten ermordet worden. Heute leben noch rund 4.000 Juden in Hellas. »Die jüdischen Griechen sind nach dem Krieg nahezu verschwunden«, sagte Fleming. Sie sind nach Palästina gegangen, nach Afrika und in die Vereinigten Staaten. Der Wunsch nach Unterstützung des Wiederaufbaus einer jüdischen Präsenz war nahezu zwangsläufig.

Ein Beispiel für aktives Leben ist hier die Etz-Hayyim-Synagoge Chania auf der Insel Kreta. Sie stand im Mittelpunkt der Ausführungen von Anja Zückmantel vom Evlagon Institut für kretisch-jüdische Geschichte in Chania und Nikolaj Kiessling, dem Vizepräsidenten des Broad of Trustees der Etz-Hayyim-Synagoge Chania. »Wiederaufbau und Zerstörung« waren hier das Thema, wobei die Reihenfolge stimmt.

anschlag Die Etz-Hayyim-Synagoge wurde nämlich im vergangenen Jahr ein weiteres Mal durch einen Anschlag zerstört. Doch die Akzeptanz der Bevölkerung, zahlreicher Kreta-Besucher und Unterstützer halten Erinnerung und jüdische Tradition dort am Leben. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet das Evlagon-Institut, das dem bisher wenig erforschten jüdischen Leben auf Kreta nachgeht. Benannt ist es nach dem letzten Oberrabbiner Kretas, Avraham Evlagon.

Das jüdische Leben auf Kreta lässt sich schon in der Zeit Alexanders des Großen im 4. Jahrhundert vor der Zeitenwende belegen. Der römische Historiker Tacitus spricht sogar davon, dass das jüdische Volk von dieser Insel aus seinen Ursprung genommen habe. Im 17. Jahrhundert lassen sich für den Ort Chania sogar zwei Synagogen nachweisen.

Im Mai 1941 besetzten dann deutsche Truppen Kreta. Mit der Schoa war das 2.500-jährige Leben Kretas beendet. Das einzige in Teilen erhaltene jüdische Denkmal auf Kreta ist die Etz-Hayyim-Synagoge in Chania. 1941 wurde sie weitgehend zerstört. Nicht zuletzt dem Engagement von Nikolaj Kiessling ist es zu verdanken, dass Erinnerung an jüdische Traditionen dort wachgehalten werden.

Er stieß auf die Synagoge, als er 1986 auf Kreta um die Hand seiner Frau anhielt. »Jüdisches Leben war damals weitgehend unbekannt«, erzählte er. Er lernte einen Überlebenden kennen. Der Wiederaufbau nahm seinen Anfang. Freunde und Unterstützer sorgten und sorgen für ein Miteinander nicht nur bei der baulichen Wiederbelebung, sondern auch dabei, dass sich die Räume mit Leben in jüdischer Tradition füllen.

Der Brandanschlag auf die Synagoge im Jahr 2010 war für die Gemeinschaft ein schwerer Rückschlag. Doch die Freunde von Etz Hayyim geben nicht auf. Sie investieren Arbeit, Geld und viel Enthusiasmus. Der erneute Aufbau muss mit Spenden finanziert werden. Einheimische und Touristen, Juden und Christen treffen sich hier nach wie vor, um die Tradition und die Erinnerung wachzuhalten.

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