Seesen

Reformtempel

Heute würden wir sagen, Israel Jacobson hat seine Schule auf der grünen Wiese gebaut. Die Gründe, warum der Bankier gerade das niedersächsische Örtchen Seesen für sein Projekt ausgesucht hat, sind letztlich nicht hinreichend geklärt. Ein Argument, das durchaus einleuchtet, ist, Jacobson habe bewusst »die grüne Wiese« gewählt, um sein Vorhaben unbehelligt von religiösen Auseinandersetzungen und Einflussnahmen durchführen zu können.

Fakt ist jedoch, dass es hier vor 1800 keine jüdische Gemeinde gab. Und andererseits von diesem Ort am Rande des Harzes eine jüdische Reformbewegung ausging, die für die Gemeinschaft in Deutschland revolutionär sein sollte. Es wurde auf Deutsch gepredigt, eine Orgel begleitete den Chorgesang. Auch äußerlich wies der Bau in seiner Architektur Bezüge zur benachbarten evangelischen St.-Andreas-Kirche auf.

Quellen Auf 250 Seiten vereint das Buch historische, theologische, musikgeschichtliche, architekturgeschichtliche und kunstwissenschaftliche Aufsätze rund um Schule (eröffnet 1801) und Tempel. Interessant sind auch die Auszüge aus den Jahrbüchern der preußischen Monarchie, die Einblick in die Verfassung der jüdischen Gemeinschaft, die Kleiderordnung der Schüler, den Ablauf des Unterrichts oder den Vertrag mit dem Lehrer Heinroth geben. Der Quellentext etwa von Karl Ritter über seine pädagogische Reise von Goslar nach Braunschweig ist lesenswert. Sehr anschaulich sind die computeranimierten Bilder vom Innenraum des Jacobstempels, die Sabine Stübig und ihr Architekturbüro hergestellt haben. Wer sich nicht nur für die jüdische Reformbewegung, sondern auch für Gesellschaft, Politik und Musik Anfang des 19. Jahrhunderts interessiert, findet hier sicher viel Anregendes.

Stadt Seesen (Hrsg.): »Der Jacobstempel. Die Synagoge der Jacobson-Schule in Seesen«, Druck: Dobler, Alfeld 2010, 250 S., 16,80 €

Bayern

Als Rassist und Antisemit im Polizeidienst? Möglich ist es …

Der Verwaltungsgerichtshof München hat geurteilt, dass Beamte sich im privaten Rahmen verfassungsfeindlich äußern dürfen, ohne deswegen mit Konsequenzen rechnen zu müssen

von Michael Thaidigsmann  01.07.2025

München

Gedenken in schwerer Zeit

Die Stadt erinnerte an jüdische Opfer des NS-Regimes. Die Angehörigen aus Israel konnten wegen des Krieges nicht anreisen

von Luis Gruhler  01.07.2025

Lesen

Über eine Liebe nach dem Holocaust

Die österreichische Schriftstellerin Melissa Müller stellte im Münchener Literaturhaus ihr neues Buch vor

von Helen Richter  01.07.2025

Auszeichnung

Strack-Zimmermann erhält Janusz-Korczak-Preis für Menschlichkeit

Die FDP-Politikerin wird für ihre klaren Worte und ihr entschlossenes Handeln angesichts globaler Krisen geehrt

 29.06.2025

Erfurt

Ende eines Krimis

Seine Entdeckung gilt als archäologisches Wunder: Mehr als 25 Jahre nach dem Fund des Erfurter Schatzes sind vier weitere Stücke aufgetaucht

von Esther Goldberg  29.06.2025

Porträt der Woche

Heilsame Klänge

Nelly Golzmann hilft als Musiktherapeutin an Demenz erkrankten Menschen

von Alicia Rust  29.06.2025

Interview

»Wir erleben einen doppelten Ausschluss«

Sie gelten nach dem Religionsgesetz nicht als jüdisch und erfahren dennoch Antisemitismus. Wie gehen Vaterjuden in Deutschland damit um? Ein Gespräch über Zugehörigkeit, Konversion und »jüdische Gene«

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  29.06.2025

Solidarität

»Sie haben uns ihr Heim und ihre Herzen geöffnet«

Noch immer gibt es keinen regulären Flugbetrieb nach Israel. Wir haben mit Israelis gesprochen, die in Deutschland gestrandet sind. Wie helfen ihnen die jüdischen Gemeinden vor Ort?

von Helmut Kuhn  26.06.2025

Meinung

Mannheim: Es werden bessere Tage kommen

Wegen Sicherheitsbedenken musste die jüdische Gemeinde ihre Teilnahme an der »Meile der Religionen« absagen. Die Juden der Stadt müssen die Hoffnung aber nicht aufgeben

von Amnon Seelig  25.06.2025