Porträt

Rabbiner mit Bassgitarre

»Bundeswehr als Ort, sich für demokratische Werte zu engagieren«: Rabbiner Zsolt Balla

Der Landesrabbiner von Sachsen ist ein ruhiger und zuvorkommender Mensch. Zsolt Balla hat das Amt seit 2019 inne und ist seit 2009 zugleich orthodoxer Gemeinderabbiner in Leipzig. Dem gebürtigen Ungarn, Jahrgang 1979, steht jetzt eine neue Tätigkeit bevor: Balla wird heute als Militärbundesrabbiner der Bundeswehr in sein Amt eingeführt.

An der Feierstunde in der Synagoge der Leipziger Israelitischen Religionsgemeinde wollen unter anderen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster sowie der evangelische und der katholische Militärbischof teilnehmen.

In einer historischen Entscheidung hatte der Bundestag im vergangenen Jahr den Weg für die jüdische Seelsorge in der Truppe freigemacht. Damit können Soldaten erstmals seit Ende des Ersten Weltkriegs wieder von einem Rabbiner betreut werden - 76 Jahre nach der Schoa. Balla zur Seite gestellt werden sollen weitere Militärrabbiner, insgesamt sind bis zu zehn geplant.

Seine unaufgeregte Art dürfte dem 42-Jährigen zugute kommen. Denn die jüdischen Seelsorger sollen wie ihre katholischen und evangelischen Pendants die Soldaten und ihre Angehörigen begleiten, Trost spenden und Kraft geben. Ebenso werden sie am lebenskundlichen Unterricht zur ethischen Bildung mitwirken - und auch den Kampf gegen Antisemitismus unterstützen.

Es ist nicht das erste historische Ereignis, zu dessen Protagonisten Balla gehört: Er und Avraham Radbil waren nach Angaben der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) die ersten orthodoxen Rabbiner, die hierzulande nach 1938 ordiniert wurden. »Ich selbst fühle mich nicht als etwas Besonderes, aber ich weiß, dass es für Deutschland etwas Besonderes ist«, sagte Balla damals. Mittlerweile gehört er zum Vorstand der ORD.

Balla hatte in seiner aus Budapest stammenden Familie zunächst nicht viel mit dem Judentum zu tun - zeitweise wollte er sich sogar einer christlichen Gemeinde anschließen. Seine Mutter schritt ein: Als Neunjähriger erfuhr er dadurch, dass er Jude ist. Fortan ging er in die Synagoge. Weil sein Vater Oberleutnant war, lebte die Familie zeitweise auf Militärbasen in Ungarn.

Sein Studium widmete Balla dem Wirtschaftsingenieurwesen. Weil sein Interesse am Judentum aber größer geworden war, beschloss er nach seinem Abschluss, sich in einer Berliner Jeschiwa mit dem Tora- und Talmudstudium zu beschäftigen. Über seinen Blick auf das Judentum sagte Balla einmal: »Es ist kein Museumsstück, das man sich in einer Vitrine anguckt.«

Im Interview mit dieser Zeitung betonte er vor ein paar Jahren, dass es zu vermitteln gelte, »dass unsere religiösen Werte auch heute im Alltag eine große Relevanz haben und uns helfen, uns zu orientieren und Entscheidungen zu treffen«. Und: »Bei Judentum denken die meisten Menschen in Deutschland nur an Holocaust und Antisemitismus.«

Es sei aber wichtig, in der Gesellschaft ein größeres Bewusstsein dafür zu schaffen, was jüdisches Leben heute sonst noch ausmache. »Das sehe ich auch als eine meiner Aufgaben: Jüdisches Leben muss ein selbstverständlicherer Teil der Gesellschaft werden.« Das betreffe koscheres Essen in Kliniken oder jüdischen Religionsunterricht an Schulen - und eben auch die jüdische Militärseelsorge.

Sein neues Amt bezeichnet Balla nun gegenüber dieser Zeitung als »eine große Verantwortung, etwas Gutes für Deutschland und die Juden in Deutschland zu tun«. Er wünsche sich, dass vermehrt Juden Soldaten würden - derzeit sind es schätzungsweise etwa 300. »Wir hoffen, dass es hier in Deutschland trotz der Geschichte des Landes für Juden irgendwann normal wird, diesen Berufsweg einzuschlagen.«

Für die Rabbiner sei es eine wichtige Aufgabe, »im lebenskundlichen Unterricht für alle Soldaten auch präventiv gegen Antisemitismus vorzugehen. Auf diesem Feld gibt es sehr viel zu tun«, betont Balla. »Ich möchte, dass es in ein paar Jahren klar sein wird, dass die Bundeswehr ein Ort ist, an dem sich viele Menschen für demokratische Werte engagieren.«

Sein neues Amt wird Balla in Teilzeit ausüben - und zugleich Rabbiner der Leipziger Gemeinde und sächsischer Landesrabbiner bleiben, ebenso wie der Direktor des Instituts für Traditionelle Jüdische Liturgie. In seiner Freizeit spielt Balla Bassgitarre. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter und einen Sohn. Gemeinsam mit seiner Familie wird er in Leipzig bleiben - zum Militärrabbinat in Berlin ist es nicht weit.

Porträt der Woche

»Musik war meine Therapie«

Hagar Sharvit konnte durch Singen ihre Schüchternheit überwinden

von Alicia Rust  15.07.2025

Berlin

Gericht vertagt Verhandlung über Lahav Shapiras Klage gegen Freie Universität

Warum die Anwältin des jüdischen Studenten die Entscheidung der Richter trotzdem als großen Erfolg wertet. Die Hintergründe

 15.07.2025 Aktualisiert

Andenken

Berliner SPD: Straße oder Platz nach Margot Friedländer benennen

Margot Friedländer gehörte zu den bekanntesten Zeitzeugen der Verbrechen der Nationalsozialisten. Für ihr unermüdliches Wirken will die Berliner SPD die im Mai gestorbene Holocaust-Überlebende nun sichtbar ehren

 15.07.2025

Bonn

Schoa-Überlebende und Cellistin Anita Lasker-Wallfisch wird 100

Sie war die »Cellistin von Auschwitz« - und später eine engagierte Zeitzeugin, die etwa vor Schülern über ihre Erlebnisse unter dem NS-Regime sprach. Jetzt feiert sie einen besonderen Geburtstag

von Leticia Witte  15.07.2025

Würdigung

Er legte den Grundstein

Vor 100 Jahren wurde Simon Snopkowski geboren. Zeitlebens engagierte sich der der Schoa-Überlebende für einen Neubeginn jüdischen Lebens in Bayern

von Ellen Presser  14.07.2025

München

Im Herzen ist sie immer ein »Münchner Kindl« geblieben

Seit 40 Jahren ist Charlotte Knobloch Präsidentin der IKG München. Sie hat eine Ära geprägt und das Judentum wieder in die Mitte der Gesellschaft gerückt

von Christiane Ried  14.07.2025

Jubiläum

Münchner Kultusgemeinde feiert Wiedergründung vor 80 Jahren

Zum Festakt werden prominente Gäste aus Politik und Gesellschaft erwartet

 14.07.2025

Berliner Ensemble

Hommage an Margot Friedländer

Mit einem besonderen Abend erinnerte das Berliner Ensemble an die Zeitzeugin und Holocaust-Überlebende. Pianist Igor Levit trat mit hochkarätigen Gästen auf

 14.07.2025

Reisen

Die schönste Zeit

Rom, Balkonien, Tel Aviv: Hier erzählen Gemeindemitglieder, an welche Urlaube sie sich besonders gern erinnern

von Christine Schmitt, Katrin Richter  13.07.2025