Demonstration

Protest gegen Tabubruch

Für Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, war es eine »Wahl der Schande«, ein »Tabubruch« mit weit über Thüringen hinausreichendem, kaum einschätzbarem Schaden.

Allein stand sie mit ihrer Bewertung der Skandalwahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten Thüringens nicht. Mehrere hundert Münchner waren dem Aufruf von »München ist bunt« zu einer Demonstration vor der FDP-Landesgeschäftsstelle gefolgt.

»Wo der Boden unserer demokratischen Verfasssung nicht mehr Grundlage des Handelns ist, werden Erinnerungen an die finstersten Zeiten der Geschichte wach.« IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch

Am Morgen der Kundgebung hatte der mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählte Politiker bereits seinen Rücktritt angekündigt, an der Demonstration hielten die Organisatoren fest. Micky Wenngatz, Vorsitzende von »München ist bunt«, die die Vorgänge in Erfurt als »ein Verbrechen an der Demokratie« bezeichnete, erklärte, warum eine Absage ein falsches Signal gewesen wäre. »Die Tatsache, dass ein Ministerpräsident mit den Stimmen der AfD gewählt wurde, bleibt schließlich bestehen«, stellte sie fest.

Grundlage Mit Blick auf die vielen Demonstranten vor der FDP-Landeszentrale in der Goethestraße betonte die IKG-Präsidentin in einer engagierten Rede, dass es überhaupt keine Rolle spiele, welcher Partei man selbst nahestehe. Wichtig sei, bei allen Unterschieden, der Standort jedes Einzelnen, nämlich »der Boden unserer demokratischen Verfasssung«.

»Wo das nicht mehr Grundlage des Handelns ist«, erklärte Knobloch, »da werden Erinnerungen an die finstersten Zeiten der Geschichte wach. Erfurt liegt nur wenige Kilometer von Buchenwald entfernt.«

Den Aspekt der Überparteilichkeit, den »München ist bunt« für sich reklamiert, hob auch die Vorsitzende Micky Wenngatz hervor. Ihren Worten zufolge will der Verein die demokratischen und zivilgesellschaftlichen Kräfte in der Stadt bündeln, wenn es darum gehe, klar Gesicht zu zeigen – gegen Rassismus, gegen Antisemitismus, gegen Homophobie, gegen Menschenfeindlichkeit.

Tendenzen Gesicht zeigen, wenn es um die AfD und rechte Tendenzen in der Gesellschaft geht, tut die IKG-Präsidentin schon seit Langem. Immer wieder hat sie auf die gefährlichen Entwicklungen am rechten Rand hingewiesen – und vor dem fließenden Übergang in die Mitte der Gesellschaft, einem »Einbruch des Extremismus in unsere Demokratie« gewarnt.

Sich erfolgreich gegen diese Strömung zu wehren, ist nach Überzeugung von Charlotte Kobloch nur im Verbund der demokratischen Parteien möglich. Ihre Kritik an die Adresse der FDP fiel gerade deshalb auch deutlich aus: »Dass sich die FDP für eine Wahl mit Stimmen der AfD hergegeben hat, ist eine Schande.«

»Ich schäme mich heute, dass ich in der FDP bin.« Stadtrat Thomas Ranft

Auf der anderen Seite nahm sie anerkennend die schnelle und unmissverständliche Reaktion des Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder zur Kenntnis, der das Votum im thüringischen Landtag als erster Politiker aus dem Lager der Union scharf kritisiert und sofortige Konsequenzen gefordert hatte. Das »Nie wieder«, der Leitbegriff der Demonstration in München am Tag nach der Wahl, gehört zum gehegten und überlebensnotwendigen Selbstverständnis der jüdischen Gemeinschaft, dem der IKG-Präsidentin ohnehin.

Sie hat den Holocaust erlebt, überlebt, und denkt mit Schrecken an die politischen Strukturen, die sich gerade in Thüringen entwickelt haben. »In Thüringen«, sagte Knobloch bei der Demonstration, »führt mit Björn Höcke ein Neonazi die AfD-Landtagsfraktion.«

Große Anerkennung zollte Charlotte Knobloch zugleich jenen Menschen, die »Dammbrüche« wie in Thüringen nicht hinnehmen wollen und für Demokratie und Toleranz auf die Straße gehen. »Das ist ein wunderbares Zeichen, das mir Mut macht«, erklärte sie.

Ohrfeige Als mutig lässt sich der Auftritt von FDP-Stadtrat Thomas Ranft bei der Kundgebung vor der Landesgeschäftsstelle seiner Partei bezeichnen.

Er ließ es sich auch nicht nehmen, vor die emotional aufgeladenen Demonstranten ans Mikrofon zu treten. Für seine Parteifreunde aus Thüringen wurde der Auftritt des Münchner Politikers zu einer gewaltigen Ohrfeige. Er nannte die Wahl »politisch unanständig« und »hoch widerlich«. Ein Satz von ihm ließ besonders aufhorchen. »Ich schäme mich heute«, sagte er sichtlich bewegt, »dass ich in der FDP bin.«

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