Weiden

Pionier in der Oberpfalz

Er wog noch 45 Kilo und kam mit leeren Händen nach Weiden: Als einer der wenigen aus seiner Familie hatte Hermann Zwi Brenner Konzentrationslager und Schoa überlebt. Dennoch blieb er in Deutschland, etablierte ein Textilgeschäft und baute in der kleinen Stadt in der Oberpfalz eine neue jüdische Gemeinde auf. Mehr als 40 Jahre lang war er ihr Vorsitzender. Mit der Einweihung des Hermann-Brenner-Platzes an der Campus-Allee am Bildungscampus Weiden hat die Stadt das Lebenswerk von Hermann Zwi Brenner nun gewürdigt.

Mehr als 100 Gäste kamen am vergangenen Freitag in einem eigens aufgestellten Festzelt zusammen. »Textil Brenner« habe jahrzehntelang zu den ersten Adressen der Stadt gezählt, betonte Oberbürgermeister Kurt Seggewiß (SPD). Josef Schuster, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, erinnerte sich: Nie habe er Brenner sagen hören, dass er nur auf der Durchreise sei und auf den sprichwörtlichen gepackten Koffern säße.

Neuanfang Erst in späteren Jahren habe er begriffen, »wie viel Mut und Kraft es die Brenners, aber auch meine eigenen Eltern gekostet haben mag, sich für einen Neuanfang in Deutschland zu entscheiden, ein jüdisches Leben und eine Gemeinde aufzubauen, uns, ihren Kindern, eine jüdische Erziehung zu ermöglichen.« Als ehemaligen Grandseigneur der Jüdischen Gemeinde und ausgesprochene Respektsperson würdigte Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Hermann Zwi Brenner, der 2004 im Alter von 88 Jahren gestorben ist.

Weiden in der Oberpfalz war die erste Stadt in der amerikanischen Zone, in der der Zug hielt, der Brenner in den freien Westen bringen sollte. Hier stieg er aus und blieb – ein Leben lang. Hermann Zwi Brenner wurde 1916 in der polnischen Kleinstadt Chrzanow (Kremau) geboren. Anders als viele seiner Angehörigen hatte er das Glück, die Jahre im Ghetto und in den Konzentrationslagern der Nazis zu überleben. Am 8. Mai wurde er in Waldenburg, einem Außenlager von Großrosen, von der Roten Armee befreit.

Im Sommer 1945 war Brenner einer von rund 1000 Holocaust-Überlebenden aus Polen, die in Weiden landeten. Fast alle zogen weiter, gingen nach Israel oder in die USA – auch seine Schwestern. Anfangs wollte ihnen Hermann Brenner folgen. Doch er war nicht gesund, und die beiden Schwestern hatte es nicht leicht, sich in Los Angeles ein neues Leben aufzubauen. So entschloss er sich, in Weiden zu bleiben, berichtete seine Witwe Henny. Zunächst führte er eine Leihbücherei und ein Antiquariat, um dann das Textilgeschäft seiner Schwestern zu übernehmen.

Fußballfan Abwechselnd erinnerten seine Söhne Michael und Leonhard an ihren Vater. Als leidenschaftlicher Fußballfan und Anhänger der Spielvereinigung Weiden reiste Brenner in Regionalligazeiten auch zu Auswärtsspielen. Unter großem Beifall erinnerte Michael Brenner daran, dass Henny Brenner ihren Mann zu Spielen nach Fulda oder Kassel fahren musste, weil Hermann Brenner keinen Führerschein besaß. Brenners Sohn Michael ist Professor für jüdische Geschichte in München; Leonhard Brenner führt einen Fotoversand in Weiden.

In den 50er-Jahren konnte Hermann Brenner verhindern, dass die Gemeinde aufgelöst wurde. Genauso half die Familie nach 1990 nach Kräften mit, als es galt, die jüdischen Zuwanderer aus den Staaten der früheren Sowjetunion zu integrieren. Nicht zuletzt dem Engagement der Familie Brenner ist es zu verdanken, dass es heute eine jüdische Gemeinde in Weiden gibt.

Und es bleibt nicht bei der Benennung des Platzes nach ihrem ehemaligen Vorsitzenden. Die Familie will in Weiden einen Hermann-Brenner-Preis für Schülerarbeiten stiften, die sich dem Thema Toleranz widmen, kündigte Michael Brenner beim Festakt an.

Beratung

»Betroffene sollen wissen: Wir sind da«

Katja Kuklinski arbeitet bei der Düsseldorfer Servicestelle für Antidiskriminierung. Ein Gespräch über Lehrerfortbildung, Anfragen nach dem 7. Oktober und ihre eigene Familiengeschichte

von Katrin Richter  21.10.2025

Leipzig

Zeichen, die Mut machen

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte am 7. Oktober die Gemeinde zu einem Gespräch und besichtigte die Sukka

von Katharina Rögner  21.10.2025

Solidarität

»Dieses Land ist unser Land«

Anlässlich des Jahrestags der Hamas-Massaker kamen auf Initiative des Bündnisses »DACH gegen Hass« rund 1500 Menschen auf dem Münchener Königsplatz zusammen

von Esther Martel  21.10.2025

Buchvorstellung

Sprache, Fleiß und eine deutsche Geschichte

Mihail Groys sprach im Café »Nash« im Münchener Stadtmuseum über seine persönlichen Erfahrungen in der neuen Heimat

von Nora Niemann  20.10.2025

Chemnitz

Erinnerungen an Justin Sonder

Neben der Bronzeplastik für den Schoa-Überlebenden informiert nun eine Stele über das Leben des Zeitzeugen

 19.10.2025

Porträt der Woche

Leben mit allen Sinnen

Susanne Jakubowski war Architektin, liebt Tanz und die mediterrane Küche

von Brigitte Jähnigen  19.10.2025

Miteinander

Helfen aus Leidenschaft

Ein Ehrenamt kann glücklich machen – andere und einen selbst. Menschen, die sich freiwillig engagieren, erzählen, warum das so ist und was sie auf die Beine stellen

von Christine Schmitt  19.10.2025

Architektur

Wundervolles Mosaik

In seinem neuen Buch porträtiert Alex Jacobowitz 100 Synagogen in Deutschland. Ein Auszug

von Alex Jacobowitz  17.10.2025

Nova Exhibition

Re’im, 6 Uhr 29

Am 7. Oktober 2023 feierten junge Menschen das Leben. Dann überfielen Hamas-Terroristen das Festival im Süden Israels. Eine Ausstellung in Berlin-Tempelhof zeigt den Horror

von Sören Kittel  17.10.2025