Unterfranken

Per Rad auf den Spuren der Landjuden

Rund 200 jüdische Gemeinden existierten vor der Schoa im bayerischen Unterfranken – die ländlich-jüdischen Ansiedlungen waren für den süddeutschen Raum zwischen Mittelalter und Nationalsozialismus charakteristisch. Vielfalt zeigen, Forscher vernetzen, mit modernen Mitteln Jugendliche interessieren und dem jüdischen Erbe seinen Platz in Gegenwart und Zukunft geben: Das will das »Kooperationsprojekt Landjudentum in Unterfranken«.

»Viele fleißige Heimatforscher, Heimatpfleger, aber auch wir Wissenschaftler haben beim Thema landjüdisches Unterfranken lange unabhängig voneinander vor uns hin gewerkelt – nun konnten wir ein breites und wertvolles Netzwerk schaffen«, freut sich die Historikerin Rotraud Ries. Sie leitet das Würzburger Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken und trägt die inhaltliche Verantwortung im Kooperationsprojekt.

Zuschüsse
Mit Zuschüssen, unter anderem von der EU und dem Land Bayern, entstand dieses Projekt bereits Ende 2011. Das Besondere daran: Die unterfränkischen Landkreise, kreisfreien Städte, rund 50 Privatpersonen und Experten vernetzen Mittel und Wissen. Auf drei Jahre war das Projekt angelegt, und kurz vor dem Auslaufen gibt es jetzt eine ansehnliche Menge an Ergebnissen.

Das Wichtigste neben der Bildung des Netzwerks, sind sich Rotraud Ries und Projektmanagerin Tabea Franz einig, ist die Wanderausstellung »Mitten unter uns« über Landjuden vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Ob jüdische Wirtschaftsgeschichte, Bildung oder die Rolle der Frau: Anhand der neun Ausstellungsregionen, einer Audiostation und Beispielbiografien zeigen verschiedene Tafeln landjüdische Geschichte. In verschiedenen Orten des Bezirks Unterfranken ist dieses Kooperationsergebnis in diesem Sommer zu sehen.

»Das ist ein geniales Konzept, verbindet Unterfranken miteinander und hat genau den richtigen Informationsgehalt«, findet Doktorandin Franz, die seit gut vier Monaten im Projekt arbeitet. Kollegin Ries ergänzt: »Wir können nun anschaulich und trotzdem wissenschaftlich fundiert vermitteln, wie Juden hier jahrhundertelang auf dem Land gelebt haben.«

Konzepte Das Kooperationsprojekt schlägt so eine Brücke zwischen dem Erinnern an die Vergangenheit und lebendiger Zusammenarbeit in der Gegenwart. Das zeigt sich besonders auch in Konzepten, die mit jungen Menschen entstehen: Ein jüdischer Reiseführer für Stadt und Landkreis Würzburg, den Jugendliche mit Unterstützung aus dem Projekt für andere Jugendliche gestalteten. Oder Schüler aus Unterfranken und Israel, die mit Projektgeldern und Experten einen Friedhof dokumentierten und mit den Ergebnissen eine interaktive Website schaffen wollen.

Hochwertige Fotografien der unzähligen Grabsteine sind Rotraud Ries ein besonderes Anliegen: Gerade aus älteren Jahrhunderten böten sie »Quellen, die es sonst nicht gibt. Und die müssen wir schleunigst dokumentieren, denn es dauert nicht lang, bis wir durch die Verwitterung gar nichts mehr lesen können«. Den reichhaltigen jüdischen Hinterlassenschaften wie Friedhöfen, Synagogen, Mikwaot und Gedenkorten spürt das Kooperationsprojekt auf kostenlosen Exkursionen auch aktiv nach.

Visionen Und wer sich allein auf die Suche machen will, dem sollen schon bald Themenwander- oder -radwege zur Verfügung stehen. Ob klassisch mit Broschüre erlaufen oder modern mit einer App abradeln: Die Visionen der Projektbeteiligten sind noch lange nicht ausgeschöpft. Und auch wenn die Kooperation in der jetzigen Form zum Jahresende 2014 ausläuft, gibt es definitiv noch genügend Potenzial für Anschlussprojekte.

Die Wanderausstellung »Mitten unter uns« wird vom 15. Juli bis 17. August im Landkreis Haßberge und vom 21. August bis zum 28. September im Landkreis Würzburg gezeigt. Detaillierte Informationen finden Sie unter www.landjudentum-unterfranken.de.

Engagement

Süße Toleranz

»move2respect« heißt ein neues Projekt, das jüdische und muslimische Jugendliche zusammenbringt. Eine erste Begegnung gab es beim Pralinenherstellen in Berlin

von Frank Toebs  06.02.2025

Gemeinden

Musik, Theater, Lesungen

Für jeden etwas dabei: Der Zentralrat der Juden stellt sein Kulturprogramm vor

von Christine Schmitt  06.02.2025

Kino

Unerträgliche Wahrheiten

Das Dokudrama »Die Ermittlung« über den ersten Auschwitz-Prozess wurde bei den Jüdischen Filmtagen gezeigt

von Nora Niemann  05.02.2025

Interview

»Wo immer wir gebraucht werden – wir sind da«

Rabbiner David Geballe über Seelsorge in der Bundeswehr und die Vermittlung von Wissen

von Helmut Kuhn  04.02.2025

Porträt der Woche

Frau der ersten Stunde

Avital Toren wurde vor 30 Jahren gebeten, die Gemeinde in Heilbronn aufzubauen

von Gerhard Haase-Hindenberg  02.02.2025

Hamburg

»Wir sind dran!«

Von Klimawandel bis jüdische Identität: Der Jugendkongress 2025 verspricht vier intensive Tage

von Florentine Lippmann  02.02.2025

Leer (Ostfriesland)

Schoa-Überlebender Weinberg will mit Steinmeier sprechen

Nach seiner Ankündigung, das Bundesverdienstkreuz abzugeben, hat der fast 100-jährige Zeitzeuge ein Gesprächsangebot des Bundespräsidenten angenommen

 31.01.2025

Berlin

Jüdische Stimmen zur Asyl-Abstimmung: Ein Überblick

Wie blicken Juden auf den Vorwurf, die CDU reiße die Brandmauer zur AfD ein? Wir haben uns umgehört

von Imanuel Marcus  30.01.2025

Bildung

Das beste Umfeld

Zwar beginnt das neue Schuljahr erst nach dem Sommer, doch schon jetzt fragen sich Eltern: Welche Schule ist die richtige? Gespräche mit Schulleitern über Wartelisten, Sprachniveau und Traditionen

von Christine Schmitt  30.01.2025