Briefwechsel

Offener Austausch

Screenshot der Zoom-Veranstaltung Foto: IKG-Kulturzentrum

Einander Briefe schreiben, zwar per E-Mail, doch in sorgsamer Ausführlichkeit, ist wie aus der Zeit gefallen. Dabei sind Özlem Topçu, Jahrgang 1977, und Richard C. Schneider, geboren 1957, alles andere als altmodisch. Wie sie sich kennenlernten, wie sie ihren Schriftwechsel, der sich vom 22. November 2020 bis 11. November 2021 in 49 Schreiben summierte, pflegten, darüber sprachen sie in einer Online-Schaltung zum Auftakt der »Woche der Brüderlichkeit«.

Eingeladen hatten die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, das Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern sowie der Droemer Verlag. Vielfältig waren die Gastgeber; und aus verschiedenen Welten, doch mit überraschenden Gemeinsamkeiten, stammen die beiden Journalisten, die dem Hörfunkkollegen Niels Beintker Auskunft gaben.

identität Gemischt waren die Gefühle aller, am zwölften Tag des von Russland unter Putin gegen die Ukraine angezettelten Krieges, über ihr Deutschlandbild, ihre Identität, über Antisemitismus und Rassismus zu sprechen.

Also ging es zunächst um den Konflikt mitten in Europa. Schneider, ein berufsbedingt Weitreisender, der aus familiären Gründen regelmäßig zwischen seinem Wohnsitz Tel Aviv und seiner Geburtsstadt München pendelt, widerfuhr beim letzten Aufbruch »etwas Eigenartiges«. Ausgerechnet seine israelischen Freunde verabschiedeten ihn mit den Worten: »Pass auf dich auf.« Er begab sich nach ihrem Empfinden ins Kriegsgebiet Europa. Schneider resümiert: »Die Welt steht Kopf.«

Gemischt waren die Gefühle aller, am zwölften Tag des von Russland unter Putin gegen die Ukraine angezettelten Krieges.

Kennengelernt haben sich Özlem Topçu und Richard C. Schneider über die Arbeit. Kaum war Topçu 2021 von der »Zeit« ins Auslandsressort des »Spiegel« gewechselt, hatte sie mit der Eroberung Afghanistans durch die Taliban zu tun. Dann wurde sie Schneiders Redakteurin bei Spiegel Online. Man sprach über Aufträge, diskutierte Texte, tauschte sich aus über das Weltgeschehen und das eigene Land.

Doch wo lag das für die Tochter türkischer Einwanderer, geboren in Flensburg, und für den Sohn ungarischer Schoa-Überlebender? Für die aufgeklärte Muslimin und den orthodox-jüdisch erzogenen, aufgeklärten Neuisraeli? Topçu fand in Schneider ein Gegenüber, hatte in ihrem 16-jährigen Berufsleben, wie sie sagt, »noch nie so viel Spaß beim Schreiben«.

gewissheit Sonst müssten bei Texten Standards eingehalten werden, bei diesem Briefwechsel konnten beide in alle Themen und Fragestellungen einsteigen, die ihnen bedeutsam erschienen. Das war wichtig in einer Zeit, da jede Gewissheit schwand. Die Freundschaft mit Schneider besteht fort, auch nach dem Ende des Briefverkehrs. Schneider weist darauf hin, dass er im Kalten Krieg aufgewachsen sei, dass die Europäer ihnen Selbstverständliches verloren hätten: »Wir können nicht mehr im La La Land leben.«

Das allerdings haben Topçu und Schneider, wenn man Episoden ihrer Sozialisation folgt, bei all ihrer Unterschiedlichkeit in Generation, Religion, kulturellem Umfeld, ohnehin nie getan. Warum der Austausch zwischen den beiden so gut lief? Er war offen, nie einander bewertend. Vertrauen war das Schlüsselwort.

Özlem Topçu und Richard C. Schneider: »Wie hättet ihr uns denn gerne? Ein Briefwechsel zur deutschen Realität«. Droemer, München 2022, 272 S., 18 €

Würdigung

Er legte den Grundstein

Vor 100 Jahren wurde Simon Snopkowski geboren. Zeitlebens engagierte sich der der Schoa-Überlebende für einen Neubeginn jüdischen Lebens in Bayern

von Ellen Presser  14.07.2025

München

Im Herzen ist sie immer ein »Münchner Kindl« geblieben

Seit 40 Jahren ist Charlotte Knobloch Präsidentin der IKG München. Sie hat eine Ära geprägt und das Judentum wieder in die Mitte der Gesellschaft gerückt

von Christiane Ried  14.07.2025

Jubiläum

Münchner Kultusgemeinde feiert Wiedergründung vor 80 Jahren

Zum Festakt werden prominente Gäste aus Politik und Gesellschaft erwartet

 14.07.2025

Berliner Ensemble

Hommage an Margot Friedländer

Mit einem besonderen Abend erinnerte das Berliner Ensemble an die Zeitzeugin und Holocaust-Überlebende. Pianist Igor Levit trat mit hochkarätigen Gästen auf

 14.07.2025

Reisen

Die schönste Zeit

Rom, Balkonien, Tel Aviv: Hier erzählen Gemeindemitglieder, an welche Urlaube sie sich besonders gern erinnern

von Christine Schmitt, Katrin Richter  13.07.2025

Solidarität

»Israel kann auf uns zählen«

Wie die Israelitische Kultusgemeinde München mit Spenden den Menschen vor Ort konkret helfen will

von Vivian Rosen  13.07.2025

Ravensbrück

Familie von KZ-Überlebender erhält Ring zurück

Im Frühjahr war es demnach einer Freiwilligen gelungen, die Familie von Halina Kucharczyk ausfindig zu machen

 11.07.2025

Thüringen

Voigt für deutsch-israelisches Jugendwerk in Weimar

Er führe dazu Gespräche mit israelischen Partnern, die bereits Interesse an einer Ansiedlung in Thüringen signalisiert hätten

 11.07.2025

Frankfurt am Main

Rabbinerin: Zentralrat hat Öffnung des Judentums begleitet

Elisa Klapheck spricht in Zusammenhang mit der jüdischen Dachorganisation von einer »Stimme, die auf höchster politischer Ebene ernst genommen wird«

 11.07.2025