Vorsätze für 2016

Neue Schule, neuer Rabbi

Was 2015 nicht verwirklicht werden konnte, ist vielleicht 2016 möglich. Foto: Thinkstock

Auch wenn nach dem jüdischen Kalender das neue Jahr längst begonnen hat und man 5776 schreibt, gilt für die jüdischen Gemeinden doch auch das fiskalische Jahr 2016. Und wieder müssen die Gemeinden mit dem vorhandenen Budget auskommen. Welche besonderen Ausgaben anstehen und worauf man sich besonders freut, ist dabei sehr unterschiedlich.

Der große Wunsch für 2016 steht für Alexander Sperling schon fest: »Ein neuer Rabbiner. Wir suchen noch, aber wir werden sicher in diesem Jahr einen finden.« Sonst stünden in diesem Jahr »keine spektakulären Sachen«, sondern vor allem Bauarbeiten an, sagt der Geschäftsführer der Synagogen-Gemeinde Köln. Das Elternheim im Wohlfahrtszentrum der Gemeinde wird renoviert. »Die Bewohner bleiben dabei vor Ort, es wird also im laufenden Betrieb gearbeitet, aber das ist nicht weiter kompliziert«, sagt Sperling. Und auch ein weiteres Projekt wird wohl nach Plan verlaufen: »Der 1918 im Stadtteil Bocklemünd eröffnete Friedhof wird langsam, aber sicher zu klein, wir werden ihn in mehreren Stufen erweitern, eine dieser Vergrößerungen wird in diesem Jahr stattfinden.« Das dazu notwendige Gelände wurde bereits erworben.

Konsolidierung »2016 wird für uns das Jahr der Konsolidierung«, erklärt Rabbiner Henry G. Brandt von der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg. Bevor im nächsten Jahr der 100. Geburtstag der Augsburger Synagoge gefeiert wird, wolle man in diesem Jahr wie bisher weiterarbeiten und vor allem Bildungsarbeit leisten. »Aus der Ostukraine kamen zudem einige Zuwanderer. Jeder Einzelne ist uns herzlich willkommen, natürlich sind sie aber auch Integrationsfälle.« Zudem steht die Großsanierung der Synagoge an, »erste Pläne sind da, nun geht es um die Finanzierung, erst wenn die gesichert ist, können wir wirklich planen«.

In Düsseldorf steht dagegen ein ganz besonderes und vor allem großes Projekt an, wie der Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde, Michael Szentei-Heise, schildert. »Am 24. August eröffnen wir das jüdische Gymnasium. An diesem Tag kommen die ersten Schüler, die in der fünften Klasse starten.«

Zwei Jahre lang wird der Unterricht übergangsweise in einem derzeit umgebauten Bürohaus stattfinden, 2018 soll das Gymnasium dann in ein eigenes Gebäude umziehen. Gestartet wird erst einmal mit vier fünften Klassen. »Wir bauen die Schule Jahr für Jahr aus, indem nach den Sommerferien neue Fünftklässler aufgenommen werden, während die alten in die nächste Klasse kommen«, schildert Szentei-Heise das Prozedere, das einen großen logistischen Vorteil hat: »Es gibt einen klar umrissenen Lehrplan für die fünfte Klasse. Nach dem ergibt sich der zu beschaffende Bedarf automatisch, und in den Jahren danach wird dann immer entsprechend alles angeschafft, was für die nächsthöheren Klassen, also die sechste, siebte, achte und weiter, benötigt wird.«

Gymnasium Rund viereinhalb Jahre wird am Projekt jüdisches Gymnasium bereits gearbeitet, die Idee ist noch älter. Szentei-Heise stellt fest, das sei »schon ein Traum, der jetzt in Erfüllung geht« – und selbst für ihn, der in seinen bisher 29 Jahren als Verwaltungsdirektor der Gemeinde schon eine Menge erlebt hat, sei es »wirklich das größte – in sieben, acht Jahren werden wir ein komplettes jüdisches Gymnasium mit 750 bis 800 Schülern haben«. Am 14. Januar beginnt die Anmeldephase. Die Befürchtung, dass sich nicht genug Schüler finden könnten, hat man in der Gemeinde nicht: »In Düsseldorf fehlen derzeit drei Gymnasien – und allein aus unserer Yitzhak-Rabin-Grundschule gehen jedes Jahr 47 Kinder ab, 90 Prozent von ihnen bekommen die Gymnasialempfehlung.«

Mit 190 Mitgliedern sei man »die kleinste Gemeinde in Rheinland-Pfalz«, sagt Valeryan Ryvlin von der Jüdischen Kultusgemeinde Bad Kreuznach. »Bei uns ist alles nicht so einfach wie in den großen Gemeinden, aber wir haben so gut wie immer einen Minjan. Und wir können unseren Mitgliedern viele Aktivitäten bieten, sowohl religiöse und Sonntagsschule, Religionsunterricht als auch soziale Kurse wie den Tanzklub und Schach. Und natürlich Konzerte und Vorträge, die vom Zentralrat angeboten werden, diese Möglichkeiten nehmen wir immer gern wahr.«

Reisepläne Ob aber alles mit dem erhofften großen Highlight für 2016 klappt, steht dagegen noch nicht fest: »Wir planen für dieses Jahr eine Reise nach Israel. Möglichst viele unserer Mitglieder sollen mitfahren können, deswegen brauchen wir ein besonders günstiges Angebot.«

Auch sonst sei man in der Stadt und in der Region gut vernetzt, »es wird zum Beispiel wieder einen Ausflug zusammen mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit geben. Das sind nicht nur Pläne, das ist die Wirklichkeit, und es freut uns alle, dass wir doch so viel erreichen können, obwohl die Gemeinde nicht sehr groß ist«. Darüber hinaus hofft Ryvlin, »dass 2016 ein gutes Jahr wird, dass alles ruhig bleibt, sowohl hier vor Ort als auch in Deutschland allgemein, und dass die Flüchtlinge aus Syrien schnell gut integriert werden. Denn vor einer Zunahme des Antisemitismus fürchten wir uns natürlich alle. Deswegen wird auch die Sicherheit der Gemeinde in diesem Jahr ein großes Thema sein.«

Für die Jüdische Gemeinde Chemnitz wird 2016 ein besonderes Jahr, sagt ihre Vorsitzende Ruth Röcher. Vom 27. Februar bis zum 13. März finden in der Stadt wieder die »Tage der jüdischen Kultur« statt. »Seit der Stunde null, also der Wende, sind wir die einzige Stadt im Osten, die Jahr für Jahr eine jüdische Fete feiert«, die mit der Zeit auch »durch das Engagement der christlichen Seite« immer größer wurde. Mittlerweile umfasst das Programm 70 Veranstaltungen und dauert zwei Wochen.

Akademischer Austausch »Alle Kulturhäuser der Stadt machen mit, das ist unser Prinzip, wir arbeiten alle zusammen, und wenn mehrere Schultern so eine Veranstaltung tragen, dann klappt auch alles.« In diesem Jahr wird es zum ersten Mal auch einen akademischen Austausch zwischen der Technischen Universität Chemnitz und dem in Scha’ar HaNegev ansässigen Sapir College geben, worüber sich Röcher sehr freut. Und der israelische Botschafter wird zu Gast sein.

Nach den zwei Wochen für die jüdische Kultur wird sich die Gemeinde allerdings auf ein riesiges Chaos einstellen müssen. Wegen Bauschäden an der 2012 neu errichteten Synagoge werden Foyer und Synagoge sechs Monate lang gesperrt sein. »Wir werden dann intern umziehen, sodass Gottesdienste und Schabbatfeiern in unserem Zentrum stattfinden können. Alle anderen Aktivitäten werden reduziert, wir arbeiten dann nach einem Notfallplan.« Sie hofft, dass die Arbeiten erst nach Pessach starten, denn »ohne unsere Küche hätten wir riesige Probleme«. Aber eines stehe fest: »Wenn das alles geschafft ist, dann wird gefeiert«, betont Röcher.

Lebenswelten Ein Projekt, auf das sich Leonid Bychovski von der Gemeinde in Heidelberg besonders freut, wird eine Aufführung des Musicals Anatevka sein. »Wir haben die Lizenzen erworben, unsere Jugendlichen proben schon seit Monaten gemeinsam mit nichtjüdischen Altersgenossen unter der Leitung der Heidelberger Künstlerin Stefanie Ferdinand.« Das Projekt erwies sich schon vor der Premiere am 28. Februar als großer Erfolg: Es gewann den Präventionspreis der Stadt Heidelberg, denn es ermögliche »jungen Erwachsenen verschiedener Kulturkreise den Einblick in andere Lebenswelten und so auch einen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus«.

Aber damit soll es nicht genug sein. »Wir haben große Pläne«, sagt Bychovski, »gerade arbeiten wir das Kulturprogramm für 2016 aus.« Dazu wird sicher auch ein Festakt gehören: Vor 70 Jahren, am 1. September 1946, wurden die Synagoge und das Gemeindehaus der ein Jahr zuvor wieder neu gegründeten Gemeinde eingeweiht.

»Viele Sachen sind noch im Werden. Wenn ich vorher schon alles verrate, dann ist die Überraschung weg«, sagt Gemeinderabbiner Janusz Pawelczyk-Kissin. Ein bisschen verrät er dennoch: Eine Israelreise steht an, dazu wird am 27. Januar der Befreiung von Auschwitz gedacht. »Und den Frauentag feiern wir immer ganz groß«, sagt er. Am meisten Zeit werde er jedoch auch 2016 in das investieren, was am wichtigsten sei: »Kranke regelmäßig besuchen sowie die Integration der Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion unterstützen, allgemein sowie natürlich religiös.«

Jom Haschoa

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