Hannover

Nächsten Sonntag im Jerusalem

Hans-Volker Hoppe steht an der Tür und begrüßt die Besucher mit Handschlag. Hier erhält diese gastfreundliche Geste eine besondere Wertigkeit. Es ist kein Kirchenportal, das Pastor Hoppe öffnet, sondern die Tür zu einem Café. Eis gibt es hier und selbst gebackene Torten. Hans-Volker Hoppe betreut die Gäste. Seine Frau Rosemarie ist heute, gemeinsam mit Annedore Greve und Frank Szidat, für die Küche und den Service zuständig. Alle arbeiten ehrenamtlich, denn dies ist kein gewöhnliches Café, sondern das Café Jerusalem.

Am 16. Mai dieses Jahres wurde es eröffnet, im Stadtteil Ahlem, am westlichen Rand von Hannover. Hierhin verirren sich Touristen nur ausnahmsweise. Nein, das Jerusalem ist kein kommerziell geführtes Café, sondern ein »Ort der Begegnung und der Gemeinschaft«, angesiedelt im »Haus der Hoffnung – Beth Hatikva«. So steht es auf dem Türschild, und wer die Geschichte des Hauses kennt, der weiß, dies ist ein besonderer Ort.

In Ahlem wurde 1893 die Israelitische Gartenbauschule gegründet. Ab 1941 errichtete die Gestapo auf dem Gelände der Schule eine Sammelstelle für Juden, die in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert werden sollten, ein Polizeigefängnis und eine Hinrichtungsstätte. Heute erinnert die »Gedenkstätte Ahlem« an das Schicksal der verschleppten und ermordeten hannoverschen Juden.

nutzung Das Haus der Hoffnung gehört zwar nicht zum Ensemble der Gedenkstätte, ist aber als ehemaliges Mädchenhaus der Gartenbauschule eng mit der Geschichte dieses Ortes verbunden. Das alte Backsteingebäude, das unter Denkmalschutz steht, hatte ein wechselhaftes Schicksal. Dort, wo sich früher die Schlafsäle der Gartenbauschülerinnen befanden, wurden von 1940 bis 1952 Kranke gepflegt. Ab 1955, dem Jahr, in dem das Gelände der Israelitischen Gartenbauschule von der Landwirtschaftskammer Hannover angekauft wurde, hatte das Mädchenhaus verschiedene Besitzer. Von 1990 bis 1998 war es Ausländer-Wohnheim, ab 1999 stand es leer und begann zu verfallen, bis es im Jahr 2003 die Organisation »Neues Land Christliche Drogenarbeit« ersteigerte.

Seit dem Erwerb des Hauses in Ahlem engagiert sich Neues Land besonders für die Begegnung zwischen Christen und Juden. »Das Café Jerusalem ist ein Ort, der sich besonders dafür eignet«, sagt Jochen Buhrow, der Geschäftsführer des Vereins: »Das Mädchenhaus ist ein Teil der jüdischen Vergangenheit Hannovers. Es war uns daher von Anfang an bewusst, dass wir nicht nur das Gebäude übernehmen, sondern auch seine Geschichte, die wir bewahren wollen. So möchten wir an die Menschen erinnern, die hier einmal gelebt haben und die Begegnung zum Judentum und zu Israel fördern.« Hans-Volker Hoppe lebt diesen Gedanken vor: »Ich bin als überzeugter Christ auch ein großer Freund des Volkes Israel, im Einklang mit der Heiligen Schrift, denn wenn ich Gott lieb habe, muss ich doch auch sein Volk lieb haben.«

Empathie Ein Bekenntnis, in das er nicht nur das »Volk Israel«, sondern durchaus auch das »Land Israel« mit einschließen will. Dreimal war er schon im Heiligen Land. Die Reisen sind durch Kontakte mit Juden, die in Hannover leben, entstanden, und inzwischen gibt es auch eine Reihe von Beziehungen nach Israel. »Nächstes Jahr in Jerusalem«, aus diesem Seder-Gruß entstand auch der Name des Cafés, als einem Ort der Begegnung. Oder, wie es in Psalm 122 heißt, dessen Text gerahmt an der Wand im Foyer hängt: »Jerusalem ist gebaut, dass es eine Stadt sei, da man zusammenkommen soll,«

Das Café hat nur an Sonntag- und Montagnachmittagen geöffnet. Heute ist Sonntag, und allmählich füllt es sich. 50 bis 60 Personen finden in dem großen hellen Raum mit den zwölf Fenstern – gleichermaßen Symbol für die zwölf Jünger Jesu oder die zwölf Stämme Israels – bequem Platz. Rosemarie Hoppe und ihre Freunde haben gut zu tun. Vor allem die Besucher der Gedenkstätte Ahlem kehren nun zum Ende ihrer Führung ein, nicht ohne auch den »Raum der Erinnerung« neben dem Café zu besuchen, in dem die Geschichte des Mädchenhauses dargestellt wird. Seit der Eröffnung hat es im Café Jerusalem bereits eine Reihe von Veranstaltungen gegeben, berichtet Hans-Volker Hoppe.

Hilfe Für die Zukunft sind weitere Lesungen, Vorträge und Musikveranstaltungen geplant, nach Möglichkeit in enger praktischer und thematischer Zusammenarbeit mit jüdischen Institutionen, erhofft sich Hoppe. »Auch für unser 20-köpfiges Café-Team würden wir uns jüdische Helfer wünschen. Beim Umbau des Hauses aber arbeiten bereits tatkräftige jüdische Hände freiwillig mit. Wir nennen sie unsere ›Rentnerbrigade‹«, ältere Zuwanderer aus Russland, die tüchtig anpacken können und ihr Handwerk verstehen.«

Die gesamte Sanierung des Hauses erfolgt in Eigenarbeit, gebaut wird immer, wenn genügend Helfer da sind und Geld reinkommt. Noch bleibt viel zu tun. Ein weiterer großer Raum wird noch ausgebaut. Dort sollen Seminare stattfinden. Das Café Jerusalem soll nicht nur christlich-jüdische Begegnungsstätte sein, sondern auch etwas zur Finanzierung beitragen. »Große Gewinne können wir natürlich nicht erwirtschaften. Jeden Euro, den wir einnehmen, stecken wir wieder in den Ausbau des Hauses.« Neben dem Kuchentresen werden bedruckte Kaffeebecher zum Verkauf angeboten: »Wir sehen uns im Café Jerusalem im Haus der Hoffnung«. Für fünf Euro ein bisschen Hoffnung für zu Hause, und ein weiterer Baustein.

Friedrichshain-Kreuzberg

Antisemitische Slogans in israelischem Restaurant

In einen Tisch im »DoDa«-Deli wurde »Fuck Israel« und »Free Gaza« eingeritzt

 19.04.2024

Pessach

Auf die Freiheit!

Wir werden uns nicht verkriechen. Wir wollen uns nicht verstecken. Wir sind stolze Juden. Ein Leitartikel zu Pessach von Zentralratspräsident Josef Schuster

von Josef Schuster  19.04.2024

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024

Berlin

Pulled Ochsenbacke und Kokos-Malabi

Das kulturelle Miteinander stärken: Zu Besuch bei Deutschlands größtem koscheren Foodfestival

von Florentine Lippmann  17.04.2024

Essay

Steinchen für Steinchen

Wir müssen dem Tsunami des Hasses nach dem 7. Oktober ein Miteinander entgegensetzen

von Barbara Bišický-Ehrlich  16.04.2024

München

Die rappende Rebbetzin

Lea Kalisch gastierte mit ihrer Band »Šenster Gob« im Jüdischen Gemeindezentrum

von Nora Niemann  16.04.2024

Jewrovision

»Ein Quäntchen Glück ist nötig«

Igal Shamailov über den Sieg des Stuttgarter Jugendzentrums und Pläne für die Zukunft

von Christine Schmitt  16.04.2024

Porträt der Woche

Heimat in der Gemeinschaft

Rachel Bendavid-Korsten wuchs in Marokko auf und wurde in Berlin Religionslehrerin

von Gerhard Haase-Hindenberg  16.04.2024