Gemeinden

Musik, Lesungen, Theater

An dieses Konzert in der Jüdischen Gemeinde Flensburg erinnert sich Lora Kostina gern. Es passte einfach alles. Der Saal war hergerichtet, und die Gemeinde hatte ordentlich für die Veranstaltung geworben, sodass sie ausverkauft war, erzählt die Musikerin. Das Publikum war neugierig auf den Abend mit dem Ensemble Cannelle und seinem Programm »Die Goldenen Zwanziger: Berlin trifft Odessa«, und zum Schluss gab es Standing Ovations. Zwar wird die Pianistin aus Leipzig in dem jetzigen Kulturprogramm nicht mehr dabei sein, da sie nach fünf Jahren einmal eine Pause einlegen möchte, damit auch andere Künstler aufgenommen werden können.

»Ich habe dem Programm viel zu verdanken, denn ich konnte mit mehreren eigenen Projekten mit jüdischen Themen die Konzerte gestalten«, meint Lora. So hatte sie Events mit eigenen Kompositionen zu den Texten des Dichters und Nobelpreisträgers Joseph Brodsky gestaltet oder eines mit dem Schwerpunkt »Die Goldenen Zwanziger« auf die Bühne gebracht. »Es bedeutet mir viel, dass wir immer ein interessiertes Publikum hatten.«

Konzerte Und auch für die Gemeinden ist das Kulturprogramm eine wichtige Säule. »Wir sind eine kleine Einrichtung und verfügen nicht über so viel Geld«, sagt Alexander Wassermann von der Jüdischen Gemeinde Dessau. Drei Konzerte pro Jahr sind über das Programm möglich. »Wir öffnen die Veranstaltungen, sodass jeder kommen kann«, sagt er.
2004 gilt als Geburtsstunde des Kulturprogramms. »Es fing mit 20 Ensembles und Künstlern an. Aber am Anfang waren nicht alle Gemeinden interessiert«, erinnert sich Hannah Dannel, die das Programm betreut.

Mittlerweile wurden mehr als 70 Künstler und Ensembles aufgenommen.

Immer mehr Gemeinden wollten Musiker, Autoren und Schauspieler vermittelt bekommen, und immer mehr Künstler bewarben und bewerben sich. Mittlerweile reichen viermal so viele ihre Unterlagen ein, als Plätze da sind. Und mehr als 100 Gemeinden fragen beim Zentralrat an. »Es machen alle mit«, sagt Dannel.

Mittlerweile sind jährlich über 70 Künstler, Ensembles oder Events wie Filme oder Ausstellungen in dem Programm gelistet, das ursprünglich als Integrationsprojekt gestartet war, das die ganze Bandbreite jüdischen Lebens zeigen wollte. Gleichzeitig sollte den jüdischen Künstlern – viele kamen aus der ehemaligen Sowjetunion – unter die Arme gegriffen werden. Später kamen auch Israelis dazu, erzählt Dannel.

Klassik Zur Auswahl stehen Chasanut, Klassik, Unterhaltung, darstellende Kunst sowie Ausstellungen. Das Programm wurde immer größer und vielfältiger. Auch Theateraufführungen und Lesungen können angefragt werden. Für Theatervorstellungen werde allerdings mehr Technik gebraucht, weshalb sie nicht ganz so begehrt sind. Ausstellungen werden meist nicht so gut gebucht, da man geeignete Räumlichkeiten benötige, sagt Hannah Dannel. Aber Musik geht immer.

»Ohne unsere Teilnahme am Kulturprogramm wären wir vermutlich nicht so rasch bekannt geworden«, sagt Amnon Seelig, ehemaliges Mitglied des Ensembles »Die drei Kantoren«. Die Sänger hatten sich 2013 bei Dannel beworben und wurden rasch so beliebt, dass sie mehr als zehn Konzerte pro Jahr über den Zentralrat gaben.

»Für Künstler mit einem jüdischen Programm ist es nicht so leicht, Auftrittsmöglichkeiten zu bekommen, denn es gibt außerhalb der Gemeinden nicht so viele Menschen, die sich dafür interessieren – außer, es ist Klezmer«, sagt Seelig, der als Kantor in der Jüdischen Gemeinde Mannheim amtiert. Das Ensemble ist bis heute erfolgreich und veröffentlicht CDs. Eine Begegnung werden die Musiker nicht vergessen, nämlich als sich eine ältere Dame nach ihrem Konzert beschwerte, dass es gar »keine traurige Musik« gab.

auftritte Der 40-Jährige musste sich schweren Herzens von dem Ensemble verabschieden, weil er es zeitlich nicht mehr schaffte, weiter mit den beiden anderen Kantoren zu proben und zu singen. Wenn es das Kulturprogramm nicht gäbe, müssten die Künstler jede Gemeinde einzeln anfragen, was sehr arbeitsintensiv wäre, meint Seelig. Etwa 30 Gemeinden habe er dank der Auftritte kennengelernt – was für ihn »eine Bereicherung« ist.

Die Gemeinden wiederum wählen frei aus, weshalb es vorkommen kann, dass Künstler vielleicht nur ein bis zwei Auftritte im Jahr vermittelt bekommen. Künstlerinnen und Künstler können zehnmal angefragt werden, danach erhalten andere eine Chance aufzutreten. Bis zu drei Veranstaltungen kann eine Gemeinde buchen.

Neu sei nun, dass anstelle eines Konzertes zwei Autoren oder drei Filme genommen werden können. Nachdem Künstler und Gemeinden einen Termin für die Veranstaltung vereinbart haben, schließt der Zentralrat mit dem Künstler einen Vertrag für die gesamte Gastspielreihe. Dabei kommt der Zentralrat in der Regel für alle Nebenkosten auf wie Honorare, Reisekosten und Hotel sowie die GEMA-Gebühren, sagt Dannel.

Gefördert werden Programme, die sich dezidiert mit dem Judentum befassen.

Die Gemeinden betreuen die Künstler, kümmern sich um technische Einzelheiten und sorgen für Werbung und Übernachtung. Gefördert werden vor allem solche Programme, die sich dezidiert mit jüdischen Themen auseinandersetzen. »So legen wir bei klassischen Konzerten die Schwerpunkte auf Werke jüdischer Komponisten, und Theaterstücke beschäftigen sich mit Fragestellungen von Jüdinnen und Juden«, sagt Dannel.

Flügel Für die Künstler sei es wichtig, dass ihre Auftritte vor Ort gut organisiert sind. Meist sei das der Fall, dann habe die Gemeinde viel für die Veranstaltung geworben, das Klavier oder der Flügel sei gestimmt, und es könne losgehen. Nur einmal in fünf Jahren sei es Lora passiert, dass ihre Musiker und sie erst noch Gerümpel von einer Bühne wegräumen mussten. »Da hätte ich gern darauf verzichtet.« Aber fast immer fühlt sie sich sehr willkommen. Es sei immer etwas Besonderes, vor Gemeindemitgliedern zu spielen, sagt sie.

»Den Gemeinden steht es frei, die Konzerte nur für ihre Mitglieder anzubieten oder für alle zu öffnen, um jüdische Kultur auch in die Stadtgesellschaft zu tragen«, sagt Hannah Dannel. Künstlerin Lora favorisiert, dass auch über die Gemeindemitglieder hinaus Interessierte eingeladen werden. »Ich finde es schöner, wenn es einen Austausch gibt und wir zur Verständigung beitragen.« Die Begeisterung der Zuhörer sei dann zumeist größer, lehrt sie die Erfahrung. Im nächsten Jahr möchte Lora sich wieder bewerben.

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