Klub Achva

Mit Faltblatt, CD und koscherem Büfett

Lala Süsskind verteilt Infos an die Neuen. Foto: Margrit Schmidt

»Oh, so viel los? Klar, wird ja bald gewählt«, witzelt ein Berliner Paar an der Tür des Klub Achva im Jüdischen Gemeindehaus in der Fasanenstraße. Um dann jedoch gleich festzustellen, dass die überwiegende Mehrzahl der Anwesenden bei den am 4. Dezember stattfindenden Gemeindewahlen ja gar nicht wahlberechtigt ist. »Oh, hier sind viele neue Gesichter.« Kein Wunder, denn in dem mit israelischen Fähnchen und bunten Luftballons geschmückten Saal, an dessen Stirnseite ein reichhaltiges Büfett aufgebaut ist, findet die »Willkommensparty für Neumitglieder« statt.

Doch, das sei sicher sinnvoll, schließlich folge auf den Umzugsstress erfahrungsgemäß erst einmal eine längere, stressige Eingewöhnungsphase, wissen die beiden Gemeindemitglieder. »Vielleicht können wir ja heute anderen ein bisschen weiterhelfen. Denn in dieser Situation freut man sich über jeden Tipp, vom guten Zahnarzt bis zur koscheren Einkaufsmöglichkeit.«

Zugezogen Die mehr als 50 Anwesenden sehen das wohl genauso. Es sei schon sehr schwer, sich in Berlin zurechtzufinden, sagt eine junge Mutter, die erst vor Kurzem aus Spanien an die Spree gezogen ist, »vor allem, wenn man die Sprache noch nicht so richtig gut kann«. Eigentlich sei sie nicht besonders religiös, aber die Anmeldung in der Gemeinde sei für sie ein ganz wichtiger Schritt gewesen, um im fremden Deutschland vielleicht einfacher zurechtzukommen. Vom Nachmittag erhoffe sie sich auch, dass ihre kleine Tochter andere Kinder kennenlerne.

Genug potenzielle kleine Freundinnen und Freunde sind auf jeden Fall anwesend, denn unter den neuen Gemeindemitgliedern sind einige Familien. Die erhalten nach der Begrüßung durch die Vorsitzende Lala Süsskind unter anderem viele Informationen über die verschiedenen Aktivitäten und gemeindeeigenen Einrichtungen.

Eine »multijüdische Gemeinde« sei man in Berlin, erklärt Rabbiner Tovia Ben-Chorin das Konzept der Einheitsgemeinde, unter deren Dach sich jeder zu Hause fühlen soll – von orthodoxen über liberale bis hin zu säkularen Juden. Deshalb lädt die Gemeinde die Anwesenden ein, »die zahlreichen unterschiedlichen Angebote, die jüdische Identität weiterzuentwickeln, wahrzunehmen«.

Fixpunkt Während die Kinder Essen vom Büfett stibitzen, beginnen die Erwachsenen, sich miteinander bekannt zu machen. »Man braucht einen Fixpunkt, wenn man in der Fremde ist«, erzählt ein Mann mit russischem Akzent, der seinen Namen nicht nennen möchte. »Und was könnte ein besserer Fixpunkt sein als der Ort, an dem sich die jüdische Community einer Stadt versammelt?«

Er hoffe darauf, Kontakte knüpfen zu können, »vielleicht Leute zu finden, mit denen man mal etwas unternehmen kann und die mir Orte zeigen, die nur die Einheimischen kennen. Am liebsten würde ich viele Kontakte zu deutschen Juden haben, damit ich die Sprache noch besser lerne, denn Russisch kann ich ja nun schon.«

Während auf der Bühne das Musikprogramm begonnen hat, verteilen Helfer kleine Geschenke an die neuen Gemeindemitglieder. Die freuen sich besonders über die DVD mit dem Kurzfilm Angekommen, den der Beauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin für die Bekämpfung des Antisemitismus, Levi Salomon, erstellt hat.

Zusätzlich gibt es eine zweisprachige Broschüre mit Tipps auf Deutsch und Russisch für einen erfolgreichen Start in Berlin. So »reich beschenkt« werde man, freut sich eine Frau. »So habe ich mir das auch vorgestellt – nein, nicht, dass es etwas umsonst gibt, die Informationen waren sehr nützlich.«

Angebote Mirjam Marcus, Schuldezernentin im Vorstand, spricht derweil die Familien mit Kindern an und weist gezielt auf die für das jeweilige Alter zugeschnittenen Angebote der Gemeinde hin. Zusätzlich werden Visitenkarten verteilt, verbunden mit der ausdrücklichen Ermunterung, ruhig anzurufen, wenn sich irgendwann später noch Fragen ergeben sollten oder Probleme auftauchen.

»Das hört sich so einfach an, neue Mitglieder zu begrüßen«, sagt sie auf die Frage, wie die Idee zu diesem Nachmittag entstanden sei, »im Englischen gibt es den Ausdruck ›to feel more welcome‹. Genau das wollen wir, den Leuten das Gefühl geben, willkommen zu sein.« Überdies sei es »nicht mehr selbstverständlich, dass Juden, die nach Berlin ziehen, sich automatisch und sofort in der Gemeinde melden, man muss schon mehr auf die Leute zugehen als früher.«

Ein irisches Ehepaar bestätigt dies. »Wir sind nicht neu in Berlin, wir sind nur neu in der Gemeinde«, erzählen die beiden. Nun, nach rund zweieinhalb Jahren und nach der Geburt des kleinen Sohnes, habe man sich endlich zur Anmeldung entschlossen. »In der Zeit davor haben wir uns aber ausgiebig informiert, mit anderen jungen Juden diskutiert und natürlich die Synagogen der Stadt besucht, um herauszufinden, wo uns der Gottesdienst am meisten zusagt.«

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