Frankfurt am Main

Mit einem Augenzwinkern

Mit »More joy, less oy« sind die diesjährigen Kulturwochen der Jüdischen Gemeinde Frankfurt überschrieben. Mehr Freude, weniger »Oh weh« – für Marc Grünbaum, Vorstandsmitglied und Kulturdezernent der Gemeinde, ist das Motto einerseits ein augenzwinkernder Hinweis auf die vergangenen Pandemiemonate. Zum anderen aber trage die englisch-jiddische Sentenz auch eine inhaltliche Aussage: »Wir haben Acts ausgewählt, die Fröhlichkeit vermitteln, wo man rausgeht und ein Lächeln auf den Lippen hat.«

Kulturreferentin Daniela Lewin ergänzt: »Nach den vielen Monaten in Isolation wollten wir deutlich den Schwerpunkt auf Leichtigkeit und Entertainment, gepaart mit etwas Internationalität als Gegenpol zum erforderlichen ›Cocooning‹ setzen.« Der berühmte jüdische Humor sei, so Lewin, ein wichtiges Vehikel im Umgang mit Krisensituationen – »das wollten wir nutzen«.

ERÖFFNUNG Ihrem Anspruch wurden die vom 3. bis 17. Oktober stattfindenden Kulturwochen schon am Eröffnungsabend gerecht. Zahlreiche Gemeindemitglieder und Gäste kamen im Ignatz-Bubis-Gemeindezentrum unter Einhaltung der sogenannten 2G-Regel zusammen. Von der ersten großen Veranstaltung seit etwa zwei Jahren sprach Grünbaum zur Begrüßung. Man habe die Kulturwochen im Lockdown geplant, »ohne zu wissen, was möglich oder nicht möglich sein wird«.

Die Kulturwochen wurden im Lockdown geplant, ohne zu wissen, was möglich sein würde.

Passenderweise eröffneten die kanadischen Komiker Eli Batalion und Jamie Elman den Veranstaltungsreigen. Die Macher der englisch- und jiddischsprachigen Webserie YidLife Crisis kamen ins Gemeindezentrum, um, so die Ankündigung, »das jüdische Leben in Frankfurt mit viel Chuzpe unter die Lupe und aufs Korn« zu nehmen.

Sie lieferten ein augenzwinkerndes, mitunter angenehm respektloses und musikalisch grundiertes englischsprachiges Stand-up-Comedyprogramm mit vielen lokalen Bezügen. In den zwei Tagen, die sie in Frankfurt verbracht hätten, seien sie nicht nur in der Westend-Synagoge und bei Chabad gewesen, sondern, so Batalion und Elman, auch in der Reformsynagoge – dazu zeigten sie ein Foto, auf dem sie verdutzt vor einem »Reformhaus« stehen.

Der bewusst naive und humorvolle Blick von außen prägte den Auftritt der in Montreal sozialisierten Komiker. Sie beschränkten sich aber keineswegs auf kurzlebige Pointen von Frankfurt-Neulingen, von denen ohnehin nicht alle aufgingen. Ihre Kindheit und Jugend im jüdischen – und auch jiddisch geprägten – Montreal machten sie ebenso zum Thema ihrer Sketche wie Jamie Elmans familiär bedingte, anfänglich angespannte Beziehung zu Deutschland und deutschen Produkten.

RÜCKZUG So voll und so laut wie beim Schlussapplaus hat man den Festsaal der Frankfurter Gemeinde seit Langem nicht mehr erlebt. Vielen Besuchern war die Wiedersehensfreude anzumerken. Dass das Publikum sich wieder auf Veranstaltungen vor Ort einlässt, ist für Marc Grünbaum nicht selbstverständlich. Für Kulturveranstalter sei es noch sehr schwer, Menschen in Räume zu bekommen. Es gebe eine Tendenz zum Rückzug in den Freundes- und Familienkreis.

Vielen Besuchern war die Wiedersehensfreude anzumerken.

Um familiäre Prägungen und das öffentliche Leben in Zeiten der Pandemie drehte sich denn auch die digitale, ebenfalls englischsprachige Begegnung zwischen Fran Lebowitz und Barrie Kosky. Die New Yorker Autorin, Journalistin und Erzählerin wurde live zugeschaltet, während der Opernregisseur und Intendant der Komischen Oper Berlin im Festsaal des Frankfurter Gemeindezentrums Platz nahm.

Trotz der großen räumlichen Entfernung entdeckten sie schnell Gemeinsamkeiten, wie etwa die Herkunft der Großeltern aus Ost- und Mitteleuropa. Lebowitz, die durch die Netflix-Serie Pretend it’s a City internationale Bekanntheit erlangt hat, sprach mit Kosky unter anderem über ihre prägenden Jahre im New York der 70er-Jahre, den Stellenwert eines informierten und anspruchsvollen Publikums sowie ihre Liebe zu Italien.

HUMOR Ihren unnachahmlichen, trockenen Humor demonstrierte Lebowitz auch, als sie die Fragen des vor Ort anwesenden und per Livestream zuschauenden Publikums beantwortete. Was braucht sie am ehesten zum Überleben im Alltag? »Kaffee und Bücher«, antwortete Lebowitz lakonisch, um dann eine kurze Ode auf das muntermachende Getränk anzustimmen.

Dass die Kulturwochen bei aller Leichtigkeit und Internationalität auch ernstere, regionalere Themen nicht vernachlässigen, demonstrierte das von Michel Friedman moderierte Podiumsgespräch »Rechtsradikalismus in hessischen Sicherheitsbehörden« mit Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU), Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, sowie den Journalisten Matthias Meisner und Hanning Voigts.

Wenige Tage vor dem Abschluss der Kulturwochen zeigt sich Marc Grünbaum sowohl mit der inhaltlichen Resonanz als auch mit den Besucherzahlen zufrieden. Er hofft, dass die diesjährigen Kulturwochen den Beginn einer »gewissen Normalität« im Kulturbereich markieren – getreu dem freudigen Motto »More joy, less oy«.

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