Augsburg

»Meine Seele will verzweifeln«

Der Schabbat ist vorüber, als die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Annette Schavan, und der Violoncellist Julius Berger die Augsburger Synagoge betreten, still, zum Gedenken an die Opfer von Japan, für die dieses außergewöhnliche Konzert stattfindet. Vor sechs Jahren hatten beide eine Idee erstmals gemeinsam verwirklicht, die Berger umsetzen will: Die Bundesministerin rezitiert Psalmen aus der Übertragung von Arnold Stadler, er selbst untermalt die eindrucksvollen Worte mit Synagogalmusik, gespielt auf dem Violoncello.

Gedenken In Zusammenarbeit mit der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg hatte die Universität Augsburg zu einem Gedenkabend geladen. »Es gibt wohl keinen besseren Rahmen für die Verwirklichung der Idee eines Gedenkkonzertes für Japan als diese Synagoge«, sagt der Vertreter des Universitätspräsidenten, Alois Loidl. Sie stehe für eine Gemeinde, die Verfolgung und Vertreibung erlebt hat. Die folgenden Worte sollten jeden einzelnen der Besucher Abstand gewinnen lassen von der alltäglichen Hetze.

Nachdem Julius Berger die Suite Nr. 1 für Violoncello solo von Ernest Bloch gespielt hat, stellt sich Annette Schavan neben ihn und rezitiert Psalm 90: »Herr, du warst zu allen Zeiten immer wieder unsere Rettung. Du machst die Menschen zu Staub und sagst: ›Kehrt zurück, Menschenkinder!‹ Denn tausend Jahre sind so viel für dich wie der Tag, der gestern vergangen ist – oder wie eine Wache in der Nacht.« Melancholisch kommen die Töne aus dem Instrument, als Annette Schavan fortfährt: »Unser Leben dauert vielleicht 70 Jahre, wenn es hochkommt, sind es 80. Noch das schönste daran ist nichts als Schmerz.«

Naturkatastrophe Sorgfältig hat sie die Psalmen gewählt. Schwer wiegt die Last des Gedenkens an die Katastrophe und bringt das ferne Japan ein Stück weit in den Jugendstilbau nach Augsburg. An Heinrich Heine erinnert auch die Rezitation von Stadlers Psalm-77-Übertragung: »Denk ich an Gott bei Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht! Meine Seele will verzweifeln.«

Die Worte kommen ganz offensichtlich bei den Gästen an. »Herr, hilf noch einmal, denn es ist wieder eng geworden«, hatte Stadler aus Psalm 31 übertragen, zu dem Annette Schavan die Worte aus Psalm 116 rezitiert: »Da schrie ich zu Gott: ›Rette mich!‹, schrie ich.« Das Ausmaß der Katastrophe im Fernen Osten ist wohl nur selten so eindrucksvoll transportiert worden wie durch diese Art von Rezitationen und musikalischer Untermalung. Nach einem Abend, dessen Töne und Worte einem Gebet für die Menschen in Japan glichen, verlassen die Gäste nach Sofia Gubaidulinas »Fata Morgana – die tanzende Sonne« für acht Violoncello schweigend die Synagoge.

Berlin

Tage im Mai

Am Wochenende beginnt mit »Youth4Peace« ein Treffen von 80 jungen Erwachsenen aus 26 Ländern. Sie wollen über Frieden und Demokratie sprechen. Auch Gali und Yuval aus Israel sind dabei

von Katrin Richter  01.05.2025

Frankfurt

Zwischen den Generationen

2020 führten Jugendliche gemeinsam mit Überlebenden der Schoa ein »Zeitzeugentheater« auf. Nathaniel Knops Dokumentarfilm »Jetzt?« zeigt dessen Entstehung und feierte nun Premiere

von Eugen El  01.05.2025

Berlin

Für mehr Sichtbarkeit

Wenzel Michalski wird Geschäftsführer des Freundeskreises Yad Vashem. Eine Begegnung

von Christine Schmitt  30.04.2025

Hanau

Das zarte Bäumchen, fest verwurzelt

Vor 20 Jahren gründete sich die jüdische Gemeinde – zum Jubiläum wurde eine neue Torarolle eingebracht

von Emil Kermann  30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

von Niklas Hesselmann  30.04.2025

KZ-Befreiungen

Schüler schreibt über einzige Überlebende einer jüdischen Familie

Der 18-jährige Luke Schaaf schreibt ein Buch über das Schicksal einer Jüdin aus seiner Heimatregion unter dem NS-Terrorregime. Der Schüler will zeigen, »was Hass und Hetze anrichten können«

von Stefanie Walter  29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Berlin

Bebelplatz wird wieder zum »Platz der Hamas-Geiseln«

Das Gedenkprojekt »Platz der Hamas-Geiseln« soll laut DIG die Erinnerung an die 40 in Geiselhaft getöteten Israelis und an die 59 noch verschleppten Geiseln wachhalten

 28.04.2025

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an Warschauer Ghetto-Aufstand

Zum Abschluss der Namenslesung vor dem Jüdischen Gemeindehaus in der Berliner Fasanenstraße ist für den Abend ein Gedenken mit Totengebet und Kranzniederlegung geplant

 28.04.2025