Recklinghausen

Mehr Licht als Schatten

Seit 190 Jahren wird in der Jüdischen Gemeinde Recklinghausen ein vielfältiges und buntes Leben praktiziert. In feierlichem Rahmen wurde dieses Jubiläum am Dienstagabend in der Synagoge begangen. Zahlreiche Gäste aus Politik, Kirchen und öffentliche Amtsträger erwiesen der Gemeinde die Ehre.

»Ich freue mich, dass Sie so zahlreich gekommen sind, um mit uns zu feiern«, begrüßte Mark Gutkin, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Kreis Recklinghausen, die Gäste. Mit dem musikalischen Vokalensemble, das den Psalm 1 von Louis Lewandowski vortrug, begann der Festakt.

Kippa Cay Süberkrüb, Landrat des Kreises Recklinghausen, mahnte, wachsam zu sein vor den Menschen, die rechtes Gedankengut verbreiten wollen, und appellierte, gegen Antisemitismus und Rassismus Stellung zu beziehen und Flagge zu zeigen. »Wir bauen Brücken und beseitigen Brüche«, sagte Süberkrüb. »Es kann doch nicht sein, dass jüdische Mitbürger davor gewarnt werden müssen, eine Kippa zu tragen. Das bereitet mir große Sorgen. Ich bin mir jedoch sicher, dass wir den Rechten den Nährboden entziehen können.«

»Das Schönste ist, dass wir gemeinsam die Feierlichkeiten begehen.« Bürgermeister Christoph Tesche

Recklinghausens Bürgermeister Christoph Tesche (CDU) empfand es als Ehre, gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde zu feiern. »Das Schönste ist, dass wir gemeinsam die Feierlichkeiten begehen«, betonte Tesche. »Wir dürfen nicht vergessen, sondern müssen uns an die Gräueltaten erinnern«, forderte der Bürgermeister nachdrücklich. »Mit Toleranz, Barmherzigkeit und Nächstenliebe überwinden wir die Anfeindungen von rechts. Wir leben gemeinsam mit unseren jüdischen Freunden in großer Verbundenheit.«

Auch Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, stellte seine Sicht der aktuellen Situation dar und sah in seinem Resümee Licht, aber auch viel Schatten. Die Demonstrationen für Toleranz machten ihm Mut, sagte Lehrer. Der Aufmarsch der Neonazis und die Angriffe auf Rabbiner erfüllten ihn hingegen mit großer Sorge.

Zeitzeugen »Wir sollten unsere Aufmerksamkeit auf das Licht lenken und uns vor Augen führen, mit welch unfassbarer Energie die Überlebenden des Zweiten Weltkrieges überall in Deutschland neue Gemeinden aufgebaut haben«, appellierte Lehrer. Zeitzeugen seien wichtig, um den Zahlen ein Gesicht zu verleihen. Sie schafften Empathie und könnten kein Geschichtsbuch ersetzen. Filmaufnahmen könnten die Schilderungen und Erfahrungen der Überlebenden nicht ersetzen.

Zwi Rappoport, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe, betonte, dass die deutsche Demokratie, die er als sehr wehrhaft empfindet, jüdischem Hass vieles entgegensetzen könne.

Zum 190. Jubiläum will die Gemeinde eine neue Tora schreiben lassen.

Eine Handvoll Überlebende kehrten nach dem Krieg in ihre Heimat zurück, löste sich aus ihrer Erstarrung und gab jüdisches Wissen weiter. »Nach der Wiedervereinigung wurden die Zuwanderer aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion gut aufgenommen. Das war eine große Integrationsleistung«, resümierte Rappoport.

Geschichte Bereits im 15. und 16. Jahrhundert gab es in Recklinghausen jüdisches Leben. 1829 wurde der Grundstein für die heutige Gemeinde mit dem Eintrag in das Vereinsregister gelegt. Am 20. und 21. August 1880 konnte die erste Synagoge eröffnet werden. Als die Mitgliederzahlen auf rund 500 stiegen, wurde der Wunsch nach einer neuen Synagoge laut, die 1906 an der Limperstraße in Recklinghausen eingeweiht wurde.

Einen tiefen Einschnitt bildet die Reichspogromnacht, in der die Synagoge zerstört wurde. Die letzten 110 Gemeindemitglieder wurden 1942 nach Riga deportiert. Nur 15 Überlebende kehrten in die Ruhrfestspielstadt Recklinghausen zurück, um eine neue Gemeinde aufzubauen.

Die dritte Synagoge wurde schließlich 1955 eröffnet. Nach der Wiedervereinigung erlebte die Gemeinde eine Renaissance. Die Mitgliederzahl erhöhte sich rasant auf 600, sodass der Bau einer neuen Synagoge beschlossen wurde. Die Eröffnung erfolgte 1997.  Zwei Jahre später löste sich die Gemeinde aus der Verbundgemeinde Bochum-Herne-Recklinghausen und ist seitdem wieder selbstständig.

Zum 190. Jubiläum wird die Gemeinde eine neue Torarolle schreiben lassen.

Auswärtiges Amt

Deutschland entschärft Reisehinweise für Israel

Nach Beginn des Gaza-Krieges hatte das Auswärtige Amt vor Reisen in Teile Israels gewarnt. Dies gilt so nicht mehr. Der Außenminister begründet das mit gewachsenem Vertrauen in den Friedensprozess

 04.11.2025

Würdigung

Margot Friedländer wird mit Sonderbriefmarke geehrt

Wie das Finanzministerium mitteilte, war die Sonderbriefmarke für Friedländer ein »besonderes Anliegen« von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil

 04.11.2025

B’nai B’rith

»Wie eine große Familie«

Delegierte aus 20 Ländern kamen zusammen, um sich eine neue Organisationsstruktur zu geben

von Ralf Balke  03.11.2025

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an November-Pogrome

Zum 87. Jahrestag der NS-November-Pogrome von 1938 werden am Sonntag ganztägig die Namen der im Holocaust ermordeten Berliner Jüdinnen und Juden vorgelesen. Bei einem Gedenken am Abend wird Berlins Regierender Bürgermeister sprechen

 03.11.2025

Gedenkstätten

Gedenkzeichen für jüdische Ravensbrück-Häftlinge

Zur feierlichen Enthüllung werden unter anderem Zentralratspräsident Josef Schuster, die brandenburgische Kulturministerin Manja Schüle (SPD) und der Beauftragte für Erinnerungskultur beim Kulturstaatsminister, Robin Mishra, erwartet

 03.11.2025

Porträt der Woche

Zufluchtsort Musik

Naomi Shamban ist Pianistin, lebt in Dresden und hat eine Schwäche für Märchenfilme

von Alicia Rust  03.11.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 02.11.2025

Hund, Katze & Co

Beste Freunde

Wenn Tiere Familie werden: Gemeindemitglieder erzählen vom leisen oder lauten Glück, mit Vierbeinern zu leben

von Christine Schmitt  02.11.2025

Berlin

Parfüm mit Geschichte

Das israelische Label Zielinski & Rozen stellte seine Duftkollektion vor, die 1905 in Jaffa kreiert wurde

von Alicia Rust, Erez Zielinski Rozen, Gemeinde Berlin, Parfüm  02.11.2025