Hanau

Lebensentwürfe

Zentralratspräsident Josef Schuster (M.) eröffnete die Ausstellung. Foto: Rafael Herlich

»Meine Generation lebt gerne in Deutschland«, sagt Vivian. Die 1982 in Berlin geborene Unternehmerin ist eine von 13 jungen Jüdinnen und Juden, die in der Wanderausstellung Jüdische Lebenswelten in Deutschland heute porträtiert werden. Die für Jugendliche konzipierte Schau möchte die Vielfalt zeitgenössischer jüdischer Lebensentwürfe zeigen, enthält aber auch Tafeln zur Geschichte der Juden in Deutschland seit der Antike.

Noch bis zum 31. Mai ist sie als Teil der Jüdischen Kulturwochen in Hanau zu sehen. Am Montagabend eröffnete Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, die Ausstellung feierlich. Die Zeremonie in der Karl-Rehbein-Schule begann musikalisch. Der Schulchor trug das Lied »Hine Ma Tov« vor. In seiner Begrüßung wies Schulleiter Jürgen Scheuermann auf die Partnerschaft des Hanauer Gymnasiums mit der Ginsburg Haoren Highschool in Yavne bei Tel Aviv hin. Er berichtete unter anderem vom Besuch seiner Schüler in der Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem. Scheuermann betonte das Miteinander der deutschen und israelischen Schüler. »Wir schauen bewusst zurück, und wir schauen mit Freude nach vorn.«

Engagement Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) plädierte für einen entschiedenen Einsatz gegen Judenhass: »Dagegenhalten, keinen Millimeter Platz für Antisemitismus, das ist der Auftrag.« Oliver Dainow, Organisator der erstmals in Hanau ausgerichteten Kulturwochen, erinnerte daran, dass es nach der Deportation der letzten Hanauer Juden 1942 mehr als 60 Jahre dauerte, bis organisiertes jüdisches Leben dort wieder möglich wurde. »Heute blicken wir auf eine starke jüdische Gemeinde hier«, sagte Dainow.

»Wir erfreuen uns an einem Pluralismus, von dem wir vor 30 Jahren kaum zu träumen gewagt hätten.« Zentralratspräsident Josef Schuster

Schuster formulierte zunächst eine positive Sicht auf das jüdische Leben in Deutschland: »Unsere jüdische Gemeinschaft ist allen Widrigkeiten zum Trotz eine vitale und vielfältige Gemeinschaft geworden. Wir erfreuen uns an einem Pluralismus, von dem wir vor 30 Jahren kaum zu träumen gewagt hätten«, unterstrich er die Bedeutung der jüdischen Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, betonte aber auch den Wert der Einheit in der Vielfalt.

Unsicherheit Dabei benannte Schuster aber auch die negativen Entwicklungen: »Antisemitismus ist heute ein Problem in Deutschland.« Dass viele Juden wieder das Gefühl haben, in Unsicherheit zu leben, dass sie angegriffen, angepöbelt oder bedroht werden, nur, weil sie jüdisch sind, sei geradezu eine historische Absurdität, eine moralische Verfehlung, ein absoluter Skandal. Die Bekämpfung von Judenhass sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, mahnte Schuster.

Der kulturelle, wissenschaftliche und literarische Beitrag der Juden vor der Schoa sei heute kaum jemandem bekannt, beklagte er. Auch das Wissen um die Entwicklung des jüdischen Lebens nach 1945 sei sehr gering. »Vor allem muss auch das Hier und Jetzt in den Fokus genommen werden«, sagte der Zentralratspräsident. Die in Hanau gezeigte Ausstellung behandle die heutige Situation, Ansichten und Anliegen junger Juden. Sie sei »ein Instrument, um aus Fremden Freunde zu machen und aus dem Nebeneinander ein Miteinander«, sagte Josef Schuster.

Auch die 1995 in Berlin geborene Avital wird in der Ausstellung vorgestellt. Jugendliche wüssten wenig über Juden und das Judentum, sagt sie. Daher plädiert sie für mehr Dialog. »Ich empfinde es als meine Verantwortung, auf das jüdische Leben in Deutschland aufmerksam zu machen und Aufklärungsarbeit zu leisten«, sagt die 24-Jährige.

 

Berlin

Für mehr Sichtbarkeit

Wenzel Michalski wird Geschäftsführer des Freundeskreises Yad Vashem. Eine Begegnung

von Christine Schmitt  30.04.2025

Hanau

Das zarte Bäumchen, fest verwurzelt

Vor 20 Jahren gründete sich die jüdische Gemeinde – zum Jubiläum wurde eine neue Torarolle eingebracht

von Emil Kermann  30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

von Niklas Hesselmann  30.04.2025

KZ-Befreiungen

Schüler schreibt über einzige Überlebende einer jüdischen Familie

Der 18-jährige Luke Schaaf schreibt ein Buch über das Schicksal einer Jüdin aus seiner Heimatregion unter dem NS-Terrorregime. Der Schüler will zeigen, »was Hass und Hetze anrichten können«

von Stefanie Walter  29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Berlin

Bebelplatz wird wieder zum »Platz der Hamas-Geiseln«

Das Gedenkprojekt »Platz der Hamas-Geiseln« soll laut DIG die Erinnerung an die 40 in Geiselhaft getöteten Israelis und an die 59 noch verschleppten Geiseln wachhalten

 28.04.2025

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an Warschauer Ghetto-Aufstand

Zum Abschluss der Namenslesung vor dem Jüdischen Gemeindehaus in der Berliner Fasanenstraße ist für den Abend ein Gedenken mit Totengebet und Kranzniederlegung geplant

 28.04.2025

Düsseldorf

Erinnerungen auf der Theaterbühne

»Blindekuh mit dem Tod« am Schauspielhaus stellt auch das Schicksal des Zeitzeugen Herbert Rubinstein vor

von Annette Kanis  27.04.2025

Hanau

Jüdische Gemeinde feiert Jubiläum

»Im Grunde genommen ist es mit das Größte und Schönste, was eine Gemeinde machen kann: eine neue Torarolle nach Hause zu bringen«, sagt Gemeinde-Geschäftsführer Oliver Dainow

 25.04.2025