München

»Kultur des Hinschauens«

Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle Foto: Marina Maisel

München

»Kultur des Hinschauens«

Ludwig Spaenle wirbt für gemeinschaftliches Handeln gegen Antisemitismus

von Helmut Reister  22.08.2019 09:53 Uhr

Mit einer »Kultur des Hinschauens« will Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle die zunehmende Judenfeindlichkeit eindämmen. Er setzt dabei auf die Hilfe von Vereinen und Organisationen.

Wie der frühere Kultusminister bei der Vorstellung seiner Initiative in der vergangenen Woche deutlich machte, sei Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Problem. »Es geht uns alle an«, erklärte er. Er wünsche sich deshalb auch eine Allianz gegen Judenfeindlichkeit, an der sich möglichst viele beteiligen sollen: Regierung, Verbände und Organisationen, Arbeitswelt und Zivilgesellschaft.

antisemitismusdefinition Grundlage für gemeinschaftliches Handeln könnte nach Ansicht Spaenles die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) sein.

Sie lautet: »Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.«

Spaenle wünscht sich eine Allianz, an der sich möglichst viele beteiligen.

Nach der Bundesregierung hat im Mai die Bayerische Staatsregierung diese Definition formell anerkannt. Der Antisemitismusbeauftragte rechnet damit, dass auch der Landtag ein entsprechendes Votum abgeben wird. Die Erklärung ist zwar rechtlich nicht bindend, soll aber als Grundlage bei der Verfolgung entsprechender Straftaten dienen.

definition Ludwig Spaenle hat die Definition in den zurückliegenden Wochen rund 90 Vereinen und Verbänden vorgelegt und um Zustimmung gebeten. Ein großer Teil davon, knapp 60 Einrichtungen, hat bereits reagiert und sie angenommen.

Darunter befinden sich zum Beispiel die Landeszentrale für neue Medien (BLM), der Bayerische Jugendring (BJR) oder die Bürgerallianz Bayern, zu der der Jagdverband gehört. Dessen Präsident Jürgen Vocke erklärte gegenüber der »Abendzeitung«, dass er antisemitische Äußerungen in seinem Verband nicht akzeptieren und entsprechende Vorfälle thematisieren werde.

Diese klare Positionierung entspricht auch den Vorstellungen des Antisemitismusbeauftragten. Es sei ein wichtiges Zeichen und mache deutlich, dass sich bedeutende gesellschaftliche Kräfte an die Seite von Jüdinnen und Juden stellen würden, erklärte Spaenle. »Judenfeindlichkeit«, stellte er in diesem Zusammenhang fest, »geht alle an.« Deshalb hält er es im Kampf gegen Antisemitismus auch für unbedingt notwendig, auf entsprechende Bildungsarbeit in Schulen und anderen pädagogischen Einrichtungen zu setzen.

israelfeindlichkeit Ein entschiedeneres Vorgehen gegen Antisemitismus, der auch Israelfeindlichkeit beinhaltet, fordert die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), Charlotte Knobloch, schon länger. Deshalb begrüßt sie die Initiative Spaenles ausdrücklich.

Die IKG-Präsidentin selbst hatte gerade in den vergangenen Jahren immer wieder auf zunehmende antisemitische Tendenzen in unserer Gesellschaft hingewiesen und die Notwendigkeit gesellschaftlichen Handelns angemahnt, zuletzt nach dem Übergriff auf einen Rabbiner und seine zwei Söhne in der Hohenzollernstraße vor wenigen Wochen. Auch Spaenle zeigte sich über die Hassattacke auf offener Straße entsetzt. »Das ist ein Angriff auf die ganze Münchner Stadtgesellschaft«, sagte er.

Muslimische Verbände hat Spaenle bislang nicht kontaktiert.

Ein »Minenfeld« hat Ludwig Spaenle in seiner Rolle als Antisemitismusbeauftragter noch nicht betreten. Muslimische Verbände, räumte er bei der Pressekonferenz ein, habe er bislang nicht kontaktiert. Er halte es zwar nicht für ausgeschlossen, in Zukunft auch mit diesen Verbänden zu sprechen und sie in das Konzept mit einzubinden, eine konkrete Strategie zur Umsetzung habe er aber bislang noch nicht gefunden.

verständigung Ein Blick über die bayerische Landesgrenze hinaus nach Österreich zeigt zumindest die Möglichkeit von Verständigung auf. Dort hat der Vorsitzende der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), Ümit Vural, erklärt, dass seine Gemeinschaft die IHRA-Antisemitismusdefinition annehmen werde.

Er selbst verurteile judenfeindliche Hetze. Damit ist die IGGÖ der erste muslimische Verband in Europa, der die Definition annimmt.

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