Frankfurt

Künstlerwerkstatt bittet um Spenden

Corinna Roßkopf ist von ihrer Arbeit im Kunstatelier »Eastend« in Frankfurt begeistert. Jeden Morgen freue sie sich auf Mitarbeiter und Teilnehmer der Workshops. Roßkopf, Schreinerin, Sozialarbeiterin und pädagogische Leiterin in einem, lässt sich gern überraschen, welche Kunstwerke in den nächsten Stunden und Tagen entstehen werden.

Auch Lea (Name von der Red. geändert) freut sich auf die kommenden kreativen Stunden. Sie gilt als schwerstmehrfachbehindert, und es fällt ihr schwer, sich gezielt zu bewegen und zu sprechen. »Für mich bedeutet das Atelier als Allererstes die Gesellschaft und die Beziehungen untereinander.« Und Oleg ergänzt: Bevor er das Kunstatelier besuchte, sei er »sehr einsam gewesen«.

einschränkungen Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen und psychischen Erkrankungen sind die Stammgäste des Ateliers wie auch Künstler und Nachbarn. Jeder Mensch ist eingeladen und kann »einfach vorbeikommen«. Es gebe kein festes Programm, sagt Costa Bernstein, künstlerischer Leiter, sondern jeder könne daran arbeiten, worauf er Lust habe. »Wir geben sehr wenig vor.«

Wichtig sei die kreative und schöpferische Tätigkeit, wie die Herstellung von Judaika-Produkten, die Vermittlung jüdischer Kultur, aber auch Malerei, freies Gestalten mit verschiedenen Materialien. Ferner kann die Werkstatt auch für Workshops genutzt werden.

Gemeinsam werden Ausstellungen entwickelt. »So entstand vor Corona ein nettes, lebendiges Miteinander«, sagt Roßkopf. Genau das sei nach dem Bundesteilhabegesetz gewünscht und gewollt: dass nichtbehinderte Menschen die Chance haben, Menschen mit Beeinträchtigungen zu begegnen und Zeit mit ihnen zu verbringen.

schwerpunkt Und genau das ist seit knapp zehn Jahren auch das Ziel des Ateliers, das einen jüdischen Schwerpunkt hat, aber konfessionsübergreifend arbeitet. Das »Atelier Eastend« ist eine Kooperation der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main und des Internationalen Bundes. Der überörtliche Sozialhilfeträger stellt die Grundfinanzierung des Ateliers sicher, ferner hat die »Aktion Mensch« einzelne Projekte finanziert.

Dennoch ist die Einrichtung in finanzieller Not. »Innovativ, religions- und kulturübergreifend – ein Konzept, das moderner nicht sein könnte. Und dennoch: Es fällt leider durch alle klassischen, ins­ titutionalisierten Förderungsraster wie Kultureinrichtung, Behindertenhilfe oder städtisches Quartiersmanagement«, sagt Roßkopf. Man müsse Spender finden, sonst müsse das Atelier noch in diesem Jahr die Türen für immer schließen. »Wir sind eine kleine Einrichtung und können an diesem Standort nicht expandieren. Erschwerend kommt hinzu, dass wir durch die Pandemie keinerlei Akquise-Tätigkeiten betreiben können.«

Spontane Besuche sind derzeit nicht möglich, denn auch hier gelten die Corona-Regeln. Im ersten Lockdown musste das Atelier sogar komplett schließen. »Da haben wir uns bemüht, telefonisch Kontakt zu halten.« Manche Gäste würden alleine leben und seien sehr einsam gewesen. Das soll nicht noch einmal passieren.

werkstatt Auf der Homepage kann man sich die jüngsten Werke ansehen: Stadtsilhouette von Frankfurt, bunte Fische aus Holz oder ein gerade fertiggestelltes Kochbuch mit eigenen Rezepten. »Wir wollen zeigen, was wir können.« Ton, Malerei, Radierung, Siebdruck, Linoldruck, Kreatives Gestalten, Mosaik- und Handarbeiten werden gefertigt. Kurze YouTube-Videos zeigen eine gemütliche Werkstatt, an deren Wänden die Kunstwerke hängen, in der die Regale mit Materialien gefüllt sind und viele Besucher an einem großen Tisch sitzen, sich unterhalten und malen oder an einem Webstuhl die Wolle verarbeiten.

»So unterschiedlich, wie die Menschen sind, so unterschiedlich sind auch die Kunstwerke, die hier gemacht werden.« Gemeinsam ist die besondere Atmosphäre von gegenseitigem Respekt, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Jeder werde so angenommen, wie er ist. »Das faszinierte mich von Anfang an und bis heute«, sagt Costa Bernstein.

Das Atelier habe aufgrund seiner inklusiven, völkerverbindenden Ausrichtung immer noch Pilotprojektcharakter, meint Roßkopf. Es werde Zeit, dass es auf einem soliden finanziellen Grund steht. Anfragen von Lehrern und Fachleuten, die wissen wollen, wie hier gearbeitet wird, gebe es viele. Sogar aus Japan kamen Mitglieder des Wohlfahrtsverbandes und seien begeistert mit vielen neuen Eindrücken abgereist.

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