Thüringen

Klang des jüdischen Mittelalters

Blick in die Ausstellung »In and Out – Between and Beyond« Foto: Alte Synagoge Erfurt

Wie war Erfurt eigentlich im Mittelalter? Was haben die einfachen Bürger hinterlassen, die nicht zur Elite gehörten, nicht selbst Dokumente schrieben? Genau das interessierte die Historikerin Elisheva Baumgarten und ihr Team. Gemeinsam suchten sie Spuren in der christlichen und jüdischen Geschichte. »Gute und aussagekräftige Quellen zu finden, war das Schwierigste für uns. Wo konnten wir Spuren der einfachen Menschen finden, das war die ständige Frage.«

Manchmal war es Schmuck, manchmal waren es Schriftstücke, Münzen, Gefäße, Siegel, ein anderes Mal auch Dokumente von Rechtsgelehrten. »Uns interessiert, wie ganz normale jüdische und christliche Menschen im Alltag miteinander lebten, wie sie ihr Leben regelten.« Das will nun die Ausstellung In and Out – Between and Beyond zeigen.

Mit dem Schwerpunkt auf den Juden des mittelalterlichen Aschkenas von der Zeit des Ersten Kreuzzugs im Jahr 1096 bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts untersuchten Wissenschaftler um Elisheva Baumgarten in der Forschungsgruppe »Beyond the Elite: Jewish Daily Life in Medieval Europe« das Leben der Juden in Nord- und Westeuropa, wobei sie sich auf die Juden in Nordfrankreich, im Heiligen Deutschen Reich und teils auch auf die Juden im mittelalterlichen England konzentrieren – bezeichnet oft als Juden des mittelalterlichen Aschkenas.

Jerusalem Der in Jerusalem lebende Sofer Kalman Gavriel Delmoor gestaltete Bilder. Ihn inspirierten Verzierungen in alten hebräischen Manuskripten der Bibeln. Er formte aus seinen neuen Wort-Linien eine Rosette, die stark an das steinerne Original, eine Fensterrosette in der Fassade der Alten Synagoge von Erfurt erinnert.

Die Ausstellung lädt ein, sich auch sinnlich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wie klang es damals in einer Stadt, wenn Menschen auf den Straßen waren, Händler, Marktfrauen? »Mich hat es begeistert, durch die alte Stadt von Erfurt zu laufen«, sagt Elisheva Baumgarten. Man fühlt die Geschichte, kann sich hineinversetzen, und wenn man dann noch weiß, hier hat derjenige gewohnt, dort drüben ein anderer.«

Sieben israelische Künstler steuerten Grafiken und Installationen bei.

16 Themenbereichen haben sich die Forscher anhand der historischen Quellen gewidmet. Sieben israelische Künstler haben jeweils eigene Ideen dazu entwickelt: Installationen, Grafiken, filigrane Wortbilder. Der Eingang der Ausstellung: ein großes Portal, ein Rundbogen – steinerne Zeugnisse wie diese gibt es mehrfach bis heute, vor allem in Erfurt.

»Der Bogen«, sagt Maria Stürzebecher, UNESCO-Beauftragte der Stadt Erfurt, »ist symbolisch für uns. Es ist der Eingang in diese Ausstellung, vor allem aber auch der Eingang in das Leben der jüdischen Gemeinde, wie es damals ausgesehen haben könnte.« Und: »Weil wir viel Geschichte zeigen können, den Erfurter Schatz, den Hochzeitsring, die Rosette, deshalb sind wir erfreut, Teil des Forschungsprojektes und Kooperationspartner der Hebräischen Universität von Jerusalem zu sein.«

Hochzeitsring Sieben israelische Künstler steuerten Grafiken und Installationen bei. Erstmals wird nun diese Ausstellung außerhalb Israels gezeigt. Und auch für Maria Stürzebecher hätten sich neue Aspekte im Zuge der Recherchen der israelischen Kollegen ergeben, zum Beispiel mit Blick auf den wertvollen Erfurter jüdischen Hochzeitsring. Ein weiteres Exemplar mit der Inschrift »Mazel tov« aus dem 15. Jahrhundert hätten die Kollegen nun beisteuern können.

»Es geht auch um die Frage: Wie haben sie einander vertraut? Und ab wann gab es die Knackpunkte, die später Mord, Gewalt und Vertreibung auslösten?« Denn Pogrome gehörten auch immer wieder in dieser Zeit zum Alltag.

Der Historikerin ist es wichtig, dass jüdische Menschen nicht nur als Helden gesehen werden in der Rezeption der Geschichte. Sie wünscht sich einen objektiven Blick. »Es ist eine komplizierte Identität. Die Welt ist ein komplizierter Platz«, meint sie und freut sich auf alles, was künftig noch entschlüsselt werden wird. »Wir werden die alten Manuskripte noch sensibler lesen.«

»In and Out – Between and Beyond. Jüdisches Alltagsleben im mittelalterlichen Europa«. Die Sonderausstellung ist noch bis zum 4. Juni 2023 in der Alten Synagoge in der Waagegasse 8 in Erfurt zu sehen.

Weitere Infos unter: www.juedisches-leben.erfurt

Thüringen

Voigt für deutsch-israelisches Jugendwerk in Weimar

Er führe dazu Gespräche mit israelischen Partnern, die bereits Interesse an einer Ansiedlung in Thüringen signalisiert hätten

 11.07.2025

Frankfurt am Main

Rabbinerin: Zentralrat hat Öffnung des Judentums begleitet

Elisa Klapheck spricht in Zusammenhang mit der jüdischen Dachorganisation von einer »Stimme, die auf höchster politischer Ebene ernst genommen wird«

 11.07.2025

Maccabiah

Zusammen sportlich

Trotz der Verschiebung der Spiele auf 2026 überwog auf dem Pre-Camp in Berlin Optimismus

von Frank Toebs  10.07.2025

Street Food Festival

Sich einmal um die Welt essen

Tausende besuchten das Fest im Hof der Synagoge Oranienburger Straße in Berlin

von Helmut Kuhn  10.07.2025

Berlin

»Berlin verneigt sich«

Zwei Monate nach ihrem Tod wird die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer in Berlin gewürdigt. Der Bundespräsident mahnt vor Politikern und Weggefährten, das Erbe der Jahrhundertfrau weiterzutragen

von Alexander Riedel  09.07.2025 Aktualisiert

Engagement

Verantwortung übernehmen

Erstmals wurde der Fritz-Neuland-Gedächtnispreis verliehen. Die Auszeichnung erhielten der Jurist Andreas Franck und die AG PRIOX der bayerischen Polizei

von Luis Gruhler  09.07.2025

Deutsch-Israelischer Freiwilligendienst

»Wir müssen gewachsene Strukturen erhalten«

ZWST-Projektleiter Erik Erenbourg über ein besonderes Jubiläum, fehlende Freiwillige aus Deutschland und einen neuen Jahrgang

von Christine Schmitt  09.07.2025

Essen

Vier Tage durch die Stadt

Der Verein Kibbuz Zentrum für Kunst, Kultur und Bildung führte 20 Jugendliche einer Gesamtschule an jüdische Orte. Die Reaktionen überraschten den Projektleiter

von Stefan Laurin  09.07.2025

Berlin

Millionenförderung für jüdisches Leben

Die sogenannten Staatsleistungen machten dabei fast 8,9 Millionen Euro in dieser Summe aus. Als Zuwendung für personelle Sicherheitsleistungen flossen den Angaben zufolge 6,1 Millionen Euro

 09.07.2025