Jugendarbeit

Keine Lust mehr auf Zoom

Genervt vom Homeschooling: Die Schüler wollen sich endlich wieder live begegnen. Foto: Getty Images/iStockphoto

Endlich. Morris sitzt im Zug von Düsseldorf nach Berlin, um seine Freunde zu besuchen. Die Ausgangssperre gehört der Vergangenheit an, und es ist wieder erlaubt, privat außerhalb der eigenen vier Wände zu übernachten.

Die Abiturprüfungen sind ebenfalls Schnee von gestern – er kann nun voller Freude Richtung Zukunft blicken. Doch die vergangenen Monate waren hart für den 17-Jährigen: Homeschooling, mehrstündige Klausuren mit Maske, ein verschobener Tag-Nacht-Rhythmus, das Machane in Israel fiel aus, die Jewrovision sogar zweimal in Folge, und immer galt: Abstand halten und kaum Freunde treffen.

Pläne Gerade bei der Freizeitgestaltung hätten ihn die Corona-Maßnahmen sehr getroffen. »Aber man muss das Beste daraus machen«, sagt Morris. Seine Pläne für die nächsten Monate sind jetzt kurze Städtetrips mit Freunden, eine Reise, bei der er mit Kumpels eine Ferienwohnung mieten möchte. Ebenso steht ein Urlaub mit seiner Familie an, auf den er sich auch sehr freut.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es klappt, ist bei ihm sogar recht hoch, denn er ist bereits geimpft. Da er in einem Testzentrum jobbt, wo er die Daten der Patienten aufnimmt und die Abstriche vorbereitet, war es möglich, so früh selbst das Vakzin zu erhalten. »Jetzt hätte ich bald wieder viele Freiheiten und stelle nun fest, dass es mir gar nicht richtig hilft, weil meine Freunde noch nicht immunisiert sind.«

Öffnungen »Wir sind wieder da«, heißt es auf der Website des Jugendzentrums Amichai in Frankfurt. Am Sonntag, 30. Mai, gingen die Türen wieder auf, und die Kinder und Jugendlichen kamen. Sechs Monate lang war das Juze geschlossen. »Trotzdem haben wir alles dafür getan, um mit den Kids in Kontakt zu bleiben«, sagt Jugendzentrumsleiter Zvi Bebera. Schnell hatten sie eine App entwickelt, um Videos und Fotos hochzuladen. Mehr als 600 Filme sind dort zu sehen. Ferner gab es Online-Peulot.

Aber nun spürt Zvi Bebera eine gewisse Abgestumpftheit bei den Jüngeren. »Sie haben keine Lust mehr auf Online.« Es sei ein verlorenes Jahr sowohl für die Madrichim als auch für die Chanichim. Es fehle ihnen die Vorfreude, das Feuer der Begeisterung bemerke er kaum noch bei ihnen. »Das hat mir sehr leidgetan.« Doch nun könnte alles besser werden: Die Betreuer seien überwiegend dank der Impfung geschützt, die Kids müssen einen negativen Testnachweis mitbringen, und es werde in kleinen Gruppen gespielt, gelernt und gequatscht.

»So wie vor der Pandemie wird es allerdings noch nicht sein, denn dass wir alle am Ende des Sonntags zusammenkommen und die Hymne singen – das geht leider nicht.« Dennoch hätten die Madrichim bereits ein tolles Programm entwickelt.

Machane Viktoria Dohmen, Jugendreferentin der JuJuBa (Jüdische Jugend Baden) und Leiterin des Jugendzentrums »Mischpacha« der Gemeinde Emmendingen, hat gerade eine kurze Verschnaufpause. Den Rest des Tages befindet sie sich in bester Gesellschaft: mit 40 Kindern und Jugendlichen sowie 15 Betreuern. Sie sind alle in Bad Sobernheim. »Wir sind glücklich, dass wir hier sein dürfen«, sagt sie.

Am Mittwoch kam das Okay von den Ämtern, sechs Tage später ging es los.

Als sie vor ein paar Tagen erfuhren, dass sie mit den Kindern fahren dürfen, zögerten die Mitarbeiter von JuJuBa keine Sekunde. Mittwochs kam das Okay von den Ämtern, sechs Tage später ging es los, so Madrich Gregor. Die Pfingstferien, die in Rheinland-Pfalz noch bis zum 2. Juni gingen, wurden somit zu etwas ganz Besonderem. »Unsere Kids sind sehr froh, dass sie sich sehen dürfen.« Die Kinder seien beschwingt und energiegeladen. Und auch die Madrichim freuten sich aufeinander, denn »auch wir haben uns und die Kinder lange nicht gesehen«. Das fröhliche Lächeln der Kids würde sie immer wieder berühren, erzählt die Jugendleiterin Laura.

Die Madrichim müssen schauen, ob die Regeln eingehalten werden.


Selbstverständlich gelten auch in Bad Sobernheim die Hygieneregeln. So können sich immer nur zwei Kinder ein Zimmer teilen. Regelmäßige Tests stehen ebenfalls auf der Tagesordnung. »Doch das kennen sie aus der Schule«, sagt Viktoria Dohmen. Für die Madrichim sei es aber anstrengender als sonst, weil sie ein Auge auf die Einhaltung der Regeln haben müssen. »Ich bin froh, wenn alle gesund nach Hause kommen.«

Die Mitarbeiter des Juze »Mischpacha« haben in den vergangenen Monaten unzählige Zoom-Meetings angeboten, Pakete verschickt und telefoniert. »Wir müssen schauen, alle Kinder wieder ins Boot zu holen.« Allerdings habe der Nahost-Konflikt Corona etwas verdrängt, da gab es andere Sorgen.

Der 14. Juni wird in diesem Jahr für die jüngeren Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Bielefeld ein ganz besonderer Tag, denn da wollen sie den Israel-Tag nachholen und sich zum ersten Mal wiedersehen. Auch in Bielefeld haben sich die Mitarbeiter des Juze immer wieder etwas einfallen lassen, um mit ihren Kindern in Kontakt zu bleiben. Jüngst hatten sie einen Escape Room angeboten – natürlich per Zoom.

Mithilfe einer Stiftung konnten alle Kinder mit einem Tablet ausgestattet werden. »18 Monate waren wir alle zu Hause, das hat Einfluss auf jeden«, sagt Ilja Egorov, Soziologiestudent und Madrich. Der Israel-Tag soll ein gutes Signal senden, dass es hoffentlich weiter in Richtung Normalität geht.

»Die Kinder wollten beim Zoom-Meeting nie aufhören«, sagt Aviva, Madricha im Düsseldorfer Jugendzentrum. Sie hätten es genossen, außerhalb der Schule weitere Kontakte zu haben. Ihr selbst habe es viel Freude gemacht, sich schöne Programme für die Sonntagnachmittage zu überlegen. »Allgemein war aber alles sehr, sehr stressig.« Die Schule, dann gegen Abend noch Hebräisch- und Religionsunterricht. »Aber ich möchte trotzdem fröhlich sein und immer probieren, das Beste herauszuziehen.«

Freiheiten Die 16-Jährige hofft auf die nächsten Monate. Am meisten wünscht sie sich, sich wieder mit Freundinnen in größeren Gruppen treffen zu können, wieder Freiheiten zu haben und die Freizeit genießen zu können. Gemeinsam am Rhein spazieren gehen zu können und in der Stadtmitte Kaffee zu trinken, wäre toll. Außerdem möchte sie sich zur Madricha ausbilden lassen und das Abitur bestehen.

»Während des Lockdowns ging es mir ganz okay«, sagt die 15-jährige Thalia. Aber sie kenne auch die lustlosen, eintönigen Tage, an denen man nicht so viel zustande bringt. »Und abends musste ich mich schließlich zusammennehmen und Hausaufgaben machen, das war nicht so toll.« Ihr fehlte auch das regelmäßige Training, denn vor Corona nahm sie mehrmals die Woche Ballettstunden und hatte gerade mit Hip-Hop und Lateinamerikanischen Tänzen angefangen. Doch die letzte Stunde liegt fast 16 Monate zurück. Sie habe sich zu Hause mit Übungen fit gehalten, Musik ausgesucht und eigene kleine Choreografien entwickelt, die sie ihrer Familie präsentierte. Außerdem habe sie sich viel mit ihrer besten Freundin getroffen, um gemeinsam skaten zu gehen.

Präsenzunterricht In den nächsten Tagen wird nun für sie alles besser, da in Düsseldorf viele Einrichtungen öffnen und die Schulen wieder in den Präsenzunterricht wechseln. Sie hofft, bald einmal wieder ins Kino oder ins Freibad gehen zu können und sich mit Freunden zu verabreden. Mit ihrer Familie wird sie auch verreisen, aber nur in ein Land, das mit dem Auto zu erreichen ist.

Auch Nachumi Rosenblatt, Leiter des Jugendreferats der ZWST, hat derzeit viel zu tun. »Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir in der Lage sind, Sommermachanot – wenn auch unter Einschränkungen – durchführen zu können. Wir haben uns auch dieses Jahr dagegen entschieden, ins Ausland zu gehen. Um so vielen Kindern und Jugendlichen wie möglich eine Teilnahme zu gewähren, haben wir für die Zwölf bis 18-Jährigen eine große Anlage in der Eifel gemietet.« Die jüngeren Kinder treffen sich in Bad Sobernheim. Die alte Normalität rückt näher. Endlich.

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