Stuttgart

Kein Kaddisch am Grab

Einsam am Grab Foto: Rolf Walter

Stuttgart

Kein Kaddisch am Grab

Derzeit finden Beerdigungen unter ganz besonderen Bedingungen statt

von Brigitte Jähnigen  23.04.2020 11:03 Uhr

In einer Mitteilung vom 2. April hatte das Kultusministerium Baden-Württemberg die Corona-Bestimmungen bei Trauerfeiern aktualisiert. Nun durften nur noch fünf statt bisher zehn Angehörige am Grab Abschied nehmen. Auf jeden Fall durften Verwandte in direkter Linie, also Eltern, Großeltern, Kinder und Enkelkinder, bei einer Beerdigung dabei sein.

Am 17. April wurde erneut aktualisiert: Auch Menschen, die in häuslicher Gemeinschaft mit den Verwandten leben, sowie deren Partner dürfen an einer Beerdigung teilnehmen. Doch machen einzelne Kommunen Vorgaben.

Die Bestatter müssen Teilnehmerlisten anfordern, auf denen der Verandtschaftsgrad vermerkt ist.

Die Mitglieder der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) leben jedoch nicht nur in Stuttgart, sondern unter anderem in Esslingen, Heilbronn und Ulm. Um einen Missbrauch der Regelungen auszuschalten, müssen die Bestatter Teilnehmerlisten anfordern, auf denen der Verwandtschaftsgrad vermerkt ist.

Hinterbliebene Egal, ob fünf oder zehn oder eine andere Zahl (»der Kreis kann erweitert werden«, heißt es in den Bestimmungen) – für Rabbiner Yehuda Pushkin sind die Bedingungen »ganz schrecklich«. Kommt nämlich kein Minjan zusammen, könne kein Kaddisch gesprochen werden. Natürlich lässt sich das Kaddisch nachholen, doch das sei vor allem gefühlsmäßig eine andere Ebene für die Hinterbliebenen.

Auch das Abstandhalten sei für die Teilnehmer einer Beerdigung schwierig. Üblicherweise umarme man einander, schenke Nähe, tröste einander, das sei jetzt nicht möglich. »Die Beerdigungen sehen ein bisschen kalt aus«, sagt der Rabbiner. Eigentlich schaufeln die Verwandten und Freunde Erde in das Grab. »Jetzt wird es maschinell gemacht, in wenigen Minuten ist das Grab zu, und die Hinterbliebenen stehen 20 Meter entfernt«, berichtet Rabbiner Pushkin.

Die Trostworte sollen bei Bestattungen in diesen Wochen so kurz wie möglich sein.

Rituelle Waschungen seien jedoch möglich. »Nur in einem Corona-Fall findet keine Tahara statt«, sagt der Rabbiner. »So kurz wie möglich« sei die gesamte Beerdigungszeremonie zu halten, die Halle darf nicht benutzt, alles muss »unter freiem Himmel« stattfinden.

Die Trostworte sollen so kurz wie möglich sein. »Wir beziehen uns bei der Rede immer auf die Situation des Verstorbenen, jetzt führen wir die Vorabgespräche übers Telefon«, erklärt der Rabbiner. Kopf und Herz müssten in dieser Situation »umstrukturiert« werden. »Unbegreiflich« scheint ihm, wenn ein alter Mensch allein Schiwe sitzen muss. »Niemand kommt und bringt Trost.«

Schiwe »Die Regeln für Schiwe sind unumstößlich. Sie gelten für einen Premierminister genauso wie für einen Herzchirurgen«, schreibt die Psychologin Esther Goshen-Gottstein. Dass ihre Religion, so Goshen-Gottstein, ihr dieses Ritual gebe, schätze sie hoch. Denn der Trauernde müsse herausfinden, was seine neue Identität als Hinterbliebener bedeute. Verlust und Trauer ohne Trost können in eine psychische Katastrophe führen. »Wir können nur betonen, dass wir für die Leute da sind«, sagt Rabbiner Pushkin.

Thüringen

Jüdisches Kulturfest will Haifa stärker einbeziehen

Beide Städte pflegen seit dem Jahr 2005 eine offizielle Städtepartnerschaft

 17.07.2025

75 Jahre Zentralrat

Zentralratspräsident: Zusammenlegung von jüdischen Gemeinden »schmerzlich«, aber denkbar

Zu wenig engagierter Nachwuchs und mögliche Zusammenschlüsse von jüdischen Gemeinden - so sieht die Lage laut Zentralrat der Juden derzeit aus. Präsident Schuster äußert sich auch zur Rabbinerausbildung in Potsdam

von Leticia Witte  17.07.2025

Stuttgart

Geige, Cello, Kickboxen

Die Musikerinnen Taisia und Elina über den Karl-Adler-Wettbewerb, Spaß und eigene Stücke

von Christine Schmitt  16.07.2025

Jiddisch

Der unerfüllte Traum

Im Rahmen der Scholem-Alejchem-Vortragsreihe sprach der Judaist Gennady Estraikh über die Geschichte von Birobidschan

von Nora Niemann  16.07.2025

München

»Unsere jüdische Bavaria«

80 Jahre Israelitische Kultusgemeinde München und 40 Jahre Präsidentschaft von Charlotte Knobloch: Am Dienstagabend wurde das Doppeljubiläum mit einem Festakt gefeiert. Für einen scharfzüngigen Höhepunkt sorgte der Publizist Michel Friedman

von Christiane Ried  16.07.2025

München

»Ich habe größten Respekt vor dieser Leistung«

Zum 40-jährigen Dienstjubiläum von Charlotte Knobloch wird sie von Zentralratspräsident Josef Schuster geehrt

 16.07.2025

Porträt der Woche

»Musik war meine Therapie«

Hagar Sharvit konnte durch Singen ihre Schüchternheit überwinden

von Alicia Rust  15.07.2025

Berlin

Gericht vertagt Verhandlung über Lahav Shapiras Klage gegen Freie Universität

Warum die Anwältin des jüdischen Studenten die Entscheidung der Richter trotzdem als großen Erfolg wertet. Die Hintergründe

 15.07.2025 Aktualisiert

Andenken

Berliner SPD: Straße oder Platz nach Margot Friedländer benennen

Margot Friedländer gehörte zu den bekanntesten Zeitzeugen der Verbrechen der Nationalsozialisten. Für ihr unermüdliches Wirken will die Berliner SPD die im Mai gestorbene Holocaust-Überlebende nun sichtbar ehren

 15.07.2025