Berlin

Kardinal Marx bekräftigt Solidarität mit Juden

NRW-Ministerpräsident Laschet, Zentralratspräsident Schuster, Kardinal Marx, Moderatorin Bieritz und Rabbiner Soussan (v.l.) Foto: Marco Limberg

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat die gemeinsame Sorge von Christen und Juden angesichts des neuen Antisemitismus bekräftigt. »Christen und Juden werden sich niemals wieder voneinander trennen«, betonte der Erzbischof von München und Freising am Sonntagabend in der Katholischen Akademie in Berlin.

Zugleich zeigte er sich »immer wieder überrascht über das Unwissen in den eigenen Reihen«. Deshalb müssten sich die Christen immer wieder neu befragen im Hinblick auf die »religiöse Komponente« des Antisemitismus, den jahrhundertelangen Antijudaismus in der Kirche. In der Ausbildung etwa von Priestern und Religionslehrern müssten diese Themen angemessen behandelt werden.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Marx äußerte sich bei einer ersten gemeinsamen öffentlichen Podiumsdiskussion der Deutschen Bischofskonferenz und der Orthodoxen Rabbinerkonferenz. »Ich bin in großer Sorge, weil ich unsere Gesellschaft erlebe, in der es immer mehr ›closed shops‹, Blogs und Ideologien von Menschen gibt, die sich nicht belehren lassen, die sich in Verschwörungstheorien ergehen und rasch einen Resonanzboden für dumpfe Parolen des Antisemitismus finden«, so Marx.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte, der Anschlag auf die Synagoge von Halle habe in der jüdischen Gemeinschaft zu Unsicherheit geführt. In Deutschland seien inzwischen antisemitische Äußerungen möglich geworden, die es vor einigen Jahren noch nicht gegeben habe. »Das ist ein Verschieben von roten Linien«, so Schuster.

ZIVILCOURAGE Zugleich wertete er es als hoffnungsvolles Zeichen, dass er noch nie so viele Solidaritätsbekundungen erhalten habe wie in den vergangenen Wochen. »Was wir brauchen, ist sehr kostengünstig zu haben: Wir brauchen Zivilcourage eines jeden Einzelnen. Zivilcourage kann unser Land verändern. Dann wäre eine Menge erreicht.«

»Christen und Juden werden sich niemals wieder voneinander trennen«, betonte Kardinal Marx.

Nach Auffassung des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) war der Antisemitismus in Deutschland nach 1945 »nie verschwunden« und habe sich in dieser Zeit nur unterschiedlich artikuliert. Deshalb müsse auch der Kampf gegen den Antisemitismus »in jeder neuen Generation bei Null beginnen«.

Heute müssten etwa die Kinder mit »Zuwanderungsgeschichte«, die einen großen Teil der jungen Generation bildeten, anders angesprochen werden als früher die Nachkommen der deutschen Nationalsozialisten, so der Ministerpräsident unter Hinweis auf eine Gruppe junger Muslime, die er auf einer Reise nach Auschwitz begleitet habe.

Die Antisemitismusbeauftragte der Europäischen Kommission, Katharina von Schnurbein, sprach mit Blick auf den Anschlag von Halle von einer »perfiden Strategie« des Täters. Künftig werde immer am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur an dieses Attentat erinnert werden.

Unter großem Beifall konnte Schuster die junge Frau darauf aufmerksam machen, dass Soussan ebenso wie er selbst deutscher und nicht etwa israelischer Staatsbürger sei.

ISRAEL Der kirchliche Antijudaismus ist allenfalls ein Zweig des heutigen Antisemitismus, worauf der Frankfurter Rabbiner Julian Chaim Soussan hinwies. Er griff das Bild vom Virus auf, das immer wieder in veränderter Form auftrete. In der Gegenwart sei etwa ein Israel-bezogener Antisemitismus verbreitet: Von einer legitimen Kritik an der Politik Israels unterscheide sich dieser durch Doppelstandards (heftigere Kritik an Israel als an anderen Ländern) sowie die Delegitimierung und Dämonisierung des jüdischen Staates.

Was sogleich in der Diskussion zur Wortmeldung einer jungen Frau führte, die sich dagegen verwahrte, als Antisemitin zu gelten, wenn sie »als Christin« Israel kritisiere. An Soussan gerichtet meinte sie weiter, auch er müsse doch Kritik an den Verhältnissen »in Ihrem Land« als legitim erachten. Unter großem Beifall konnte Schuster sie darauf aufmerksam machen, dass Soussan ebenso wie er selbst deutscher und nicht etwa israelischer Staatsbürger sei.

Einnoch größeres Problem als Wortmeldungen dieser Art stellen nach Ansicht Soussans auch diejenigen dar, die die Grenzen des Sagbaren bewusst ausloten und überschreiten - wie die rechtsextreme Partei »Die Rechte«, die im Europa-Wahlkampf mit dem Slogan »Israel ist unser Unglück« provozierte und das ohne strafrechtliche Folgen. Wenn sich in der Vergangenheit manche nicht getraut hätten, zu sagen was sie denken, so der Rabbiner, »war mir das viel lieber, als wenn man sich heute traut«.  ja/kna/dpa

Lesen Sie mehr über dieses Thema in unserer Ausgabe am Donnerstag.

Kompakt

SchUM, Haifa, WhatsApp

Kurzmeldungen aus den Gemeinden

 27.07.2025

Düsseldorf

27. Juli 2000, 15.04 Uhr

Bei einem Rohrbombenanschlag am S-Bahnhof Wehrhahn wurden zehn Menschen teils schwer verletzt, ein ungeborenes Kind getötet. Der Angeklagte wurde freigesprochen. Auch nach 25 Jahren bleiben Ohnmacht und Sprachlosigkeit

von Katrin Richter  27.07.2025

Erziehung

Es ist schön, jüdisch zu sein!

Wie wir unsere Kinder gerade in schwierigen Zeiten in ihrer Identität bestärken können

von Daniela Fabian  25.07.2025

Portrait der Woche

Städte, die bleiben

Josef l. Ronel ist Architekt und malt Erinnerungen an Orte, an denen er nie war

von Katrin Diehl  24.07.2025

Judith Kessler

Die Geschichtenjägerin

Viele Jahrzehnte war Judith Kessler Redakteurin beim »jüdischen berlin«, hat Menschen zusammengebracht, vergessene Storys recherchiert. Jetzt geht sie in Rente – und hat eine neue Mission

von Christine Schmitt  24.07.2025

Meinung

Rothenburgs jüdische Geschichte ist in Gefahr

In dem bayerischen Ort wurde die mittelalterliche Synagoge freigelegt – und soll nun wieder zugeschüttet werden. Ein skandalöser Umgang mit dem historisch bedeutenden Ort

von Johannes Heil  24.07.2025

Hamburg

Schule als Zufluchtsort

Die neue Dauerausstellung »Jüdische Kinderwelten« zeigt den Alltag und die Ausgrenzung von Mädchen

von Heike Linde-Lembke  24.07.2025

Interview

»Viele queere Räume sind für uns mittlerweile verschlossen«

Ariel Elbert über die Pride Shabbatot von Keshet Deutschland, Hamas-Glorifizierung in der LGBTIQ-Szene und die schwierige Situation queerer Jüdinnen und Juden

von Joshua Schultheis  23.07.2025

Porträt der Woche

Die Sprachlehrerin

Julia Steinberg arbeitete als Dolmetscherin vor Gericht, heute unterrichtet sie Deutsch

von Gerhard Haase-Hindenberg  22.07.2025