München

Jiddisch contra Hebräisch

Zwei Historiker, eine Mameloschn: David Fishman (l.) und Michael Brenner Foto: P. J. Blumenthal

»Yidish kegn hebreish: Der riv haleshoynes baym mizrekh-eyropeishn yidntum« – wer diesen Titel auf Anhieb versteht, beherrscht nicht nur Jiddisch, sondern auch die Schreibweise des YIVO-Instituts in New York, die sich an der englischen Phonetik orientiert.

Der Referent, der auf Einladung des Lehrstuhls für Jüdische Geschichte und Kultur sowie des IKG-Kulturzentrums die Scholem Alechem Lecture übernahm, hat mit beidem kein Problem: David Fishman, gebürtiger New Yorker, studierte an der Yeshiva University und promovierte in Harvard. Seine Lehrtätigkeit führte ihn an die Brandeis University in Massachusetts und nach Ramat Gan an die Bar-Ilan-Universität. Im Rahmen seines »Judaica-Projekts« zur Bewahrung jüdischer Kultur führte ihn sein Weg auch mehrfach an die Staatliche Universität Moskau.

tateloschn Wie Gastgeber und Historikerkollege Michael Brenner in seinem Grußwort hervorhob, hat Fishman sich auch als Herausgeber der Jiddisch-Fachpublikation »YIVO-Bleter« einen Namen gemacht. Die Jiddisch-Lektorin Evita Wiecki hatte bereits darauf hingewiesen, dass »Jiidisch sajn mame- un tateloschn« (seine Mutter- und Vatersprache) sei, und zwar von Kindesbeinen an. Wie Fishman wohnten damals etliche jüdische Einwanderer in der Bronx.

Fishman war also wahrlich ein idealer Referent, um zum Thema »Jiddisch contra Hebräisch: Der Sprachenkampf unter den Juden Osteuropas« auf Jiddisch zu referieren. Aber auch der Vortragsort passte zu Fishmans Ausführungen. München war in den ersten Nachkriegsjahren das Zentrum der »Scherit hapleita«. In den Jahren 1945 bis 1950 seien hier allein 26 jiddische Zeitungen und Journale erschienen, erklärte der Historiker. Zwei inzwischen hochbetagte Zeitzeugen, die jetzt in New York leben, haben Fishman von diesen Jahren der »melchume« (Nachkriegszeit) erzählt: die Schauspielerin Nina Rogoff, die im »MJT«, dem Münchner Jiddischen Theater, und damit auch in den umliegenden DP-Lagern auftrat, und dem Ex-Wilnaer Mishe Minkovitsh, der in München heiratete.

»Ich kenn nit kajn dajtsch«, behauptete Fishman, der derzeit am Jewish Theological Seminary in New York unterrichtet, aber sein »litwisch« geprägtes Jiddisch war für die Zuhörer ein Genuss. Und der Inhalt seines Vortrags erwies sich als intellektuelle Bereicherung. Ging es doch darum, wie sich im Sprachenkampf zwischen den Anhängern des Jiddischen und des Hebräischen besondere Eigenschaften und Werte widerspiegelten, die ihre Nutzer vor 100 bis 120 Jahren diesen beiden Sprachen zuschrieben.

Hierarchie Eine bedeutende Rolle beim Sprachenkampf spielte zudem die russische Gesetzgebung. Jahrhundertelang habe eine »innere Zweisprachigkeit« mit klarer Hierarchie geherrscht: »Hebräisch war die heilige Sprache mit hohem Prestige. Jiddisch hatte einen niedrigeren, aber legitimen heimisch-vertrauten Status« und diente als Alltagssprache.

Die Haskala, die Ende des 18. Jahrhunderts begann, strebte eine hebräisch-deutsche und im Zarenreich eine hebräisch-russische Zweisprachigkeit an. Jiddisch wurde nur in Schriften geduldet, die »Licht zu den dunklen bedauernswerten Massen« bringen sollten. Heftiger als die innerjüdische Ablehnung – Mendele Mojcher Sforimdurchbrach diesen Kodex und wurde zum »Großvater der modernen jiddischen Literatur« – wütete die zaristische Zensur, die nur Russisch zulassen wollte. Die Pogrome von 1881/82 führten zu einem innerjüdischen Wandel. Die neue Lage spiegelt sich in einem Satz von Yoysef Lerner wider: »Wi lang der jid hot lib jidden, wed er ojch lib hobn jiddisch« – »Solange der Jude Juden mag, wird er auch Jiddisch mögen. Wer kann sich von seinem unglücklichen, gefallenen Volk abwenden?«

Einige Tage nach der Veranstaltung hat sich Michael Brenner übrigens auf den Weg nach Amerika gemacht. Er wird dort in den nächsten eineinhalb Jahren einen Lehrstuhl für »Israel-Studien« aufbauen. An seiner Stelle leitet der Historiker Alan Steinweis den Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur in München.

Hanau

Jüdische Gemeinde feiert Jubiläum

»Im Grunde genommen ist es mit das Größte und Schönste, was eine Gemeinde machen kann: eine neue Torarolle nach Hause zu bringen«, sagt Gemeinde-Geschäftsführer Oliver Dainow

 25.04.2025

Begegnung

Raum für das Unvergessene

Jede Woche treffen sich Schoa-Überlebende im Münchner »Café Zelig«, um Gemeinschaft zu finden im Schatten der Geschichte. Ein Ortsbesuch

von Katrin Diehl  23.04.2025

Interview

»Das Gedenken für Jugendliche greifbar machen«

Kurator Pascal Johanssen zur neuen Ausstellung im ehemaligen Jüdischen Waisenhaus in Pankow

von Gerhard Haase-Hindenberg  21.04.2025

Porträt der Woche

Austausch mit Gleichen

Maria Schubert ist Gemeindesekretärin in Magdeburg und tanzt gern

von Alicia Rust  18.04.2025

Feiertage

Hymne auf die Freiheit

Der Alexander-Moksel-Kindergarten führte im Gemeindezentrum ein Pessach-Musical auf

von Vivian Rosen  17.04.2025

Berlin

Mazze als Mizwa

Das Projekt »Mitzvah Day« unterstützt die Berliner Tafel mit einer Lebensmittel-Spende

von Katrin Richter  17.04.2025

Berlin

Berlin: Gericht bestätigt fristlose Kündigung von Rabbiner

Das Berliner Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung eines Rabbiners wegen sexueller Belästigung eines weiblichen Gemeindemitglieds bestätigt

 16.04.2025

Jewrovision

»Schmetterlinge im Bauch«

Nur stilles Wasser trinken, noch einmal gut essen, dann geht es auf die Bühne. Die Moderatoren Masha und Gregor verraten, wie sie sich vorbereiten und mit dem Lampenfieber umgehen

von Christine Schmitt  16.04.2025

München

Hand in Hand

Ein generationsübergreifendes Social-Media-Projekt erinnert an das Schicksal von Schoa-Überlebenden – Bayern-Torwart Daniel Peretz und Charlotte Knobloch beteiligen sich

von Luis Gruhler  15.04.2025