Fünf Minuten mit

Jan Mühlstein

Vor Kurzem wurde in Hannover die Tanzgruppe der Liberalen Jüdischen Gemeinde antisemitisch beschimpft und mit Steinen beworfen. Ist das eine neue Qualität des Antisemitismus?
Steinwürfe und »Juden-raus-Rufe« bei einem Stadtteilfest sind ein neuer Tiefpunkt. Von Qualität möchte ich nicht sprechen. Besonders schlimm finde ich, dass hier Menschen angegriffen wurden, die als jüdische Zuwanderer aus der früheren UdSSR hier Schutz vor Antisemitismus gesucht haben und nun zutiefst verunsichert sind.

Wie ist das Verhältnis zwischen Juden und Muslimen?
Die Liberale Jüdische Gemeinde Hannover beteiligt sich vor Ort intensiv am interkulturellen und interreligiösen Dialog und hat gute Kontakte zu den muslimischen Organisationen, deren Vertreter zum Beispiel auch selbstverständlich zur Synagogeneinweihung eingeladen waren. Die Erfahrung des friedlichen Miteinanders erreicht aber offensichtlich Teile der muslimischen Gemeinschaft nicht.

Wird islamischer Antisemitismus zu oft als »Israelkritik« abgetan ?
Die zunehmend aggressive Israelkritik bildet jedenfalls den Windschatten, in dem sich der Antisemitismus eines Teiles der islamischen Gemeinschaft bewegt. Ich möchte nicht missverstanden werden: Die überwiegende Zahl der Israelkritiker – auch die, deren Argumente ich für gänzlich falsch halte – sind keine Antisemiten. Sie sollten aber künftig mehr darauf achten, mit wem sie auf die Straße gehen. Wer mit Symphatisanten der Hamas demonstriert, sollte wissen, dass das Hamas-Programm die schlimmsten antisemitischen Vorurteile der Nazis enthält. Rechtsextremen Antisemitismus würde man auch nicht durch den Nahostkonflikt entschuldigen.

Wie kann muslimischer Judenfeindschaft entgegengewirkt werden?
Sowohl mit Hilfe des Strafrechts als auch durch Bildung und Aufklärung. Dabei kommt es auf die islamischen Gruppen und Verbände an, die sich nicht nur verbal vom Antisemitismus abgrenzen müssen.

Sollten Gemeinden Stadtfeste meiden?
Wir dürfen uns nicht durch Antisemiten aus der Öffentlichkeit drängen lassen. Sinnvoll ist es, mit Veranstaltern vorab zu klären, wie auf Pöbeleien oder Angriffe reagiert wird, wer übt wie das Hausrecht aus, wer ruft die Polizei? Wir dürfen auch das Positive nicht übersehen: Die Liberale Jüdische Gemeinde Hannover hat eine Welle von Sympathiebekundungen erreicht, auch von muslimischen Organisationen.

Mit dem Vorsitzenden der Union Progressiver Juden sprach Katrin Richter.

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Keiner hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025

Vertrag

Jüdische Gemeinde Frankfurt erhält mehr Gelder

Die Zuwendungen durch die Mainmetropole sollen bis 2031 auf 8,2 Millionen Euro steigen

von Ralf Balke  11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025

Hannover

Ministerium erinnert an 1938 zerstörte Synagoge

Die 1938 zerstörte Neue Synagoge war einst mit 1.100 Plätzen das Zentrum des jüdischen Lebens in Hannover. Heute befindet sich an dem Ort das niedersächsische Wissenschaftsministerium, das nun mit Stelen an die Geschichte des Ortes erinnert

 10.11.2025

Chidon Hatanach

»Wie schreibt man noch mal ›Kikayon‹?«

Keren Lisowski hat die deutsche Runde des Bibelquiz gewonnen. Jetzt träumt sie vom Finale in Israel

von Mascha Malburg  10.11.2025