Frankfurt

Ist die EU eine jüdische Idee?

Diskutanten am sechsten Abend der Gesprächsreihe »Jüdisch-Politisches Lehrhaus«

Sie beginne mit einer steilen These, warnte Elisa Klapheck. Die europäischen Werte stünden in einem inneren Zusammenhang zur jüdischen Tradition, meint die Rabbinerin des Egalitären Minjans in Frankfurt und sieht Parallelen zwischen dem im Buch Exodus beschriebenen Weg von der Unfreiheit zur Freiheit und dem Weg aus Nationalsozialismus und Schoa in die Europäischen Union.

Gesprächsreihe Ihre These trug Klapheck zum Auftakt der Veranstaltung »Ist die EU ein ›Bund‹?« im Museum Judengasse vor. Es war der sechste Abend der Gesprächsreihe »Jüdisch-Politisches Lehrhaus«. Mit der Rabbinerin diskutierten Dalia Grinfeld vom Berliner Büro der Anti-Defamation League und ehemals Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD), und Laura Cazés, Referentin der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST).

Das Gespräch orientierte sich nicht durchgehend an der politisch-philosophischen Ausgangsfrage. Immer wieder brachten Grinfeld, Cazés und Klapheck auch persönliche Perspektiven ein. »Eine jüdische Europäerin bin ich auf alle Fälle«, betonte Dalia Grinfeld. Gleichwohl falle es ihr schwer zu benennen, was ein europäi­sches Judentum im religiösen Sinne sei.

Feminismus Mit Laura Cazés sprach Elisa Klapheck zunächst über Feminismus. »Ich bin Jüdin und Feministin«, sagte Cazés. Feminismus und jüdische Tradition passten nicht immer zusammen, gab sie zu bedenken. Klapheck entgegnete: »Für mich gibt es einen jüdischen Feminismus.« Am Berg Sinai seien emanzipatorische Prinzipien mitgegeben worden, erläuterte die Rabbinerin.

Ein Bestandteil der etwa zweistündigen Veranstaltung war die gemeinsame Lektüre eines Handouts. Es vertiefte die Frage nach der Aktualität des biblischen Bundes und der jüdisch-politischen Tradition anhand religiöser und säkularer Schriften. Torazitate belegten unterschiedliche Aspekte des Bundes: seine demokratische Seite, die Überwindung der Stämme und Stände sowie Wandel und Emanzipation. Zudem zeigte das Papier auf, wie der Bund aus dem Buch Exodus spätere Gesellschaftsverträge und demokratische Verfassungen beeinflusste.

Widerspruch Elisa Klap­hecks Thesen blieben auch im weiteren Verlauf des Abends nicht unwidersprochen. »Ich glaube nicht, dass die EU eine jüdische Idee ist«, sagte Dalia Grinfeld. Sie verwies darauf, dass die Europäische Gemeinschaft als wirtschaftlicher Verbund begann. Laura Cazés bemerkte, dass sich noch immer keine gemeinsame europäische Identität entwickelt habe. Dalia Grinfeld stimmte ihr später zu.

Für allgemeines Schmunzeln sorgte Klap­hecks auf den Brexit bezogene Bemerkung, dass es aus dem biblischen Bund keinen Ausstieg gebe. Nun konnte auch das Publikum mitdiskutieren. Eine Besucherfrage nach der Rolle der östlichen EU-Mitgliedsländer beantwortete Elisa Klapheck mit einem engagierten Plädoyer, Osteuropa trotz aktueller Entwicklungen nicht fallen zu lassen.

Auf einen weiteren Einwurf aus dem Pub­likum reagierte die Rabbinerin mit Überlegungen zu Europa, die man als Quintessenz der Veranstaltung sehen könnte. Die EU sei zu technokratisch, bedauerte Klapheck. Sie resümierte: »Es fehlt Pathos, es fehlt der religiöse Glaube an den Bund.«

Esslingen

Antike Graffiti

Der Künstler Tuvia ben Avraham beschreibt das Judentum anhand uralter Buchstaben – und jeder darf mitmachen

von Valentin Schmid  09.12.2024

Berlin

Campus mit Kita und Café

Noch bis zum 10. Dezember können Architekten ihre Entwürfe für den Neubau an der Synagoge Fraenkelufer einreichen

von Christine Schmitt  09.12.2024

München

Mit Erfahrung zum Erfolg

Die Spieler des Schachklubs der IKG gehören zu den stärksten in Bayern – allen voran Leonid Volshanik

von Vivian Rosen  09.12.2024

Bundestag

Zentralrat der Juden schlägt Maßnahmen für Schutz jüdischen Lebens vor

Was der jüdische Dachverband von den Parteien mit Blick auf die Neuwahlen erwartet

 09.12.2024

Frankfurt

»Voll akzeptiert in der Gemeinde«

Rabbinerin Elisa Klapheck über das Jubiläum des Egalitären Minjans und das Konzept »Alle unter einem Dach«

von Ralf Balke  07.12.2024

Interview

»Damit ihr Schicksal nicht vergessen wird«

Die Schauspielerin Uschi Glas setzt sich für die Befreiung der israelischen Geiseln ein. Ein Gespräch über Menschlichkeit, Solidarität und Gegenwind

von Louis Lewitan  07.12.2024

Bedrohung

Wehrt euch!

Wie kann es sein, dass Juden wieder in Angst leben müssen? Wie kann es sein, dass Kippa zu tragen, gefährlich ist, während die Kufiya zum Fashion-Icon für Pseudo-Wokies wird? Ein Aufschrei

von Yaron Jacobs  07.12.2024

München-Schwabing

Ein Stück Hoffnung

Die Synagoge Shaʼarei Zion in der Georgenstraße erhielt eine neue Torarolle

von Luis Gruhler  07.12.2024

Porträt der Woche

Beamtin aus Leidenschaft

Diana Goldschmidt aus Hannover entdeckte als Schülerin ihr Interesse für öffentliche Aufgaben

von Gerhard Haase-Hindenberg  07.12.2024