Sharon Adler

»In den Medien spielten Frauen kaum eine Rolle«

Die Journalistin und Fotografin Sharon Adler Foto: Mara Noomi Adler

Sharon Adler

»In den Medien spielten Frauen kaum eine Rolle«

Die Journalistin über 20 Jahre AVIVA, jüdische Feministinnen und die Diskriminierung von Frauen

von Till Schmidt  13.02.2020 15:01 Uhr

Frau Adler, vor 20 Jahren haben Sie AVIVA-Berlin gegründet. Wie kam es dazu?
Mir fiel auf, dass in den regionalen und überregionalen Medien, die ich damals las, Frauen und ihre Arbeit nur unzureichend vertreten waren. In feministischen Medien hingegen spielten jüdische Frauen kaum eine Rolle. Das wollte ich ändern – und habe 1999, als alleinerziehende Mutter mit einer zweieinhalbjährigen Tochter, angefangen, AVIVA aufzubauen, mithilfe eines ExistenzgründerInnendarlehens der Investitionsbank Berlin.

Warum fiel Ihre Wahl auf das Internet?
Dass AVIVA keine Print-Zeitschrift wurde, lag auch daran, dass ich die »Neuen Medien« aktiv mitgestalten wollte, auch wenn es damals noch wesentlich schwieriger und teurer als heute war, eine Website zu programmieren und zu betreiben. Gleichzeitig war auffällig, dass auch im Internet Frauen unterirdisch wenig sichtbar und aktiv waren. Letzteres kannte ich schon aus meinem Ausbildungsberuf, der Fotografie: Technisches wurde – und wird ja heute immer noch – sehr stark mit Männern in Verbindung gebracht. Am 1. Februar 2000 ging die Seite AVIVA-Berlin dann online.

Was hat sich seitdem verändert?
Die feministische Grundhaltung ist geblieben. Denn die ist heute genauso notwendig wie vor 20 Jahren. In der Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen sind Frauen – im Vergleich zu den Männern – nach wie vor unterrepräsentiert und unterbezahlt. AVIVA ist in den vergangenen 20 Jahren gewachsen, und heute kann ich auf ein kleines feines Netzwerk von freien Schreibenden zurückgreifen. Ich bin jedoch nach wie vor die einzige feste Redakteurin.

Ein AVIVA-Fokus liegt auf der Literatur.
Allerdings, wobei wir auch viel zum Thema Film oder Veranstaltungshinweise in Berlin publizieren. Wir veröffentlichen auch deshalb so viele Buchrezensionen, weil Werke von Frauen in anderen Medien viel zu wenig besprochen werden – mit der Folge, dass Frauen weniger häufig Literaturpreise gewinnen und ihnen dadurch tendenziell weniger Geld für die weitere literarische Arbeit zur Verfügung steht. Im Rahmen des AVIVA-Jubiläums widmet sich eine ganze Veranstaltungsreihe der Unsichtbarkeit von Frauen in der Literatur.

Was genau planen Sie?
Mit Autorinnen und Fachfrauen diskutieren wir die Produktionsbedingungen und inhaltlichen Herausforderungen für Frauen im Literaturbetrieb. Die Themen reichen vom journalistischen Umgang mit Rechtspopulismus über die Situation von feministischen Verlagen in Deutschland bis hin zu Exilliteratur, wo wir der Frage nachgehen werden, was es für Frauen früher wie heute bedeutet, ihre Sprachheimat zu verlassen und im Exil zu schreiben. Wir möchten mit unserer Veranstaltungsreihe auch junge Leute und Fachkräfte wie Pädagoginnen für unsere Themen und Diskussionen sensibilisieren.

Wie schätzen Sie die Inklusion und Repräsentation von Jüdinnen im deutschen Feminismus ein?
Lange Zeit war die Inklusion von Jüdinnen im deutschen Feminismus kein Thema. Die 68er-Frauenbewegung etwa hat kaum Interesse gezeigt an der jüdischen Identität ihrer Mitstreiterinnen, und auch zur israelischen Frauenbewegung gab es kaum Kontakte. Inzwischen beobachte ich aber eine langsame Öffnung. Mich irritiert und brüskiert allerdings, dass viele nichtjüdische Frauen unsere jüdischen Identitäten sehr häufig auf die Schoa reduzieren. Zudem gibt es gleichzeitig auch seitens der Feministinnen sehr wenig Interesse daran, sich mit der eigenen Familienbiografie während des Nationalsozialismus zu beschäftigen. Dabei sollte nicht bei den Vätern und Großvätern haltgemacht werden, denn auch Frauen waren beteiligt. Ich wünsche mir also mehr Sensibilität, aber auch mehr Normalität. Es gab und gibt genügend Jüdinnen, etwa im deutschen Kulturbetrieb, über deren Arbeit es sich zu berichten und zu diskutieren lohnt.

Mit der AVIVA-Chefin sprach Till Schmidt.

Auszeichnung

Strack-Zimmermann erhält Janusz-Korczak-Preis für Menschlichkeit

Die FDP-Politikerin wird für ihre klaren Worte und ihr entschlossenes Handeln angesichts globaler Krisen geehrt

 29.06.2025

Erfurt

Ende eines Krimis

Seine Entdeckung gilt als archäologisches Wunder: Mehr als 25 Jahre nach dem Fund des Erfurter Schatzes sind vier weitere Stücke aufgetaucht

von Esther Goldberg  29.06.2025

Porträt der Woche

Heilsame Klänge

Nelly Golzmann hilft als Musiktherapeutin an Demenz erkrankten Menschen

von Alicia Rust  29.06.2025

Interview

»Wir erleben einen doppelten Ausschluss«

Sie gelten nach dem Religionsgesetz nicht als jüdisch und erfahren dennoch Antisemitismus. Wie gehen Vaterjuden in Deutschland damit um? Ein Gespräch über Zugehörigkeit, Konversion und »jüdische Gene«

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  29.06.2025

Solidarität

»Sie haben uns ihr Heim und ihre Herzen geöffnet«

Noch immer gibt es keinen regulären Flugbetrieb nach Israel. Wir haben mit Israelis gesprochen, die in Deutschland gestrandet sind. Wie helfen ihnen die jüdischen Gemeinden vor Ort?

von Helmut Kuhn  26.06.2025

Meinung

Mannheim: Es werden bessere Tage kommen

Wegen Sicherheitsbedenken musste die jüdische Gemeinde ihre Teilnahme an der »Meile der Religionen« absagen. Die Juden der Stadt müssen die Hoffnung aber nicht aufgeben

von Amnon Seelig  25.06.2025

Frankfurt

Lust auf jüdisches Wissen

Die traditionsreiche Jeschurun-Religionsschule ist bereit für die Zukunft

von Eugen El  23.06.2025

Interview

»Jeder hilft jedem«

Eliya Kraus über schnelle Hilfe von »Zusammen Frankfurt« und mentale Unterstützung

von Katrin Richter  23.06.2025

Leipzig

Tausende Gäste bei Jüdischer Woche

Veranstalter waren die Stadt Leipzig in Kooperation mit dem Ariowitsch-Haus

 23.06.2025