Zentralrat

Im Amt bestätigt

Stets am letzten Sonntag im November kommt in Frankfurt am Main die Ratsversammlung des Zentralrats der Juden zusammen. In diesem Jahr stand bei der Tagung im Festsaal des Ignatz-Bubis-Gemeindezentrums die turnusmäßige Wahl des Präsidiums auf dem Programm. Der Ablauf ist etwas kompliziert: Erst wählen die Delegierten der Ratsversammlung drei Mitglieder, dann entscheidet das Direktorium, welche sechs Mitglieder in das neunköpfige Gremium entsandt werden.

Bei der Abstimmung der Ratsversammlung erhielt diesmal Zentralratspräsident Josef Schuster 79 der 88 abgegebenen Stimmen. Auch die Münchnerin Vera Szackamer wurde gewählt, ebenso wie Daniel Neumann aus Darmstadt, der erstmals kandidierte. Küf Kaufmann aus Leipzig verfehlte die nötige Stimmenzahl. Das Direktorium votierte anschließend für Mark Dainow (Offenbach), Abraham Lehrer (Köln), Harry Schnabel (Frankfurt), Bianca Nissim (Pforzheim), Barbara Traub (Stuttgart) und Grigory Rabinovich (Bochum).

Anschließend stimmte das Präsidium aus seiner Mitte über den Präsidenten und die zwei Vizepräsidenten ab: Josef Schuster, erstmals 2014 gewählt, 2018 im Amt bestätigt, erhielt dabei erneut das Votum. Auch seinen bisherigen Stellvertretern Mark Dainow und Abraham Lehrer wurde erneut das Vertrauen ausgesprochen.

amtszeit Nach seiner Wahl sagte Schuster: »In meiner dritten Amtszeit als Präsident möchte ich die positiven Elemente des Judentums in Deutschland stärker in den Vordergrund stellen. Wir wollen nicht immer nur moralischer Mahner sein, sondern Antworten auf die gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit finden und damit auch Begegnungen schaffen und Vorurteile abbauen.«

Im Zentrum stehe für ihn die Eröffnung der Jüdischen Akademie des Zentralrats in Frankfurt, die für das Frühjahr 2024 geplant ist. »Mir geht es auch darum, die Arbeit innerhalb der jüdischen Gemeinschaft stetig weiterzuentwickeln.«

Zuvor hatte Schuster bereits in seinem rund anderthalbstündigen Bericht die Ereignisse und Themen des vergangenen Jahres Revue passieren lassen – vom Gedenken am 27. Januar bis zur Ordinationsfeier des Rabbinerseminars zu Berlin am Montag vergangener Woche.

Überschattet wurde und wird das Jahr vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, in dessen Folge viele Menschen aus dem Kriegsgebiet in Deutschland Schutz suchen. In den jüdischen Gemeinden werden viele Flüchtlinge betreut. Schuster dankte ausdrücklich allen, die sich bei deren Aufnahme engagieren.

Antisemitismus Ausführlich widmete sich der Zentralratspräsident in seiner Rede auch den Vorgängen rund um die diesjährige documenta. Bereits früh habe er Sorgen und Bedenken zum Ausdruck gebracht. Aber nach der Eröffnung der Weltkunstausstellung in Kassel sei deutlich geworden, welche eindeutig klassisch antisemitischen Darstellungen, zudem noch staatlich gefördert, dort gezeigt wurden. Dies habe er sich in den kühnsten Albträumen nicht vorstellen können. Es sei »nicht nachvollziehbar und immer noch schockierend«, so Schuster.

Auch über den Stand der Bemühungen um Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersarmut unter jüdischen Zuwanderern informierte Schuster die Teilnehmer der Ratsversammlung. Da gehe es jetzt noch um die Beteiligung der Länder, der Bund habe bereits ganz aktuell entschieden, Mittel in Höhe von 500 Millionen in einem Fonds zur Abmilderung von Härtefällen bereitzustellen. Nur würden davon auch Spätaussiedler und ehemalige DDR-Bürger profitieren, so würden Berechtigte lediglich eine Einmalzahlung von 2500 Euro erhalten. »Das ist eine Summe, mit der wir nicht zufrieden sind«, machte Schuster klar. Er erwarte eine Aufstockung der Mittel.

In seinem Bericht nahm Schuster auch Stellung zu den Vorgängen am Abraham Geiger Kolleg.

In seinem Bericht nahm Schuster auch Stellung zu den Vorgängen am Abraham Geiger Kolleg. Er verwies nochmals auf die gegen Rabbiner Walter Homolka erhobenen Vorwürfe und deren Untersuchung durch eine vom Zentralrat beauftragte Anwaltskanzlei. Ein entsprechender Bericht soll Ende des Jahres vorliegen.

Schuster betonte, dass Rabbiner Homolka »unbestritten große Verdienste um das liberale Judentum in Deutschland« habe. Es gehe auch nicht darum, »dass der Zentralrat etwas gegen das liberale Judentum habe«, wie zu hören sei, es gebe auch keine Vorbehalte gegen Strukturen des liberalen Judentums. Allerdings brauche es hundertprozentige Transparenz, wenn mit öffentlichen Geldern gearbeitet werde.

Und es müssten auch, wenn es belegbare Hinweise auf Machtmissbrauch gebe, Konsequenzen gezogen werden. »Es braucht eine neue Struktur des Abraham Geiger Kollegs.« Eine Ausbildungsstätte für liberale Rabbiner werde gebraucht, sie sei wichtig, unterstrich Schuster. »Wir warten jetzt den Bericht ab, und dann sehen wir weiter.«

Haushalt Zur Ratsversammlung gehörte auch der Bericht des Prüfungsausschusses, die Entlastung für das Haushaltsjahr 2021 und die Beschlussfassung des Jahreshaushaltes 2023. Jacques Abramowicz empfahl für den Prüfungsausschuss die Entlastung für das Haushaltsjahr 2021. Zum Jahreshaushalt 2023 konnte Zentralratspräsident Schuster mitteilen, dass der Bund die jährlichen Mittel von 13 auf 22 Millionen erhöht hat.

Ebenfalls wurde eine Satzungsänderung in Bezug auf die Einführung einer neuen Gerichtsbarkeit für den Zentralrat beschlossen.
Gast der Ratsversammlung war diesmal der israelische Botschafter Ron Prosor. Er dankte den Repräsentanten der jüdischen Gemeinschaft für ihre Arbeit und die Unterstützung des Staates Israel.

Mit Blick auf den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland sprach er von einer Überschreitung roter Linien. Er rief dazu auf, diesem Trend gemeinsam entgegenzutreten, gegen die Delegitimierung und Dämonisierung des jüdischen Staates zu wirken.

Einstimmung Ein Jahr im Zentralrat, das bedeutet auch ein Jahr voller Veranstaltungen: Verleihung des Paul-Spiegel-Preises, die Jewrovision, die Verleihung des Leo-Baeck-Preises oder wie erst vor Kurzem der Mitzvah Day. Einen kleinen Höhepunkt auf diese Höhepunkte gab es bereits am Samstagabend beim traditionellen Essen im Ignatz-Bubis-Gemeindezentrum. Wer 2022 nicht bei allen Veranstaltungen dabei sein konnte, sah die Highlights jetzt in kleinen Videobeiträgen.

Dass der Vorabend der Ratsversammlung als der heimliche Höhepunkt des Wochenendes gilt, darüber waren sich die Gäste, die sich wiedersahen, in die Arme fielen oder sich einfach nur miteinander bekannt machten, einig. Endlich wieder richtig zusammen sein. Marc Grünbaum vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt sagte zur kurzen Begrüßung: »Einigkeit macht uns stark.« Dieses Motto zog sich auch durch den Abend, der vor allem zwei Dinge mit sich brachte: gute Laune und eine entspannte Zeit vor der intensiven Ratsversammlung. Und auf das Versprechen, sich im kommenden Jahr wiederzusehen, stießen die Gäste bis weit nach Mitternacht an.

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