Musik

»Ich antworte jetzt«

Musikalisch und politisch engagiert: Ben Salomo Foto: Thomas Koehler/photothek.net

Musik

»Ich antworte jetzt«

Der Rapper Ben Salomo über seinen neuen Song, das Schweigen der Künstler und was »Free Palestine« für ihn bedeutet

von Katrin Richter  10.11.2023 14:39 Uhr

Ben Salomo, Sie haben mit »Kämpf allein« einen neuen Song veröffentlicht. Was ist die Geschichte dahinter?
»Kämpf allein« ist eine Antwort auf die antisemitischen Sprechchöre, die schon im Jahr 2014 auf dem Kuʼdamm gebrüllt wurden, wie zum Beispiel »Jude, Jude, feiges Schwein, kommʼ heraus und kämpf‹ allein«. Ich antworte jetzt darauf und sage: Okay, ich komme heraus und kämpfe allein. Ich muss dazu etwas ergänzen: Ich habe diesen Song bereits vor einem Jahr geschrieben, kurz vor der Diskussion um die documenta. Er entstand auch unter dem Eindruck von Sprechchören, die es vor der Gelsenkirchener Synagoge gab, als die Leute »Scheißjuden, Scheißjuden« gerufen haben. Ich stand also unter dem Eindruck des – ich nenne ihn mal so – gepflegten Israelhasses, Judenhasses, unter dem Eindruck der Aufmärsche in Deutschland, der Fahnenverbrennungen.

Im Song heißt es unter anderem »›Free Palestine‹ ist das neue … ich sag es lieber nicht«.
Ich habe viel recherchiert und festgestellt, dass es tatsächlich historische Kontinuitäten zwischen der nationalsozialistischen Ideologie und den frühen Entwicklungen der islamistischen Ideologie gibt. Ich habe auch Bilder und Videos gesehen, in denen beispielsweise die Hamas, die Hisbollah oder auch die Fatah bei Aufmärschen den Hitlergruß zeigen. Da wurde mir klar: Eigentlich ist dieses »Free Palestine« genau so ein Vernichtungsruf, wie es eben auch »Sieg Heil« oder »Heil Hitler« waren.

Viele Künstler sind derzeit eher schweigsam – auch Musiker. Wie bewerten Sie diese Reaktion?
Also die Kollegen aus der Rap-Szene, insbesondere die aus der Gangsta-Rap-Szene, von denen ist ja fast gar nichts anderes zu erwarten. Die Stille der Künstler dort ist ganz klar Zustimmung. Die absolute Mehrheit hat auch geschwiegen, als die Menschen im Iran gegen das Mullah-Regime demonstrierten. Der Judenhass Irans, die Holocaustleugnung des Iran und die Finanzierung der Terrororganisationen durch das Mullah-Regime im Iran – dem wird ebenfalls still zugestimmt. Sie waren auch still, als beispielsweise Baschar al-Assad Palästinenser in Syrien bombardiert hat. Sie waren still, weil ihnen Palästinenser egal sind. Auch als der IS Menschen in der Region abgeschlachtet hat, auch da waren viele Leute aus ebendieser Szene absolut still und haben nicht lautstark dagegen protestiert. Es wurde eher diese typische Abwehrhaltung eingenommen.

Was sollten sie tun?
Sie sollten sich einfach mal mit der Ideologie des Islamismus auseinandersetzen. Dass sie jetzt zu Tausenden auf die Straßen gehen, wo sie bei allem anderen schweigen, zeigt, dass es eben nicht wirklich um Palästinenser geht, um deren Sicherheit, um deren Rechte, sondern eigentlich nur um den Hass auf Juden und um den Wunsch nach der Vernichtung Israels.

Ist das Schweigen allein ein Problem der Rap-Szene?
Es ist wirklich ein gesellschaftliches Problem und die Rap-Szene ist ein Bestandteil dieser Gesellschaft. In Deutschland scheint die Gleichgültigkeit zuzunehmen, es gibt immer dieses »Ja, aber …«, das Leute hinterherschieben, wenn sie überhaupt über dieses Thema sprechen. Kein Wunder, dass die sogenannten pro-palästinensischen Demos um ein Vielfaches größer sind als die Kundgebungen für Solidarität mit Israel. In Japan gingen Tausende mit Israelfahnen auf die Straßen. Die Japaner haben offensichtlich etwas aus dem Zweiten Weltkrieg gelernt. Sie singen sogar Lieder auf Hebräisch für den Frieden. Und hier in Deutschland gibt es so eine Gleichgültigkeit, so ein Desinteresse und so ein zögerliches Handeln in der Zivilbevölkerung. Es wird versucht, irgendetwas auszubalancieren. Dabei ist es jetzt eben gefragt, sich zu positionieren, solidarisch mit Israel zu sein. Eines darf man nicht vergessen: Israel wurde nicht nur als jüdischer Staat angegriffen. Es geht den Terroristen nicht nur um die Vernichtung von jüdischem Leben. Es geht ihnen auch um die Zerstörung der westlichen Lebensweise, der Demokratie, der liberalen Gesellschaft, der Freiheit – all diese Dinge sind diesen islamistischen Organisationen ein Dorn im Auge. Die Terrororganisation Hamas unterdrückt ihre eigene Bevölkerung, schlachtet sie ab, wenn sie nicht ihrer Meinung sind, und missbraucht sie als menschliche Schutzschilde. Man kann jetzt nicht einfach so tun, als müsste man beide Seiten sehen, erst recht nicht, nachdem diese Barbaren am 7. Oktober 1400 Zivilisten in Israel ermordet haben mit einer Bestialität, die an den IS, die Nazis und die Inquisition erinnert.

Mit dem Musiker sprach Katrin Richter.

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