Lichterfest

Gemeinsam zuversichtlich

Am Brandenburger Tor in Berlin wurde am vergangenen Sonntag das erste Licht der zehn Meter hohen Chanukkia entzündet. Zur feierlichen Zeremonie zu Beginn des achttägigen Chanukkafestes begrüßte Rabbiner Yehuda Teichtal, Vorsitzender von Chabad Berlin und Gemeinderabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, unter anderem Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, Israels Botschafter Jeremy Issacharoff und Schauspielerin Iris Berben, die eine Festrede hielt. Yehuda Teichtal betonte, dass das Lichterzünden am Brandenburger Tor bereits seit 16 Jahren stattfinde. Auch diesmal stelle die Corona-Pandemie eine große Herausforderung dar.

Zudem stehe die jüdische Gemeinschaft vor einer zusätzlichen Herausforderung: dem wachsenden Antisemitismus in der Gesellschaft. »Aber die Botschaft von Chanukka ist, dass wir uns von diesen Schwierigkeiten nicht unterkriegen lassen.« Das jüdische Volk habe seit Generationen viele Herausforderungen gesehen, so Rabbiner Teichtal. Doch Chanukka zeige: »Licht ist stärker als Dunkelheit.«

BUNDESTAGSPRÄSIDENTIN Bundestagspräsidentin Bas sagte, sie sei sehr froh, in aller Öffentlichkeit in Berlin das Lichterfest feiern zu können. Das sei nicht selbstverständlich. »Denn in den 1700 Jahren jüdisch-deutscher Geschichte gab es immer wieder Brüche. Ausbrüche von antisemitischem Hass, Diffamierung und Entrechtung.« Und auch heute seien Jüdinnen und Juden Bedrohungen und Antisemitismus ausgesetzt.

Bas forderte dazu auf, Anfeindungen und Vorurteilen entschieden entgegenzutreten. »Wir müssen mehr tun gegen Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit in unserem Land.« Sie schäme sich dafür, dies bei einem so festlichen Anlass mit dem öffentlichen Entzünden des Chanukkaleuchters versichern zu müssen.

In der dritten Nacht von Chanukka fand am Dienstagabend die jährliche International Holocaust Survivors Night statt – online.

Neben dem Leuchter am Brandenburger Tor stellt das Jüdische Bildungszentrum Chabad Lubawitsch nach eigenen Angaben insgesamt 34 Chanukkaleuchter an öffentlichen Plätzen in Berlin auf, auch vor dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Zahlreiche Zeremonien zum Lichterzünden waren geplant, unter anderem an der Mall of Berlin, am Rathaus Schöneberg und der CDU-Bundeszentrale. Am Montagabend rief Chabad Lubawitsch zu einer Chanukka-Autoparade durch Berlin auf.

PREMIERE Der 28. November 2021 – 25. Kislew 5782, erster Tag Chanukka – wird vermutlich in die Geschichte Baden-Württembergs eingehen: Zum ersten Mal wurde in einem deutschen Landtag das erste Licht eines Chanukkaleuchters entzündet. Damit liegt das Land einmal wieder ganz vorn in der Bundesrepublik. Denn in Stuttgart wurden nicht nur der erste Antisemitismusbeauftragte eines Bundeslandes wie auch zwei Polizeirabbiner bestellt, sondern im Foyer des Landtages von Landesrabbiner Moshe Flomenmann und Chabad-Rabbiner Shneur Trebnik das erste Chanukkalicht entzündet.

»Wow, was für ein historischer Tag«, kommentierte Shneur Trebnik das Ereignis. Und dann richtete der Ulmer Ortsrabbiner seinen Dank an Muhterem Aras und Manuel Hagel. »Ihr Wunsch war es, jüdisches Leben in Deutschland sichtbarer zu machen«, so Trebnik an die Landtagspräsidentin von Baden-Württemberg und das Mitglied der Landtagsfraktion der CDU. Er wünsche »jeder Stadt in Deutschland«, eine Chanukkia zu haben.

Trebnik übergab Muhterem Aras und den Anwesenden einen weißen Schal mit dem Wappen von Baden-Württemberg und der Aufschrift: Fröhliches Chanukka. »Postet den Schal auf Social Media«, forderte der Rabbiner die Beschenkten auf. Aras sagte: »Unser Landtag in seiner ganz, ganz großen Mehrheit steht hinter Ihnen. Sie sollen und müssen jüdische Rituale nicht verstecken.« Jeder antisemitische Angriff sei ein Angriff auf die gesamte Gesellschaft, nahm die Landtagspräsidentin Bezug auf zwei Anschläge auf die Ulmer Synagoge in den Jahren 2017 und 2021. Trebnik, vor über 20 Jahren als Chabad-Schaliach aus Israel nach Deutschland gekommen, sagte: »Es war und ist nicht einfach, aber mit Gottes Hilfe ist viel möglich.«

POMMES Michael Kashi überbrachte dem Landtag Grüße von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW). Er erinnerte an die Historie von Chanukka und daran, dass es ein fröhliches, ein lichtvolles Fest sei, an dem die Kinder »sogar Pommes essen« dürfen. »Und wenn Sie jemand fragt, warum der Chanukkaleuchter brennt, dann sagen Sie, das zeigt an, wie lange man in Deutschland schon Latkes und Pommes isst«, so Kashi schmunzelnd in die Runde aus Vertretern der Religionen, der Politik, »Jugend für Europa« und anderer Jugendorganisationen sowie des israelischen Generalkonsulats. Das Mitglied der Repräsentanz der IRGW spielte damit auf 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland an.

Wie sehr Chanukka ein Fest der Familie ist, erzählte Liat Morein den Geladenen. »Chanukka war schon immer mein Lieblingsfest und ist es auch heute noch, es bringt Licht in die dunkle Jahreszeit«, so die 16-Jährige. Es gebe auch viel zu essen.
»Und wenn Familienbesuch kommt, dann gibt es auch Geschenke, acht Tage lang«, sagte Liat Morein und löste damit wiederum ein Lächeln aus. Chanukka sei aber auch ein Fest der Verantwortung, so die Schülerin des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums Stuttgart. Schon in der Kita hätten die Kinder beim Zünden der Lichter das jeweilige Licht etwas Besonderem gewidmet. »Für das heutige erste Licht würde ich mir wünschen, es dem Frieden zu widmen, Frieden für das Land Israel und Frieden für die ganze Welt«, so Liat Morein.

Erstmals steht eine Chanukkia im Stuttgarter Landtag – neben dem Weihnachtsbaum.

Erstmals einen Chanukkaleuchter im Landtag zu haben, der im Foyer des Plenarsaals neben dem Weihnachsbaum einen Platz hat, ist für Muhterem Aras »ein Beitrag zur Vielfalt«, Religion und ihre Ausübung »ein integraler Bestandteil der Verfassung«. Menschen müssten den Blick für jüdisches Leben weiten, so die Landtagspräsidentin. »Dieser Reichtum muss gefördert und zum Teil unseres Alltags werden«, betonte Aras und bekam dafür viel Beifall. Ein Reichtum ist es sicher auch, dass es in diesem Jahr nicht nur zwei Chanukkaleuchter in Stuttgart, sondern auch welche in Esslingen, Heilbronn, Ulm und badischen Städten gibt.

KAMPAGNE Ein weiter Blick durch die Glasfront des Landtages auf den Schlossplatz – das Herz Stuttgarts – zeigt ein Riesenrad mit der Aufschrift »The Länd«. Die neue Dachmarkenkampagne will Baden-Württemberg – bisher eher als »Ländle« bekannt – national und international neu positionieren. »The Länd« stehe für einen Standort für Technologie und Innovation in Deutschland und Europa, sagte Winfried Kretschmann bei der Präsentation vor einigen Wochen.

Baden-Württemberg befinde sich in der globalen Wirtschaft im starken Wettbewerb um die besten Köpfe, so der Ministerpräsident. »The Länd« will Fachkräfte aus aller Welt nach Baden-Württemberg holen. Das lässt auch Jüdinnen und Juden in Baden-Württemberg nicht kalt. Folglich griffen die offiziellen Wünsche der IRGW mit »Ein frohes Chanukka-Fest überall in ›The Länd‹.« die Kampagne auf. Das hat manchen Spott, aber auch Zuspruch ausgelöst.

»Wir sind doch auch ›The Länd‹ hat es innerhalb der Gemeinde geheißen«, klärt Lars Neuberger, Vorstandsreferent der IRGW auf. »Die Kampagne ist in aller Munde, wir mögen unseren Ministerpräsidenten«, bestätigt Susanne Jakubowski, Mitglied der Repräsentanz der IRGW. Und so haben die Gestalter der Glückwunschkarte Stuttgarter architektonische Symbole wie den Fernsehturm, die Oper, die Grabkapelle auf dem Württemberg, das Daimler-Museum und den Chanukkaleuchter einträchtig zueinandergefügt.

SCHLOSSPLATZ Noch nie zuvor hatten sich so viele Menschen, darunter Familien mit Kindern, zum offiziellen Lichtzünden auf dem üppig geschmückten Schlossplatz vor dem Neuen Schloss zusammengefunden. Und während sich das Riesenrad unermüdlich drehte, zündete Bürgermeisterin Isabel Fezer das erste Licht am Chanukkaleuchter. »Der Schlossplatz ist auch ein jüdischer Ort, wie die ganze Stadt jüdisch ist«, erklärte Fezer und bedankte sich, gemeinsam Chanukka feiern zu dürfen. Marion Gentges brachte Glückwünsche vom Ministerpräsidenten.

Und während die Kirchenglocken der nahe gelegenen Stiftskirchte läuteten, sagte die Ministerin: »Licht scheint an gegen Ängste und Unsicherheiten in der Pandemie, es will Mut und Zuversicht geben, gemeinsam gegen Ausgrenzung, Rassismus und Antisemitismus aufzustehen.«

Die Krefeld Pinguine feierten gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde Krefeld während des Eishockey-Heimspiels den Beginn des Chanukka-Festes.

Yehuda Pushkin erzählte derweil von den Quellen des Festes. »Das Wunder von Chanukka ist dazu da, sich an andere Wunder zu erinnern«, so der Ortsrabbiner der IRGW. Gott offenbare sich am meisten durch die Geschichte, so der Rabbiner. »Ich glaube, wir befinden uns an einem Wendepunkt der Geschichte.« Jeder sei aufgerufen, in seinem Leben Wunder zu erkennen.

KREFELD »Das war ein sehr emotionales Ereignis und eine tolle Erfahrung«, sagt Martin Huyn im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. Der ehemalige Eishockey-Spieler ist Gründer und Leiter des Netzwerks »Hockey is Diversity«. Gemeinsam mit den Krefeld Pinguinen und der Jüdischen Gemeinde Krefeld feierte die Initiative während des Heimspiels in der Yayla Arena am vergangenen Sonntag gegen die Düsseldorfer EG den Beginn des Chanukka-Festes. Rabbiner Yitzhak Mendel Wagner sprach den Chanukka-Segen und entzündete das erste Licht.

Auch der Gemeindevorsitzende Samuel Naydych und sein Stellvertreter Alexander Konev waren vor Ort. »Uns war es wichtig, die Chanukkia mitten in das Herz der Stadt zu bringen«, erzählt Martin Huyn. Die 5109 Fans hätten das Lichterzünden toll aufgenommen und Beifall geklatscht.

»Uns war es wichtig, in dem Jahr, in dem 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gefeiert wird, an Chanukka jüdische Sichtbarkeit zu zelebrieren«, sagt Huyn. »Mit dieser Aktion ist es uns wichtig, die zwischenmenschliche Begegnung zu schaffen, die im Alltag vielleicht nicht so möglich wäre.« Der Angriff auf die Synagoge in Halle und der steigende Antisemitismus seien besorgniserregend und zeigten, dass einige aus der Geschichte nicht gelernt haben. »Meine Generation und auch die nachfolgenden Generationen tragen Verantwortung, dass sich so etwas nicht wiederholt.« (aan)

AJC Statt eines persönlichen gemeinsamen Beisammenseins bei Sufganiot und Gesprächen, plant auch das American Jewish Committee ein Online-Kerzenzünden. Um etwas Licht in dieses turbulente Jahr zu bringen, hatte das AJC am Mittwochabend zudem Laura Shaw Frank, die Direktorin des William Petschek Contemporary Jewish Life eingeladen. Und weil vielleicht nichts langweiliger ist als dunkle Kacheln im virtuellen Raum, lautete das Motto: Kamera anschalten und Kerzen zeigen. (kat)

SURVIVORS-NIGHT In der dritten Nacht von Chanukka fand am Dienstagabend die jährliche International Holocaust Survivors Night statt – online. Dabei wurden auch in diesem Jahr die Holocaust-Überlebenden weltweit geehrt. Die von der Jewish Claims Conference initiierte Veranstaltung umfasste Erinnerungen von Überlebenden aus mehr als 15 Ländern sowie Grußworte unter anderem des israelischen Präsidenten Isaac Herzog sowie von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, der Holocaustüberlebenden Charlotte Knobloch, Serge Klarsfeld und anderen sowie Beiträge von Musikern und Entertainern. Die Veranstaltung endete mit einer Übertragung des Kerzenzündens an der Kotel in Jerusalem. (tok)

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