Solidarität

»Gemeinsam sind wir stärker«

Rabbiner Jeremy Borovitz und Rebecca Blady (r.) Foto: Gregor Zielke

Solidarität

»Gemeinsam sind wir stärker«

Rebecca Blady über das »Festival of Resilience« mit jüdischen und nichtjüdischen Halle-Überlebenden

von Eugen El  23.09.2021 13:29 Uhr

Frau Blady, Sie haben die zweite Ausgabe des »Festival of Resilience« in Berlin mitorganisiert, das sich unter anderem an Überlebende des Halle-Attentats richtet. Wie unterscheidet sich das diesjährige Format vom vergangenen Jahr?
Dieses Jahr sind einige Halle-Überlebende bereit zu sprechen. Sie wollen, dass ihre Stimme gehört wird.

Wie wurde das Festival eingeläutet?
Es hat mit einer Live-Aufzeichnung des Podcasts »Torah Curious« begonnen. Das Format wird von Rabbiner Jeremy Borovitz, meinem Mann und Direktor of Jewish Learning von Base Berlin/Hillel Deutschland, betreut. Das Thema des Podcasts lautete aus diesem Grund »Art and Resilience« (Kunst und Widerstandsfähigkeit). Darüber sprach Laura Cazés von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) mit der Filmregisseurin Sharon Ryba-Kahn.

Warum haben Sie die Podcast-Aufzeichnung an den Beginn des Festivals gesetzt?
Das Ziel war, das Thema »Widerstandsfähigkeit« einzuführen. Sharon ist dafür die perfekte Gesprächspartnerin, da sie gerade ihren Film Displaced beim Jüdischen Filmfestival Berlin Brandenburg präsentiert hat, der von der Erfahrung der Dritten Generation der Schoa-Überlebenden handelt.

https://www.facebook.com/hilleldeutschland/photos/a.990919427692080/4231292730321384/


Wie haben Sie Jom Kippur mit den Festivalteilnehmern begangen?
Seit dem Halle-Attentat organisieren wir Jom-Kippur-Gottesdienste für junge Erwachsene in Berlin. Das ist ebenfalls ein wichtiger Teil des Festivals. Dieses Jahr versammelten wir uns in »Refugio«, einem Haus in Neukölln, in dem viele Geflüchtete wohnen, arbeiten und an unterschiedlichen Projekten teilnehmen. Dort zusammenzukommen, ist zu einer Art Klammer des Festivals geworden. Es ging uns darum, Jom Kippur wiederzugewinnen.

Am vergangenen Sonntag haben Sie gemeinsam eine Sukka errichtet. Was wird dort stattfinden?
Unsere Sukka ist der zentrale Ort für die Veranstaltungen, die diese Woche stattfinden werden, wie etwa die »Ceremony of Resilience« am Donnerstagabend. Die Zeremonie wird hoffentlich ein starkes Ereignis sein. Wir haben uns entschlossen, uns noch stärker als letztes Jahr auf Überlebende sowie Allianzen zwischen Individuen, Initiativen und Gemeinschaften, die rechten Terror erfahren haben, zu konzentrieren.

Wer wird dort auftreten?
Als Hauptredner werden die Künstlerin Talya Feldman und Ismet Tekin, Inhaber des »Kiez Döner« in Halle, auftreten. Sie werden gemeinsam auf der Bühne stehen, da sie beide das Halle-Attentat überlebt haben.

Welche Perspektiven bringen sie mit?
Talya Feldman konzentriert sich in ihrer künstlerischen Arbeit auf die Stimmen von Überlebenden oder Angehörigen von Opfern rechten Terrors. Sie wird aus der jüdischen Perspektive berichten. Ismet Tekin engagiert sich sehr stark in Solidaritätsprojekten. Auch Mitglieder der »Soli-Gruppe Kiez Döner« werden anwesend sein. Ismet Tekins »Kiez Döner«, für dessen Wiederaufbau die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) mehrere Tausend Euro an Spenden einsammelte, wird ein wichtiger Ort der Solidarität sein.

Was ist das Ziel der Zeremonie?
Es geht um Solidarität und Allianzen. Es geht darum, Netzwerke zu stärken. Wir möchten zeigen, dass wir gemeinsam stärker sind im Angesicht des Terrors.

Wie wird das Festival fortgesetzt?
Wir werden Workshops veranstalten, in denen es um Widerstandsfähigkeit geht. Ina Holev und Miriam Yosef von der Gruppe »Jüdisch und intersektional« werden einen Workshop anbieten zu der Frage, was es heißt, jüdisch zu sein und eine intersektionale Identität zu integrieren. Es wird auch einen Krav-Maga-Workshop geben. Zudem wird das Rabbinerseminar Berlin die Veröffentlichung der Übersetzung des Talmuds ins Deutsche auf der Webseite sefaria.org vorstellen. Der Talmud ist ein Projekt der Widerstandsfähigkeit seit Jahrhunderten.

Was planen Sie für den Tag der Bundestagswahl?
An diesem Tag wollen wir die Demokratie feiern. Wir wollen die Menschen ermutigen, wählen zu gehen und nicht passiv zu sein. Wir werden eine vom Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment der ZWST organisierte Podiumsdiskussion anbieten. Danach wird eine Party, eine Feier des jüdischen Aktivismus, stattfinden mit Redebeiträgen von der JSUD und dem Zentralrat. Es geht uns darum, zu verdeutlichen, was es heißt, ein aktives Mitglied der Gesellschaft zu sein, an der Demokratie teilzunehmen. Es geht darum, was wir als Juden dazu beitragen können.

Hat der mutmaßlich vereitelte Anschlag auf die Synagoge in Hagen das Festival beeinflusst?
Wir erfuhren am Donnerstagmorgen an Jom Kippur von unserem Sicherheitsteam von dem Vorfall in Hagen. Das hat traumatische Empfindungen wieder wachgerufen. Für mich zeigt dieser Vorfall die Bedeutung von Solidaritätsnetzwerken. Diese Vorfälle hören leider nicht auf. Die Politik und die Gesellschaft tun nicht genug gegen diese Bedrohungen. Wir sind nicht sicher, bis wir alle sicher sind.

Mit der Geschäftsführerin von Base Hillel Deutschland sprach Eugen El.

Porträt der Woche

»Musik war meine Therapie«

Hagar Sharvit konnte durch Singen ihre Schüchternheit überwinden

von Alicia Rust  15.07.2025

Berlin

Gericht vertagt Verhandlung über Lahav Shapiras Klage gegen Freie Universität

Warum die Anwältin des jüdischen Studenten die Entscheidung der Richter trotzdem als großen Erfolg wertet. Die Hintergründe

 15.07.2025 Aktualisiert

Andenken

Berliner SPD: Straße oder Platz nach Margot Friedländer benennen

Margot Friedländer gehörte zu den bekanntesten Zeitzeugen der Verbrechen der Nationalsozialisten. Für ihr unermüdliches Wirken will die Berliner SPD die im Mai gestorbene Holocaust-Überlebende nun sichtbar ehren

 15.07.2025

Bonn

Schoa-Überlebende und Cellistin Anita Lasker-Wallfisch wird 100

Sie war die »Cellistin von Auschwitz« - und später eine engagierte Zeitzeugin, die etwa vor Schülern über ihre Erlebnisse unter dem NS-Regime sprach. Jetzt feiert sie einen besonderen Geburtstag

von Leticia Witte  15.07.2025

Würdigung

Er legte den Grundstein

Vor 100 Jahren wurde Simon Snopkowski geboren. Zeitlebens engagierte sich der der Schoa-Überlebende für einen Neubeginn jüdischen Lebens in Bayern

von Ellen Presser  14.07.2025

München

Im Herzen ist sie immer ein »Münchner Kindl« geblieben

Seit 40 Jahren ist Charlotte Knobloch Präsidentin der IKG München. Sie hat eine Ära geprägt und das Judentum wieder in die Mitte der Gesellschaft gerückt

von Christiane Ried  14.07.2025

Jubiläum

Münchner Kultusgemeinde feiert Wiedergründung vor 80 Jahren

Zum Festakt werden prominente Gäste aus Politik und Gesellschaft erwartet

 14.07.2025

Berliner Ensemble

Hommage an Margot Friedländer

Mit einem besonderen Abend erinnerte das Berliner Ensemble an die Zeitzeugin und Holocaust-Überlebende. Pianist Igor Levit trat mit hochkarätigen Gästen auf

 14.07.2025

Reisen

Die schönste Zeit

Rom, Balkonien, Tel Aviv: Hier erzählen Gemeindemitglieder, an welche Urlaube sie sich besonders gern erinnern

von Christine Schmitt, Katrin Richter  13.07.2025