Dialog

Gehe hin und handle!

Gelebter Dialog: Blick ins Alte Rathaus Foto: Robert Kiderle

Zum Auftakt der Eröffnungsfeier im Alten Rathaus dachte Abi Pitum, jüdischer Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, laut darüber nach, dass er vor nicht allzu langer Zeit meinte, die engagierte Aufarbeitung und Dialogbereitschaft der beiden großen Kirchen und die Selbstverständlichkeit jüdischen Lebens in Deutschland zwei Generationen nach dem Holocaust habe die Arbeit der Gesellschaften entbehrlich gemacht.

»Doch die Realität, der Erfolg einer rechten Partei, die es nicht schafft und wohl auch kein Interesse hat, sich von Antisemiten und Fremdenfeinden zu trennen, von Pegida und ihren Mitläufern gar nicht zu reden«, resümierte er, zeige, »dass es noch viel, allzu viel zu tun gibt.«

»kristallnacht« Die »Woche der Brüderlichkeit« in München, stets an dem Ort ausgetragen, an dem am 9. November 1938 die »Kristallnacht« proklamiert worden ist, zeichnete dieses Mal in vielerlei Hinsicht Hochkarätiges aus: bedeutende Persönlichkeiten wie Reinhard Kardinal Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Franz von Bayern, Oberhaupt des Hauses Wittelsbach, sowie IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch. Deutliche Worte gab es von den Vertretern der Bayerischen Staatsregierung, der Münchner Stadtspitze und den Referenten des Festvortrags. Und eine hervorragende musikalische Begleitung durch die Geschwister Maria und Matthias Well sorgte mit Musik von einer Passacaglia über einen irischen Walzer bis zu einer Komposition des ermordeten Komponisten Erwin Schulhof für Begeisterung.

Staatssekretär Georg Eisenreich, der in Vertretung des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer sprach, plädierte dafür, antisemitischen Tendenzen gemeinsam entgegenzutreten: »Wir müssen deutlich machen, dass Antisemitismus bei uns keinen Platz hat.« Bürgermeisterin Christine Strobl sieht das ähnlich. Krankheitsbedingt sprang Stadtrat Christian Vorländer ein und trug ihre Rede vor. Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus seien keine Randgruppenphänomene. Dass sie immer öfter ganz ungeniert im öffentlichen Diskurs aufträten, »dem muss sich die demokratische Gesellschaft stellen«, referierte er.

festvortrag Für Christen, speziell der evangelischen Richtung, barg der Festvortrag des Kirchenhistorikers Thomas Kaufmann viele bittere Wahrheiten. Es war mutig, den Autor kirchenkritischer Werke wie Erlöste und Verdammte. Eine Geschichte der Reformation und Luthers Juden einzuladen. Hochinteressant war die Darstellung des Wandels in Luthers Position. Der Reformator, der keinen Kontakt zu Juden hatte, sondern nur zu dem früheren Rabbiner Jakob Gipher, der den Taufnamen Bernhard angenommen hatte, glaubte, dass seine Schrift Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei (1532) Juden den Weg eher ebnen würde als die sogenannte Papstkirche.

Seine enttäuschte Hoffnung, kombiniert mit – wie man heute sagen würde – »Fake News«, die er munter in die Welt setzte und in denen er Juden der »Proselytenmacherei« bezichtigte, zielte etwa in der Schrift Von den Juden und ihren Lügen darauf ab, »die Grundlage allen jüdischen Lebens in Deutschland zu vernichten«, so Kaufmann. Luthers judenfeindliche Äußerungen blieben unvergessen. Sie wurden in antisemitische Schriften wie den bis in die 30er-Jahre wirkmächtigen, berüchtigten Antisemitismus-Katechismus von Theodor Fritsch aufgenommen. Insofern passte das Schlusswort von Ordinariatsdirektorin Gabriele Rüttiger gut. Sie ergänzte das Jahresmotto der Woche der Brüderlichkeit, »Nun gehe hin und lerne«, mit dem Zusatz »... und handle!«.

Berlin/Potsdam

Zentralrat der Juden erwartet Stiftung für Geiger-Kolleg im Herbst

Zum Wintersemester 2024/25 soll sie ihre Arbeit aufnehmen

 26.07.2024

Potsdam

Neuer Name für das Abraham Geiger Kolleg bekannt geworden

Die Ausbildungsstätte für liberale Rabbiner soll nach Regina Jonas benannt werden

 26.07.2024

Berlin

Wegner besucht verwüstetes israelisch-palästinensisches Lokal

Das Restaurant wurde vergangene Woche verwüstet

 26.07.2024

Düsseldorf

Sägen, fräsen, bohren

Im Südwesten der Stadt betreibt die Gemeinde eine metallverarbeitende Behindertenwerkstatt

von Stefan Laurin  25.07.2024

Ausstellung

Olympioniken im KZ Buchenwald

Auf dem Ettersberg bei Weimar treffen unterschiedlichste Biografien aufeinander

von Matthias Thüsing  25.07.2024

Berlin

Große Räume für große Träume

Hillel zieht von Neukölln nach Kreuzberg

von Joshua Schultheis  25.07.2024

Olam

Für die Kids

Der Senat unterstützt das Jugendzentrum der Jüdischen Gemeinde zu Berlin mit 450.000 Euro

von Christine Schmitt  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Leipzig

Sachbeschädigung an jüdischer Einrichtung

Der Tatverdächtige wurde nach der Tat verhaftet und ist inzwischen wieder auf freiem Fuß

 24.07.2024