Berlin-Mitte

Gegen Gewalt, für Toleranz

150 Berliner folgten dem Aufruf jüdischer Gemeindemitglieder zur Mahnwache für den ermordeten Israeli Yosi Damari. Foto: Marco Limberg

Dunkle Augen, schwarzes Haar, schmaler Oberlippenbart. Das Passfoto von Yosi Damari ist an diesem Sonntagnachmittag überall in der Littenstraße im Großformat zu sehen. Es ist dasselbe Foto, mit dem der 22-jährige Israeli zunächst nicht identifiziert werden konnte – weil sein Gesicht so schwer verletzt war.

An dieser Stelle, an der Ruine des früheren Klosters hinter dem Alexanderplatz, hatten Passanten am 5. April die Leiche des jungen Mannes entdeckt. Doch zweifelsfreie Gewissheit ergab erst die DNA-Analyse zwei Tage später.

Motto »Wir sind heute hier, weil wir Yosi Damari sein zerstörtes Gesicht zurückgeben wollen«, sagt Mike Delberg. Unter dem Motto »Gesicht zeigen für Yosi« hatte der Repräsentant der Jüdischen Gemeinde zu Berlin per Facebook zu der Mahnwache an der Klosterruine aufgerufen.

»Ein jüdischer Junge ist tot. Ausgerechnet in unserer sonst so toleranten, weltoffenen Stadt. Er war gerade mal drei Jahre jünger als ich«, sagt Delberg sichtlich bewegt. »Wir wissen noch nichts über das Motiv. Doch wir wenden uns entschieden gegen die Gewalt in unserer Stadt und erweisen Yosi heute die letzte Ehre«, erklärt der 25-jährige Initiator.

Damaris Leichnam war am Samstagabend nach Israel überführt worden. Dort werde der junge Israeli beigesetzt, berichtete Rabbiner Jonah Sievers. Anschließend sang er Psalm 91 und das Totengebet El Male Rachamim.

Dem Aufruf zur Gedenkveranstaltung waren rund 150 Menschen gefolgt, darunter Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und der Jungen Union.

Mitmenschlichkeit Vor allem aber waren viele Berliner zur Klosterruine nach Mitte gekommen. »Es ist schlicht eine Frage der Solidarität und Mitmenschlichkeit«, begründet Irmgard Hossbach ihre Teilnahme. Nicht auszudenken, wie Yosis Familie den Verlust aufnimmt, sagt die Rentnerin. Der Tod des jungen Israelis erschüttere sie auch deshalb, weil sie selbst eine Enkelin in Yosis Alter habe. Die junge Frau wolle demnächst nach Israel reisen, sagt Hossbach.

»Israelis kommen nach Deutschland, Deutsche lernen Israel kennen – dass dieser Austausch 70 Jahre nach Kriegsende überhaupt stattfindet, ist ein Geschenk«, sagt die Berlinerin nachdenklich. Unfassbar für sie, dass Yosis Reise so brutal endete. Ausgerechnet in Berlin.

Auch Familie Löwe will ihre Trauer kundtun. Die Debatte um No-Go-Areas sei schon erschreckend genug, findet Michael Löwe. Und jetzt auch noch diese rätselhafte Gewalttat. Da sei es ihm einfach wichtig, Gesicht zu zeigen.

Wie er schreiben viele Teilnehmer einen letzten Gruß neben Yosis Foto. »Wir trauern um dich«, steht darauf. Einige Leute zünden Kerzen an. Andere bringen Blumen. Am Tor zur Ruine stecken kleine Israelfahnen.

Hilfesuchend Laut Polizei hielt sich Yosi Damari seit Freitag vorletzter Woche in Berlin als Tourist auf. Am gleichen Tag bat er die israelische Botschaft um Unterstützung. Er wollte seine Familie in Israel kontaktieren, um zurück nach Hause fliegen zu können. Zum Sederabend meldete er sich bei Chabad an, blieb jedoch der Veranstaltung fern. Das Hostel am Alexanderplatz, in dem er auf Chabads Empfehlung eingecheckt hatte, verließ er am Samstag ohne sein Gepäck.

Auch das Chabadzentrum am Alexanderplatz lud am Dienstagabend (nach Redaktionsschluss) zu einem Gedenkgottesdienst für Yosi Damari ein. Unter dem Motto »Frieden und Toleranz« wurden Berliner Politiker und viele Israelis erwartet.

Das Rätsel um Yosi Damaris Tod ist noch immer ungelöst. Dabei war die Polizei von Anfang an von einem Gewaltverbrechen ausgegangen. Das hatte die Obduktion bereits am Fundort ergeben.

Die Spuren führten die Ermittler schließlich nach Tschechien. Dort nahmen sie per internationalem Haftbefehl einen 28-jährigen albanischen Tatverdächtigen fest. Bislang schweigt er zu dem Vorwurf des Totschlags sowie zu möglichen Tatmotiven. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat seine Überführung nach Deutschland beantragt.

Wann er jedoch nach Berlin kommen und möglicherweise dazu beitragen wird, das Rätsel um Yosi Damaris Tod zu lösen, ist nach wie vor unklar.

Berlin/Potsdam

Zentralrat der Juden erwartet Stiftung für Geiger-Kolleg im Herbst

Zum Wintersemester 2024/25 soll sie ihre Arbeit aufnehmen

 26.07.2024

Potsdam

Neuer Name für das Abraham Geiger Kolleg bekannt geworden

Die Ausbildungsstätte für liberale Rabbiner soll nach Regina Jonas benannt werden

 26.07.2024

Berlin

Wegner besucht verwüstetes israelisch-palästinensisches Lokal

Das Restaurant wurde vergangene Woche verwüstet

 26.07.2024

Düsseldorf

Sägen, fräsen, bohren

Im Südwesten der Stadt betreibt die Gemeinde eine metallverarbeitende Behindertenwerkstatt

von Stefan Laurin  25.07.2024

Ausstellung

Olympioniken im KZ Buchenwald

Auf dem Ettersberg bei Weimar treffen unterschiedlichste Biografien aufeinander

von Matthias Thüsing  25.07.2024

Berlin

Große Räume für große Träume

Hillel zieht von Neukölln nach Kreuzberg

von Joshua Schultheis  25.07.2024

Olam

Für die Kids

Der Senat unterstützt das Jugendzentrum der Jüdischen Gemeinde zu Berlin mit 450.000 Euro

von Christine Schmitt  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Leipzig

Sachbeschädigung an jüdischer Einrichtung

Der Tatverdächtige wurde nach der Tat verhaftet und ist inzwischen wieder auf freiem Fuß

 24.07.2024