Sport

Fußballer durch und durch

Er ist im Stress. Gerade ist Marlon Huberman von der Uni-Bibliothek herüber gehetzt, um im Studentencafé auf dem Campus Westend eine kurze Pause einzulegen. Seit Wochen schon lernt er für das Erste Staatsexamen. Der 29-Jährige studiert im achten Semester an der Frankfurter Goethe-Universität Jura, die Prüfungen sind im September.

Sein Alltag besteht derzeit aus zwei Dingen: Studium und Sport. Wenn er seine Jurabücher zur Seite legt, zieht er die Fußballschuhe an. Dreimal in der Woche trainiert er derzeit für die Makkabiade. Huberman ist Mannschaftskapitän der Frankfurter Makkabi-Fußballer. Im Mai in Duisburg wollen er und sein Team unbedingt erfolgreich sein. »Fußball«, sagt er, »ist mehr als nur ein Hobby für mich.«

Der TuS Makkabi 1965 aus Frankfurt ist eine der aussichtsreichsten Fußballmannschaften bei der Makkabiade im Mai.

Mit drei Jahren stand Marlon Huberman zum ersten Mal im Fußballdress auf dem grünen Rasen. Mit vier wechselte er zu TuS Makkabi 1965 Frankfurt. Der durchtrainierte Frankfurter träumte, wovon viele Kinder und Jugendliche träumen: »Ich wollte Profifußballer werden.« Leider hat es dafür nicht gereicht, aber die Leidenschaft für das Spiel hat sich Huberman bewahrt. »Ich habe nie aufgehört, Fußball zu spielen«, sagt er mit Nachdruck. Nicht während der Schulzeit und auch nicht im Studium. Heute, mit 29, dauert die Regeneration nach einem harten Spiel vielleicht etwas länger, sagt er, »aber dafür habe ich mehr Erfahrung«.

Rückennummer Marlon Huberman trägt die Sechs auf dem Rücken, kickt im Mittelfeld, sorgt dafür, dass die Mannschaft das Spiel nach vorne treibt. »Ich habe eine gute Kondition, laufe viel und gern«, sagt er. Seit mehr als zwei Jahren ist er der Kapitän des Teams, das derzeit in der Kreisoberliga spielt. »Ich fühle mich verantwortlich, dass alles gut läuft«, betont der angehende Jurist.

Ab und an braucht jedoch auch er einmal jemanden, der ihn antreibt. Das ist meist sein Vater, der die Mannschaft trainiert. »Er findet immer die passenden Worte, uns zu motivieren«, lobt Marlon. Die Männer der Familie Huberman sind seit Jahrzehnten Makkabi-Fußballer. Sowohl Marlons Vater als auch sein Bruder sind im Verein aktiv. Die beiden Schwestern und seine Mutter schauen zu, wenn die Mannschaft spielt.

Fußball und die Freunde dort sind für den Studenten gleichbedeutend mit Familie. Fußball, betont Huberman, ist wichtig für Körper und Geist, ein Ausgleich zum Alltag und Studium. Er genießt das Treffen mit Freunden, aber auch den sportlichen Wettkampf.

Bei der Makkabiade im Mai steht für ihn daher nicht nur die Freude am Sport im Vordergrund, sondern auch der Wille zum Erfolg. »Das ist ja ein Prestigespiel«, betont er. Als größte Konkurrenz sieht er vor allem das Team aus Berlin. In Frankfurt und Berlin, findet er, spielen die stärksten Makkabi-Mannschaften. Um zu gewinnen, trainieren sie hart – zwei- bis dreimal wöchentlich. Das Ziel außerhalb der Makkabiade: »Wir wollen unbedingt in die nächste Liga aufsteigen.«

Gebete Marlon Huberman ist wichtig, dass er in einem jüdischen Verein spielt. »Ich will zeigen, dass Makkabi lebt, dass Juden hier leben«, sagt er. Es ist aber nicht immer leicht für den Verein, Spieler zu rekrutieren. Daher spielen in seiner Mannschaft derzeit überwiegend Nichtjuden, vor allem Türken und Marokkaner – Muslime, die auch in der Kabine vor dem Match beten. »Das Zusammenleben klappt gut. Wir sind ein tolles Team«, betont Marlon Huberman.

Ihm gefällt es, »neue Menschen und neue Kulturen kennenzulernen«. Nach dem Abitur war der 29-Jährige über ein Jahr lang in Argentinien unterwegs, nach Buenos Aires flüchteten seine aus Polen stammenden Großeltern vor den Nationalsozialisten, und auch sein Vater wurde dort geboren. »Ich wollte die Sprache, das Land und meine Familie dort kennenlernen«, erzählt der Jurastudent.

Dass er als Makkabi-Spieler immer wieder antisemitischen Angriffen gegnerischer Spieler oder Fans ausgesetzt ist, das kennt Huberman seit seiner Jugend. »Als Kind und Jugendlicher hat mich das eingeschüchtert«, erzählt er. Heute ist es für ihn noch immer eine »unangenehme Erfahrung«, denn die Anwürfe nehmen wieder zu. »Das macht mich traurig. Man fühlt sich hilflos.«

Diesmal werden auch die nichtjüdischen Spieler des Teams von Gegnern oder Zuschauern attackiert. »In der Kabine sprechen wir anschließend und machen auch manchmal Witze darüber, dass unsere türkischen oder marokkanischen Mitspieler als Juden beschimpft werden.«

Besuch Daher kam der Besuch von Jo Dreiseitel, Staatsekretär im hessischen Sozialministerium und Bevollmächtigter für Integration und Antidiskriminierung, in der vergangenen Woche bei Makkabi Frankfurt gut an. Dreiseitel kam mit Vereinspräsident Alon Meyer zusammen und traf auch die Fußballjugend und die Basketballer zum Gespräch. Am Wochenende zuvor hatten an einer Sportanlage im Frankfurter Ostend Unbekannte Kunstrasen, Laufbahn und Bänke mit antisemitischen Parolen und Nazi-Symbolen besprüht. Ein 17-Jähriger wurde laut »Frankfurter Neue Presse« festgenommen.

Dreiseitel zeigte sich sehr betroffen und forderte laut Makkabi-Generalsekretär Daniel Neumann, »Flagge gegen jegliche Form von Antisemitismus zu zeigen«. Es sei bedrückend, »dass gerade in der heutigen Zeit wieder antisemitische Schmierereien auch auf Sportanlagen und an Schulen zu finden sind«, sagte der Staatssekretär.

»Wir dürfen das nicht als Kavaliersdelikte oder Dummejungenstreiche abtun, das ist blanker Hass und Antisemitismus«, hatte auch Frankfurts Kämmerer Uwe Becker betont. Rechtsextremes Gedankengut werde in Frankfurt nicht geduldet. »Wenn jüdisches Leben in unserer Stadt angegriffen wird, dann werden wir alle angegriffen, denn jüdisches Leben ist Teil auch der Identität Frankfurts«, sagte Becker.

Neumann bezeichnete den Besuch Dreiseitels als eine Ehre. »Wir freuen uns, dass die Politik so positiv zu Makkabi steht.« Der Verein sei seit Langem auf der Suche nach einem eigenen Sportheim und -gelände in Frankfurt, weil der bisherige Platz nur wenige Monate im Jahr nutzbar ist. »Uns fehlt eine Heimat«, so Neumann.

Große Hoffnungen setzt TuS auf ein Gelände im Stadtteil Ginnheim, für das bereits Verhandlungen mit der Stadt und dem Land Hessen laufen. TuS Makkabi Frankfurt hofft, 2018 einziehen zu können. Auch dann will Huberman noch für TuS Makkabi spielen.

Friedrichshain-Kreuzberg

Antisemitische Slogans in israelischem Restaurant

In einen Tisch im »DoDa«-Deli wurde »Fuck Israel« und »Free Gaza« eingeritzt

 19.04.2024

Pessach

Auf die Freiheit!

Wir werden uns nicht verkriechen. Wir wollen uns nicht verstecken. Wir sind stolze Juden. Ein Leitartikel zu Pessach von Zentralratspräsident Josef Schuster

von Josef Schuster  19.04.2024

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024

Berlin

Pulled Ochsenbacke und Kokos-Malabi

Das kulturelle Miteinander stärken: Zu Besuch bei Deutschlands größtem koscheren Foodfestival

von Florentine Lippmann  17.04.2024

Essay

Steinchen für Steinchen

Wir müssen dem Tsunami des Hasses nach dem 7. Oktober ein Miteinander entgegensetzen

von Barbara Bišický-Ehrlich  16.04.2024

München

Die rappende Rebbetzin

Lea Kalisch gastierte mit ihrer Band »Šenster Gob« im Jüdischen Gemeindezentrum

von Nora Niemann  16.04.2024

Jewrovision

»Ein Quäntchen Glück ist nötig«

Igal Shamailov über den Sieg des Stuttgarter Jugendzentrums und Pläne für die Zukunft

von Christine Schmitt  16.04.2024

Porträt der Woche

Heimat in der Gemeinschaft

Rachel Bendavid-Korsten wuchs in Marokko auf und wurde in Berlin Religionslehrerin

von Gerhard Haase-Hindenberg  16.04.2024