Interview

»Es schließt sich ein Kreis«

Israels Generalkonsulin Talya Lador-Fresher über ihre Familiengeschichte und Solidarität mit dem jüdischen Staat

von Leo Grudenberg  08.01.2024 11:06 Uhr

»›Am Israel Chai‹ ist keine Phrase, es ist unser Antrieb«: Talya Lador-Fresher Foto: Generalkonsulat Israel

Israels Generalkonsulin Talya Lador-Fresher über ihre Familiengeschichte und Solidarität mit dem jüdischen Staat

von Leo Grudenberg  08.01.2024 11:06 Uhr

Frau Generalkonsulin, Sie waren einen Monat in München, als der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 die Welt erschütterte. Wie haben Sie die erste Zeit hier erlebt?
Wir standen alle unter Schock. Aber als Diplomat hat man in dieser Situation eine wichtige Rolle: Wir müssen dafür kämpfen, dass die Solidarität mit Israel auch in Zukunft bestehen bleibt.

Sie waren als Diplomatin in Jamaika und New York, zuletzt als Botschafterin in Österreich. Jetzt sind Sie Generalkonsulin in München. Ist das ein Einsatz wie jeder andere?
Nein, sicher nicht. Für mich ist Deutschland ein sehr wichtiges Land. Meine Eltern wurden hier geboren, meine Mutter in Berlin, mein Vater in Leipzig. Ich habe einen Teil meiner Kindheit in Bonn verbracht. Botschafterin in Berlin – das wäre natürlich mein Traum. Als meine Vorgängerin Carmela Shamir wusste, dass sie nach Israel zurückkehren wird, hat sie mich angerufen. Ich wusste sofort, ich will das machen. Mein Vater, der den Holocaust überlebt hat, war nach dem Krieg für kurze Zeit in München. Da schließt sich ein Kreis.

Seit Ihrer Ankunft haben Sie bereits mehrfach auf Gemeindeveranstaltungen gesprochen. Man hat den Eindruck, die Beziehungen zwischen dem Generalkonsulat und der Gemeinde sind sehr eng.
Ja, das stimmt. Ich schätze Charlotte Knob­loch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, sehr für ihre große Erfahrung und für ihren klugen Rat. Sie ist eine wahre Zionistin. Die Kundgebung, die die IKG am 12. Oktober auf dem Jakobsplatz organisiert hat, war enorm wichtig. Im Beisein der höchsten Riege der Politik aus Stadt und Land wurde da ein Ton gesetzt, an dem sich die Akteure bis heute orientieren.

Ministerpräsident Söder hat Mitte Dezember Israel besucht. Welche Bedeutung hat Bayern für den jüdischen Staat?
Der Besuch des Ministerpräsidenten hat ein klares Zeichen gesetzt. Es war für Markus Söder die erste Auslandsreise nach seiner Wiederwahl, und er war der erste deutsche Ministerpräsident, der seit dem 7. Oktober nach Israel gekommen ist. So etwas wird aufmerksam registriert. Die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Israel und Bayern sind überaus eng. Bayern ist eines von nur zwei Bundesländern, die ein Verbindungsbüro in Israel haben. Ich bin ständig mit allen demokratischen Parteien im Gespräch. Vor Kurzem bin ich auf dem Landesparteitag der FDP in Amberg aufgetreten. Und in den kommenden Wochen werde ich auf den Klausurtagungen sowohl der CSU als auch der Freien Wähler sprechen. Für uns ist entscheidend, dass die Solidarität mit Israel so stark bleibt.

Wie bewerten Sie die Reaktion der Politik auf den Terrorangriff vom 7. Oktober? Ist die Unterstützung für Israel gleichbleibend stark?
In den Medien war die Unterstützung am Anfang fast einmütig, jetzt ist die Lage eine andere. Natürlich sehen wir auch das Leid der Zivilbevölkerung auf der anderen Seite. Uns ist aber wichtig, dass das Warum nicht unerwähnt bleibt: Ohne den Terror der Hamas, ohne die Verschleppung von israelischen Zivilisten wären wir nicht in dieser Situation. Leider wird das nicht mehr überall betont. Meine Befürchtung wäre, dass diese Entwicklung auch die politische Ebene erreicht. Das sehe ich derzeit aber nicht. Im Gegenteil: Sowohl in Bayern als auch in Hessen wurde das Existenzrecht Israels als Staatsräson in den neuen Koalitionsverträgen verankert.

Waren Sie überrascht vom Ausmaß des Hasses, der sich bei anti-israelischen Demonstrationen Bahn gebrochen hat?
Die Heftigkeit macht uns allen Sorgen. Auch wenn in den Medien nicht mehr so viel über die Demonstrationen berichtet wird, gibt es sie weiterhin. Die Sorge in den jüdischen Gemeinden höre ich überall, und ich kann alle verstehen, die jetzt Angst haben. Zugleich sage ich auch: Vergleiche zu den 30er-Jahren sind völlig überzogen. Heute hat die politische Ebene ihre Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus erkannt und angenommen.

Wird gegen Juden- und Israelhass Ihrer Ansicht nach in der Zivilgesellschaft genug unternommen?
Ich würde mir aus der Zivilgesellschaft mehr wünschen. Ich glaube weiterhin, dass die Mitte der Gesellschaft auf unserer Seite steht. Aber sie schweigt. Dabei kämpfen wir nicht nur um unser Überleben, sondern verteidigen gleichzeitig die Werte der westlichen Welt.

Bisher waren Sie fast nur im Krisenmodus unterwegs. Wenn die Lage sich hoffentlich bald wieder beruhigt: Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Amtszeit gesteckt?
Ich hatte mir vorgenommen, viel im Bereich Klimaschutz tätig zu werden. Im klassischen Naturschutz kann Israel viel von Deutschland und Bayern lernen, und umgekehrt sind wir Israelis Pioniere im Bereich Wassertechnologie. Leider ist momentan für solche Themen kein Platz. Alle blicken auch auf die Hisbollah und auf die Huthis. Es könnte jederzeit zu einem größeren Krieg kommen. Das ist momentan unser Thema.

Sehen Sie trotz alledem auch Anlass für Optimismus?
Ich bin von Haus aus ein sehr optimistischer Mensch, und deshalb sage ich ganz klar: Es wird auch wieder besser, weil es wieder besser werden muss. »Am Israel Chai« ist keine Phrase, es ist unser Antrieb.

Mit der Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland sprach Leo Grudenberg.

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