Kino

Eine unmenschliche Familienidylle

Charlotte Knobloch und Medienmanager Fred Kogel Foto: Astrid Schmidhuber

Kino

Eine unmenschliche Familienidylle

Im Filmtheater am Sendlinger Tor wurde »The Zone of Interest« über Rudolf Höß gezeigt

von Ellen Presser  05.12.2023 14:01 Uhr

Da die 76. Internationalen Filmfestspiele in Cannes im Mai 2023 unter der Leitung von Iris Knobloch standen, übrigens als erste Frau und Nichtfranzösin in diesem Amt, verfolgte ihre Mutter Charlotte die Darbietungen dieses Jahres mit besonderer Aufmerksamkeit.

Dabei fand der Film The Zone of Interest die ausdrückliche Beachtung der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, und zwar mit Blick auf den 85. Jahrestag der sogenannten Reichskristallnacht. Wenn mit der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 das Tor nach Auschwitz geöffnet wurde, dann sei ein Werk über das private Leben und Treiben im Haus des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß ein geeignetes Thema, so Charlotte Knobloch.

Und so setzte sie alles daran, diesen Film, der offiziell erst Ende Februar 2024 in die deutschen Kinos kommt, zum Jahrestag für eine einmalige Vorführung in München für die hiesige Kehilla zugänglich zu machen. In der Stadt, wo das Unheil 85 Jahre zuvor im Alten Rathaus seinen Ausgang genommen hatte.

Die Münchner Vorpremiere im voll besetzten Filmtheater am Sendlinger Tor wurde dank enger Zusammenarbeit mit der Filmfirma LEONINE Studios möglich. CEO Fred Kogel skizzierte einige Fakten zum Film, der als amerikanisch-britisch-polnische Koproduktion in Polen gedreht wurde und in dem praktisch durchgehend Deutsch gesprochen wird – die Sprache von Rudolf Höß und seiner Frau Hedwig.

Der Film machte in Cannes Furore

The Zone of Interest machte in Cannes Furore, und das nicht nur wegen der ungewöhnlichen Perspektiventscheidung von Regisseur Jonathan Glazer, den Alltag einer Täterfamilie zu porträtieren, der sich Wand an Wand mit dem Arbeits- und Vernichtungslager Auschwitz abspielte. Sondern auch wegen Hauptdarstellerin Sandra Hüller, die in Cannes gleich in zwei Wettbewerbsfilmen zu sehen war.

Justine Triets Anatomie eines Falls gewann die Goldene Palme. Jonathan Glazers The Zone of Interest, in dem Hüller der Gefühlskälte der Höß-Ehefrau höchst überzeugend Ausdruck verleiht, gewann die zweitwichtigste Auszeichnung. Inzwischen ist bekannt, dass Glazers Film als britischer Beitrag für den Auslands-Oscar zum Wettbewerb in Hollywood eingereicht ist. Charlotte Knob­loch, die niemals vergessen kann, wie sie als kaum Sechsjährige die Nacht des 9. November 1938 an der Hand ihres Vaters erlebte, begrüßte das Kinopublikum tief bewegt.

Dann erlebte man einen Film, der den Zuschauer nicht nur dank der ungewöhnlichen Musik von Mica Levi wie betäubt zurückließ. Die Darstellung einer scheinbaren Familienidylle, die tatsächlich Ordnungswut, eiserne Disziplin, Ehrgeiz, Obrigkeitsdenken und Gefühllosigkeit verband, nähert sich subtil der Frage, wie ein Mensch einen Höllenort wie Auschwitz leiten, ja dort zu Hause sein konnte.

München

»In unserer Verantwortung«

Als Rachel Salamander den Verfall der Synagoge Reichenbachstraße sah, musste sie etwas unternehmen. Sie gründete einen Verein, das Haus wurde saniert, am 15. September ist nun die Eröffnung. Ein Gespräch über einen Lebenstraum, Farbenspiele und Denkmalschutz

von Katrin Richter  02.09.2025

Universität

Starke junge Stimme

Seit dem 7. Oktober 2023 versucht der Verband Jüdischer Studenten in Bayern, mit seinen Aktivitäten vor allem auf dem Campus einen Weg zurück zur Normalität zu finden

von Luis Gruhler  02.09.2025

Hilfe

»Licht in den Alltag bringen«

Naomi Birnbach über den Berliner Mitzwa Express, der mit Kindern arbeitet und den vom Terror schwer getroffenen Kibbuz Kfar Aza unterstützt

von Christine Schmitt  02.09.2025

Unterstützung

38.000 jüdische Kontingentflüchtlinge erhielten Rentenausgleich

Nach Angaben der Stiftung Härtefallfonds des Bundes wurden insgesamt 169.000 Anträge geprüft

 01.09.2025

Vorschau

Volk des Buches

Zum Europäischen Tag der jüdischen Kultur

von Nora Niemann  01.09.2025

Meinung

Schlechte Zeiten für Frankfurts Juden

Durch die Radikalisierung der israelfeindlichen Szene ist die jüdische Gemeinschaft der Mainmetropole zunehmend verunsichert. In der Stadtgesellschaft interessiert das jedoch nur wenige

von Eugen El  01.09.2025

Vor 80 Jahren

Neuanfang nach der Schoa: Erster Gottesdienst in Frankfurts Westendsynagoge

1945 feierten Überlebende und US-Soldaten den ersten Gottesdienst in der Westendsynagoge nach der Schoa

von Leticia Witte  01.09.2025

Forschung

Storys per QR-Code

Studierende der TU recherchieren zu Geschichte und Gegenwart jüdischen Lebens im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf

von Helmut Kuhn  31.08.2025

Bildung

Mathe, Kunst, Hebräisch

Diese Woche ist die Jüdische Grundschule in Dortmund feierlich eröffnet worden. Warum entscheiden sich Eltern, ihr Kind auf eine konfessionell geprägte Schule zu schicken – und warum nicht?

von Christine Schmitt, Katrin Richter  31.08.2025