Dokumentation

Eine rote Linie überschritten

Journalistin Esther Sedlaczek im Gespräch mit Emanuel Rotstein Foto: Marina Maisel

Generationen von Schülern haben mithilfe einer Schullektüre, nämlich Die Welle von Morton Rhue, gelernt, wie schnell man faschistoidem Denken und Handeln verfallen kann. Ausgangspunkt war ein Experiment des Lehrers Ron Jones, der seinen Geschichtsschülern nahezubringen versuchte, was dazu beigetragen haben könnte, dass totalitäres Gedankengut in Deutschland so schnell und widerspruchslos angenommen wurde.

Der fünftägige Schulversuch 1967 entglitt dem Lehrer, und er gewann im Rückblick die Erkenntnis, mit seinen Parolen wie »Stärke durch Gemeinschaft, Disziplin und Handeln« eine unsichtbare rote Linie überschritten zu haben.

Recherche Der Dokumentarfilmer Emanuel Rotstein, bekannt für seine originellen Rechercheansätze – man denke an Der elfte Tag, Gespräche mit Sportlern, die das Olympia-Attentat 1972 überlebt hatten, und Die Befreier, in dem er amerikanische Soldaten und Befreite des KZs Dachau Jahrzehnte später zusammenbrachte –, machte Ron Jones und ehemalige Schüler und Schülerinnen ausfindig und befragte sie, wie sie das Experiment rund um The Third Wave 50 Jahre danach erinnerten.

Die Dokumentation The Invisible Line. Die Geschichte der Welle sahen 400 Besucher.

Seine Dokumentation The Invisible Line. Die Geschichte der Welle, erste Eigenproduktion des neuen True-Crime-Senders Crime + Investigation, wurde zum Auftakt der 11. Jüdischen Filmtage München im Jüdischen Gemeindezentrum vor mehr als 400 Besuchern gezeigt.

Anton Biebl, Kulturreferent der Stadt München, bekräftigte in seinem engagierten Grußwort sein Unverständnis dafür, dass antisemitische und rassistische Tendenzen in einer beängstigenden Weise an Präsenz gewinnen. Alle müssten sich stets von Neuem die Frage stellen, »wie wir dem Rechtspopulismus und Ausgrenzungsmechanismen entgegenwirken können«.

Wiedersehen Rotstein traf sich mit Ron Jones und ehemaligen Schülern der Cubberley High School in Palo Alto. Bis heute lassen sie nichts auf ihren ehemaligen Lehrer kommen, betonen, wie lebendig der Unterricht bei ihm war. Im Gespräch mit der Sportjournalistin Esther Sedlaczek verriet Emmanuel Rotstein spannende Details. Manche der Schüler erinnerten sich an nichts, was weitreichende Verdrängung vermuten lässt. Andere lernten eine Lektion fürs Leben, schämen sich, dass die Aussicht auf eine gute Note, auf Zugehörigkeit, ihr Gefühl für richtig und falsch untergrub.

Der Nonkonformismus von Ron Jones muss in seinem Elternhaus angelegt worden sein. Er stammt aus einem Künstlerhaushalt, der Vater war Posaunenspieler, die Mutter Sängerin. Dass sie jüdisch war, spielte in der Erziehung keine Rolle. Und so kam es, dass Jones – inzwischen 78 Jahre alt – während seines München-Besuchs gemeinsam mit Emanuel Rotstein das erste Mal in seinem Leben eine Synagoge, die am Jakobsplatz, besuchte.

Dokumentation

»Es ist nicht die Zeit für ›Ja, aber‹, es ist Zeit für Solidarität«

Die Rede von Zentralratspräsident Josef Schuster bei der großen Berliner Demonstration gegen Judenhass im Wortlaut

 10.12.2023

Sachsen-Anhalt

Synagogen-Neubau in Magdeburg endlich eingeweiht

Von der Idee bis zur Einweihung vergingen 24 Jahre

 10.12.2023

Chanukka in Berlin

»Ein Fest der Resilienz«

Trotz vieler Hindernisse stellte Keshet Deutschland mit »Gimme Latkes« eine große Chanukka-Party auf die Beine

von Ralf Balke  10.12.2023

Düsseldorf

Gemeinde gedenkt der Opfer der Hamas mit 1400 Kerzen

Düsseldorf: Jüdische Gemeinde gedenkt der Opfer der Hamas mit 1400 Kerzen

 10.12.2023

Deutschland

Immer mehr Antisemitismus an Schulen und Unis

Die Antisemitismus-Beratungsstelle Ofek bekommt immer mehr Anfragen von Lehrern und Professoren

 10.12.2023

Erinnerung

Guy Stern im Alter von 101 Jahren gestorben

Stern war Holocaust-Überlebender, Weltkriegs-Veteran und ein ausgezeichneter und engagierter Germanist

 10.12.2023

Darmstadt

Ein leerer Stuhl für jede Geisel

Gemeindemitglieder organisierten eine Solidaritätsaktion – und wurden beschimpft

 09.12.2023

Sachsen-Anhalt

Neue Synagoge Magdeburg wird feierlich eröffnet

Der Bau ist Ergebnis jahrzehntelangen Engagements Magdeburger Bürger

 09.12.2023

München

Spenden für Israel

Die WIZO blickt auf ein Jahr mit besonderen Herausforderungen zurück

von Leo Grudenberg  08.12.2023