Berlin

Eine ganz besondere Friedensbotschaft

Es ist ein ungewohnter Anblick am Ku’damm nach zwei Jahren Pandemie. Zu wummernden Elektrobeats ziehen Hunderte Menschen lachend und tanzend die Straße hinab. Man könnte es für einen Umzug der Klubszene halten, wären da nicht die vielen Kinder, die eifrig Plakate in lateinischen, kyrillischen und hebräischen Buchstaben schwenken.

Das Jüdische Bildungszentrum Chabad Lubawitsch feiert Lag BaOmer, den Festtag in der Omerzeit, an dem für Toleranz und Respekt geworben wird. Mit dabei: 108 Kinder, die aus einem jüdischen Waisenhaus in Odessa fliehen mussten und von Chabad aufgenommen wurden.

HÖHEPUNKT Seit 2010 ist die Parade für die jüdische Gemeinde einer der Höhepunkte des Jahres. Umso schöner sei es, nach zwei Jahren der Unterbrechung wieder feiern zu können, sagt Pressesprecherin Jana Erdmann. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine betreut die Gemeinde insgesamt 400 jüdische Geflüchtete. Zeit für Partyplanung bleibt da wenig. Und trotzdem läuft an diesem warmen Maitag alles glatt.

Los geht es am Olivaer Platz. Kurz vor 16 Uhr fährt eine mit Luftballons geschmückte Limousine vor, aus der die ersten Festgäste steigen. Ein bunt behangener Lautsprecherwagen parkt dahinter, auf dessen Ladefläche ein DJ Musik spielt. Innerhalb von Minuten füllt sich der Platz mit Hunderten Menschen. Clowns und Artisten führen zur Freude der Kinder Kunststücke vor, machen riesige Seifenblasen.

Die Stimmung ist ausgelassen, obwohl der Krieg auch hier präsent ist. Auf den Plakaten liest man: »Den Geflüchteten ein herzliches Willkommen«, »Frieden für alle«. Nachdem einige der Jüngsten Toraverse rezitiert haben, steigt Rabbiner Yehuda Teichtal auf den Wagen. »Wir stehen zusammen. Wir wollen Frieden, wir wollen Toleranz«, verkündet er unter Beifall.

tanzeinlagen Über den Ku’damm führt die Parade in die Brandenburgische Straße. Passanten betrachten die Feiergemeinschaft mit freundlichem Interesse. Die Route ist nicht zufällig gewählt, führt sie doch durch Straßen, die schon vor dem Zweiten Weltkrieg voller jüdischem Leben waren.

Die Stimmung ist ausgelassen, obwohl der Krieg auch hier präsent ist.

Es sei »eine ganz besondere Botschaft, dass auf diesen Straßen, wo vor 80 Jahren Juden in Konzentrationslager verschleppt wurden, heute der Umzug stattfindet«, erklärt Rabbiner Teichtal, der immer wieder mit seinen Tanzeinlagen animiert. »Nur mit Offenheit, ausgestreckter Hand und Begegnungen auf Augenhöhe können wir Berührungsängste abbauen.«

Die Frequenz der Elektrobeats zieht an. Am DJ-Pult steht Aaron Baki Zada aus dem ukrainischen Dnipro. Dort hat er nach Kriegsbeginn in einem Evakuierungszentrum gearbeitet. Eine der Betreuerinnen der Kinder aus dem Waisenhaus in Odessa feuert immer wieder vom Wagen aus die Kinder lachend an, zu tanzen.

Der 16-jährige Daniel ist mit den anderen Kindern und Jugendlichen in einem Hotel untergebracht, in dem sie mit Kleidung und Essen versorgt werden. Von Chabad Lubawitsch Berlin fühlt er sich herzlich aufgenommen. Unterricht erhält er via Zoom weiterhin von seinen Lehrern aus Odessa. »Es ist alles schwierig. Wir werden aber nichts ändern, wenn wir nur traurig sind.«

HÜPFBURG Nach zwei Kilometern erreicht die Parade das Bildungszentrum in der Münsterschen Straße. Im Außenbereich sind eine Hüpfburg, eine überdimensionierte Gummi-Dartscheibe und ein Formel-1-Auto aufgebaut, in dem die Jüngsten ihre Fahrkünste auf der virtuellen Strecke testen können. Es sei vor allem ein Fest für die Kinder, sagt Jana Erdmann. »Sie sind die Zukunft unserer Gemeinde, und unsere Treffen sollen ihnen in positiver Erinnerung bleiben.«

Das Fest findet auf dem Chabad-Gelände seinen Höhepunkt. Zu Live-Musik stärken sich die Gäste mit Hotdogs und Schawarma. Der Zuckerwatte- und Eisstand wird von den Kindern umringt. Der warme Abend vibriert unter ihrem lauten Gelächter und den Gesprächen der Gemeindemitglieder. »Die Botschaft von Lag BaOmer ist eine Botschaft von Liebe und Zusammenkommen«, bemerkt Rabbiner Teichtal. Und davon ist heute viel zu spüren.

Bayern

Als Rassist und Antisemit im Polizeidienst? Möglich ist es …

Der Verwaltungsgerichtshof München hat geurteilt, dass Beamte sich im privaten Rahmen verfassungsfeindlich äußern dürfen, ohne deswegen mit Konsequenzen rechnen zu müssen

von Michael Thaidigsmann  01.07.2025

München

Gedenken in schwerer Zeit

Die Stadt erinnerte an jüdische Opfer des NS-Regimes. Die Angehörigen aus Israel konnten wegen des Krieges nicht anreisen

von Luis Gruhler  01.07.2025

Lesen

Über eine Liebe nach dem Holocaust

Die österreichische Schriftstellerin Melissa Müller stellte im Münchener Literaturhaus ihr neues Buch vor

von Helen Richter  01.07.2025

Auszeichnung

Strack-Zimmermann erhält Janusz-Korczak-Preis für Menschlichkeit

Die FDP-Politikerin wird für ihre klaren Worte und ihr entschlossenes Handeln angesichts globaler Krisen geehrt

 29.06.2025

Erfurt

Ende eines Krimis

Seine Entdeckung gilt als archäologisches Wunder: Mehr als 25 Jahre nach dem Fund des Erfurter Schatzes sind vier weitere Stücke aufgetaucht

von Esther Goldberg  29.06.2025

Porträt der Woche

Heilsame Klänge

Nelly Golzmann hilft als Musiktherapeutin an Demenz erkrankten Menschen

von Alicia Rust  29.06.2025

Interview

»Wir erleben einen doppelten Ausschluss«

Sie gelten nach dem Religionsgesetz nicht als jüdisch und erfahren dennoch Antisemitismus. Wie gehen Vaterjuden in Deutschland damit um? Ein Gespräch über Zugehörigkeit, Konversion und »jüdische Gene«

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  29.06.2025

Solidarität

»Sie haben uns ihr Heim und ihre Herzen geöffnet«

Noch immer gibt es keinen regulären Flugbetrieb nach Israel. Wir haben mit Israelis gesprochen, die in Deutschland gestrandet sind. Wie helfen ihnen die jüdischen Gemeinden vor Ort?

von Helmut Kuhn  26.06.2025

Meinung

Mannheim: Es werden bessere Tage kommen

Wegen Sicherheitsbedenken musste die jüdische Gemeinde ihre Teilnahme an der »Meile der Religionen« absagen. Die Juden der Stadt müssen die Hoffnung aber nicht aufgeben

von Amnon Seelig  25.06.2025