Chemnitz

Ein schöner Zug

Der Sekt perlt von dem Namen ab. »Partnerstadt Kirjat Bialik« steht in Druckbuchstaben auf der Tram, die durch Chemnitz fährt und damit offensichtlich macht, was nun gerade besiegelt wurde: Kirjat Bialik und Chemnitz sind eine Städtepartnerschaft eingegangen. Der Chemnitzer Oberbürgermeister Sven Schulze (SPD), Eli Dukorski, Bürgermeister von Kirjat Bialik, und Ruth Röcher, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Chemnitz, freuen sich über die Sektdusche und die neue Partnerschaft. »Es bedeutet mir sehr viel, es ist ein großartiger Tag«, sagt die Vorsitzende.

Auch für den Mitinitiator Rafael Wertheim ist es ein wichtiger Moment, denn ihm und Ruth Röcher ist es zu verdanken, dass an diesem Tag Israelis und Chemnitzer gemeinsam auf dem Gelände des Straßenbahnbetriebshofs Adelsberg stehen und feiern. Der ehemalige Bürgermeister von Kirjat Bialik, der das Amt fünf Jahre lang innehatte, wollte nur für sechs Monate nach Chemnitz kommen, um am Fraunhofer Institut für jemanden einzuspringen.

Das liegt mittlerweile Jahre zurück. Eines Tages saß Wertheim mit Bekannten zusammen, und gemeinsam überlegten sie, was man in beiden Städten verbessern könnte. »Und da haben wir mit einem Austausch in Sport und Musik angefangen.« Weitere Taten ließen nicht lange auf sich warten. So folgten viele Besuche von Künstlern aus Israel in Chemnitz und von Gruppen aus Chemnitz in Israel, zum Beispiel von Musikschulen und bei Schachturnieren.

Turnier »Kontakte und kulturelle Verbindungen zwischen Kirjat Bialik und Chemnitz bestehen bereits seit 2009«, sagt auch Ruth Röcher, die dieses Projekt mit vorangetrieben hat. Aber ihr großes Lob geht an Rafael Wertheim, der sich intensiv dafür einsetzte.

Auch die Veranstalter der Tage der Jüdischen Kultur unterstützen den Austausch. Seit 31 Jahren gibt es sie in Chemnitz, mittlerweile mit 70 bis 80 Veranstaltungen. »Das ist ein bedeutendes Festival für die Stadt«, so Röcher. Vor einigen Jahren wurden die ersten israelischen Künstler eingeladen – und somit sei das Land auch immer präsenter geworden. Die Erste war Esther Shilo, die anregte, sich mit Scherenschnitten zu beschäftigen.

Die Partnerschaft könne für beide Städte nur gut sein, so Röcher. Sie hat auch schon Pläne im Kopf, denn im April feiert Israel sein 75-jähriges Bestehen. »Und da möchte ich mit dem Bürgermeister von Kirjat Bialik besprechen, was wir machen können.« Gerade der Jugendaustausch liege ihr am Herzen. Ferner habe sie die Erfahrung gemacht, dass eine gelungene Städtepartnerschaft immer von dem Engagement der Menschen abhänge. »Es ist auch Arbeit, sie zu pflegen.« Aber eine, die Spaß bringe.

Kirjat Bialik wurde 1934 von Einwanderern aus Deutschland gegründet.

»Es ist ein ganz wichtiger Schritt für unsere Stadt, Israel hat eine besondere Bedeutung«, sagt Oberbürgermeister Sven Schulze. »Wir haben eine geschichtliche Verantwortung, nun wollen wir aber auch nach vorn blicken.« Mit der Unterzeichnung gehe Chemnitz nach 23 Jahren zum ersten Mal wieder eine neue Städtepartnerschaft ein. Die Schwerpunkte der Zusammenarbeit sollen zukünftig bei Kultur, Wirtschaft, Nachhaltigkeit, Bildung, Sport, Sicherheit und insbesondere der Beteiligung junger Menschen liegen.

Wohngebiet Große Freude herrscht auch beim Bürgerverein »Für Chemnitz«, der sich seit etwa zehn Jahren mit einer Partnerschaft zu einer israelischen Stadt beschäftigt. Kirjat Bialik ist die zwölfte Partnerstadt von Chemnitz. Die »kleine Stadt Bialik«, so der deutsche Name, liegt im Norden Israels und zählt 40.000 Einwohner, Chemnitz hingegen 250.000.

Das heutige Kirjat Bialik wurde 1934 von einer Gruppe von Einwanderern aus Deutschland gegründet. Zunächst wurde das Areal als »Wohngebiet der Einwanderer aus Deutschland« bezeichnet. Im selben Jahr starb der Nationaldichter Chaim Nachman Bialik, und nach seinem Namen wurde die Siedlung schließlich Kirjat Bialik benannt.

Längere Zeit sei noch gar nicht klar gewesen, mit welcher israelischen Stadt eine Partnerschaft eingegangen werden sollte, so Röcher. Im Frühjahr reiste schließlich eine Chemnitzer Delegation, darunter auch Ruth Röcher, nach Kirjat Bialik, um die Stadt kennenzulernen und eine mögliche Partnerschaft auf den Weg zu bringen. »Alle waren begeistert«, so die Vorsitzende. Und im September beschloss der Chemnitzer Stadtrat, dass es diese Stadt werden sollte.

Eine neue Stele mit allen Namen, mit denen Chemnitz eine Partnerschaft eingeht, wurde nun vor dem Rathaus enthüllt. »Die erste Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Israel wurde in den 60er-Jahren geschlossen«, sagte Eli Dukorski. Und zwar zwischen Steglitz-Zehlendorf und Kirjat Bialik. Damals hätte es noch Proteste in Israel gegeben. Als zweite Partnerschaft kam Langenfeld im Rheinland dazu. Somit dürfte die israelische Kleinstadt von nun an in drei deutschen Städten präsent sein.

Und die Straßenbahn, die fortan mit dem Namen durch Chemnitz fährt, wird an diese Partnerschaft erinnern.

Bayern

Als Rassist und Antisemit im Polizeidienst? Möglich ist es …

Der Verwaltungsgerichtshof München hat geurteilt, dass Beamte sich im privaten Rahmen verfassungsfeindlich äußern dürfen, ohne deswegen mit Konsequenzen rechnen zu müssen

von Michael Thaidigsmann  01.07.2025

München

Gedenken in schwerer Zeit

Die Stadt erinnerte an jüdische Opfer des NS-Regimes. Die Angehörigen aus Israel konnten wegen des Krieges nicht anreisen

von Luis Gruhler  01.07.2025

Lesen

Über eine Liebe nach dem Holocaust

Die österreichische Schriftstellerin Melissa Müller stellte im Münchener Literaturhaus ihr neues Buch vor

von Helen Richter  01.07.2025

Auszeichnung

Strack-Zimmermann erhält Janusz-Korczak-Preis für Menschlichkeit

Die FDP-Politikerin wird für ihre klaren Worte und ihr entschlossenes Handeln angesichts globaler Krisen geehrt

 29.06.2025

Erfurt

Ende eines Krimis

Seine Entdeckung gilt als archäologisches Wunder: Mehr als 25 Jahre nach dem Fund des Erfurter Schatzes sind vier weitere Stücke aufgetaucht

von Esther Goldberg  29.06.2025

Porträt der Woche

Heilsame Klänge

Nelly Golzmann hilft als Musiktherapeutin an Demenz erkrankten Menschen

von Alicia Rust  29.06.2025

Interview

»Wir erleben einen doppelten Ausschluss«

Sie gelten nach dem Religionsgesetz nicht als jüdisch und erfahren dennoch Antisemitismus. Wie gehen Vaterjuden in Deutschland damit um? Ein Gespräch über Zugehörigkeit, Konversion und »jüdische Gene«

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  29.06.2025

Solidarität

»Sie haben uns ihr Heim und ihre Herzen geöffnet«

Noch immer gibt es keinen regulären Flugbetrieb nach Israel. Wir haben mit Israelis gesprochen, die in Deutschland gestrandet sind. Wie helfen ihnen die jüdischen Gemeinden vor Ort?

von Helmut Kuhn  26.06.2025

Meinung

Mannheim: Es werden bessere Tage kommen

Wegen Sicherheitsbedenken musste die jüdische Gemeinde ihre Teilnahme an der »Meile der Religionen« absagen. Die Juden der Stadt müssen die Hoffnung aber nicht aufgeben

von Amnon Seelig  25.06.2025