Festakt

»Ein Ort modernen jüdischen Denkens«

In Frankfurt am Main hat der Bau der Jüdischen Akademie begonnen. Es ist die erste Institution dieser Art, die in Deutschland nach der Schoa errichtet wird. »Wir wollen einen Ort modernen jüdischen Denkens schaffen, einen Ort, der Denktraditionen des Judentums mitnimmt ins 21. Jahrhundert«, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, beim feierlichen ersten Spatenstich am Donnerstag.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

»Mit der Jüdischen Akademie in Frankfurt am Main knüpfen wir an das kulturelle Erbe dieser Stadt an«, betonte Schuster. »1920 wurde hier das Freie Jüdische Lehrhaus gegründet. Ein solcher Ort der Erwachsenenbildung auf hohem Niveau jenseits einer Universität war etwas Neues und Gewagtes.«

Franz Rosenzweig, der Gründer, habe in seinem Lehrhaus berühmte Dozenten versammelt: Martin Buber und Gershom Sholem, Rabbiner Nehemia Nobel und Leo Löwenthal, Erich Fromm, Bertha Pappenheim und Siegfried Kracauer – um nur einige zu nennen. »Dieser Ort wurde mit der Welt, die er repräsentierte, von den Nazis zerstört«, sagte Schuster. »So treten wir mit der Jüdischen Akademie das Erbe an – wohlwissend, dass es zum Teil unwiederbringlich verloren ist.«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Doch vom Geist Franz Rosenzweigs werde auch die neue Akademie etwas atmen. »Wir möchten hier religiöse und interreligiöse Debatten führen. Über unsere politische Kultur und über Kulturpolitik reden. Die Diskussionen sollen reichen von jüdischer Philosophie und Ethik bis zu moderner israelischer Literatur und zum Film. Den Blick der Mehrheitsgesellschaft wollen wir bereichern um die jüdische Perspektive. Damit handeln und arbeiten wir im Sinne Martin Bubers, der einmal sagte: ›Ich stoße das Fenster auf und zeige hinaus‹ «.

HINTERGRUND Das Gebäude an der Senckenberganlage in der Nähe des gleichnamigen Naturkundemuseums wurde von dem Frankfurter Architekten Zvonko Turkali entworfen. Die Fertigstellung ist für Ende 2023 geplant, 2024 soll die Akademie ihren Betrieb aufnehmen. Die Gesamtkosten des Projekts liegen bei 34,5 Millionen Euro. Sie werden gemeinsam vom Bund, dem Land Hessen, der Stadt Frankfurt und dem Zentralrat der Juden getragen.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

In Seminaren, Workshops und Konferenzen sollen unterschiedlichste Themen aus jüdischer Perspektive behandelt werden. Das Spektrum reicht von Philosophie und Ethik bis zu Literatur und Film. Die Akademie knüpft an das Freie jüdische Lehrhaus an, das 1920 in Frankfurt von Franz Rosenzweig gegründet wurde. Die bedeutende Institution für Erwachsenenbildung in der Weimarer Republik wurde 1938 von den Nazis geschlossen.

IDEE Der künftige Direktor Doron Kiesel, der zusammen mit Sabena Donath die Jüdische Akademie leiten wird, erinnerte daran, dass die Idee der Gründung auf den früheren Zentralratspräsidenten Dieter Graumann aus Frankfurt zurückgehe. Die Akademie solle ein Ort sein, an dem »Juden und Nichtjuden gleichermaßen Fragen, Unsicherheiten oder Zuschreibungen diskutieren und Gewissheiten infrage stellen können«, sagte der Wissenschaftliche Direktor der Bildungsabteilung des
Zentralrats der Juden.

»Sich dort treffen, Bekanntschaften machen und Freundschaften schließen, das ist die beste Garantie, um bestehende Ressentiments zurückzudrängen«, so Kiesel.

Sabena Donath erinnerte an die Motivation der Gründer des Freien Jüdischen Lehrhauses um 1920. Sie seien assimiliert gewesen, und es sei ihnen darum gegangen, »ihr Judentum wiederzufinden«. »Wir sind auch ein bisschen auf der Suche nach dem verlorenen Judentum«, sagte Donath. »Wir haben sehr viel verloren«, betonte sie in Bezug auf die Schoa.

NEUGIER Die neue Akademie werde ein »Ort der Neugier« sein, sagte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Markus Kerber, der Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vertrat. Die Einrichtung werde »ein offenes Haus für eine offene Gesellschaft sein«.

Rechte Gewalt und antisemitische Ressentiments seien in Deutschland auf dem Vormarsch, »das ist beschämend, das muss bekämpft werden, das hat keinen Platz in Deutschland«, sagte Kerber. Die Jüdische Akademie trage dazu bei, indem sie gegen Unwissenheit als Nährboden für Ressentiments arbeite.

GEMEINSCHAFT Die neue Akademie werde helfen, »gemeinsam Zukunft zu gestalten«, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Sie werde helfen, Antisemitismus zu bekämpfen, Gleichgültigkeit zu überwinden und Gemeinschaft zu erfahren.

Der Baubeginn der Jüdischen Akademie sei ein Tag der Freude, aber erst er Anfang: »Ich möchte, dass die Juden in unserem Land nicht nur eine Lehranstalt haben. Vor allem möchte ich, dass sie ohne Angst in unserem Land leben können.«

Es gebe keinen besseren Ort für diese Akademie, »hier, in der jüdischsten Stadt Deutschlands«, sagte Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD). dpa/epd/ja

+++ Dieser Artikel wird fortlaufend aktualisiert +++

Lesen Sie mehr zu dem Festakt in der kommenden Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

Auszeichnung

Margot Friedländer erhält Großes Verdienstkreuz

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer erhält das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Steinmeier würdigt ihr Lebenswerk als moralische Instanz

 02.05.2025

Sehen!

Die gescheiterte Rache

Als Holocaust-Überlebende das Trinkwasser in mehreren deutschen Großstädten vergiften wollten

von Ayala Goldmann  02.05.2025 Aktualisiert

Berlin

Tage im Mai

Am Wochenende beginnt mit »Youth4Peace« ein Treffen von 80 jungen Erwachsenen aus 26 Ländern. Sie wollen über Frieden und Demokratie sprechen. Auch Gali und Yuval aus Israel sind dabei

von Katrin Richter  01.05.2025

Frankfurt

Zwischen den Generationen

2020 führten Jugendliche gemeinsam mit Überlebenden der Schoa ein »Zeitzeugentheater« auf. Nathaniel Knops Dokumentarfilm »Jetzt?« zeigt dessen Entstehung und feierte nun Premiere

von Eugen El  01.05.2025

Berlin

Für mehr Sichtbarkeit

Wenzel Michalski wird Geschäftsführer des Freundeskreises Yad Vashem. Eine Begegnung

von Christine Schmitt  30.04.2025

Hanau

Das zarte Bäumchen, fest verwurzelt

Vor 20 Jahren gründete sich die jüdische Gemeinde – zum Jubiläum wurde eine neue Torarolle eingebracht

von Emil Kermann  30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

von Niklas Hesselmann  30.04.2025

KZ-Befreiungen

Schüler schreibt über einzige Überlebende einer jüdischen Familie

Der 18-jährige Luke Schaaf schreibt ein Buch über das Schicksal einer Jüdin aus seiner Heimatregion unter dem NS-Terrorregime. Der Schüler will zeigen, »was Hass und Hetze anrichten können«

von Stefanie Walter  29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025