Rund 1500 Menschen sind am 5. Oktober dem Aufruf des Bündnisses »DACH gegen Hass« aus mehr als 200 Organisationen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gefolgt und zu einer Kundgebung gegen Judenhass auf dem Münchener Königsplatz zusammengekommen. Initiatoren waren Guy Katz und Jil Meiteles, die gemeinsam mit einigen Mitstreitern seit zwei Jahren regelmäßige Veranstaltungen unter dem Titel »Run for their Lives« organisieren.
Der Platz, einst direkt neben dem sogenannten Braunen Haus der NSDAP gelegen, solle zu einer »Bühne des Widerstands gegen den Hass« werden, sagte Guy Katz. Namhafte Vertreter aus Bundes- und Landespolitik, aus Wirtschaft, Religion und Zivilgesellschaft wandten sich vor Ort gegen zunehmenden Judenhass und sprachen sich für eine sofortige Freilassung der Geiseln aus.
Fünf-Punkte-Plan für die Politik
Ebenfalls im Rahmen der Kundgebung sollte ein Fünf-Punkte-Plan symbolisch an die Politik überreicht werden. Für eine Behandlung im Petitionsausschuss des Bundestages waren 30.000 Unterschriften nötig. Diese Zahl war zum Zeitpunkt der Kundgebung bereits überschritten – wenngleich viele Unterzeichner Katz zufolge lieber anonym bleiben wollten. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sicherte für die Bundesregierung zu, die Umsetzung zu unterstützen.
An Hochschulen, in Verwaltung, Justiz und Polizei sollen jeweils eigene Antisemitismusbeauftragte eingesetzt werden.
Vorgesehen sind unter anderem die Stärkung von Bildung und Begegnung, der Schutz jüdischen Lebens, die Förderung jüdischer Kultur und eine stärkere Sichtbarkeit jüdischen Lebens im öffentlichen Raum. Außerdem sollen an Hochschulen, in Verwaltung, Justiz und Polizei jeweils eigene Antisemitismusbeauftragte eingesetzt sowie der Aufruf zur Vernichtung Israels strafbewehrt werden.
Ein solches Verbot steht auch im Mittelpunkt der geplanten Änderung der bayerischen Gemeindeordnung, die es den Kommunen ermöglichen soll, Veranstaltungen mit antisemitischen Inhalten und die Verharmlosung des Nationalsozialismus in ihren Einrichtungen zu verbieten. Volker Beck, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen und Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, lobte diesen Vorstoß von Innenminister Joachim Herrmann unter großem Applaus als positives Beispiel, dem es zu folgen gelte.
Nicht weit entfernt »von dem, was war«
Ministerpräsident Markus Söder, der gemeinsam mit Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), die Schirmherrschaft für die Veranstaltung übernommen hatte, betonte, es reiche nicht mehr, »Bekenntnis über Vergangenes abzulegen«. Wenn wie in Spanien Radrennen wegen anti-israelischer Proteste abgesagt und Boykottaufrufe gegen Israel beim Eurovision Song Contest laut würden, aber auch Restaurants wie unlängst in Fürth Israelis zu unerwünschten Gästen erklärten, dann sei man nicht weit entfernt »von dem, was war«. Damit verband der Ministerpräsident erneut das Versprechen, den Schutz jüdischen Lebens politisch zu priorisieren.
Das historische Versprechen des »Nie wieder!« wurde nicht mehr eingehalten.
Mit Blick auf den wachsenden Antisemitismus in Kunst und Kultur, an Hochschulen und unter NGOs zeigte sich auch Landtagspräsidentin Ilse Aigner tief besorgt. Sie verstehe die Entwicklungen als Zeichen dafür, dass das historische Versprechen »Nie wieder!« nicht mehr eingehalten wurde. Wie viele andere Redner an diesem Nachmittag kritisierte auch sie die Ausladung des israelischen Dirigenten der Münchener Philharmoniker, Lahav Shani, von einem Festival in Belgien scharf und warnte: »Antisemitismus ist die Ur-Form der Menschenverachtung. Wo er vorkommt, ist früher oder später jeder der Nächste!«
Dringlichkeit des Anliegens
Der evangelische Landesbischof Christian Kopp und Christoph Klingan, Generalvikar der Erzdiözese München und Freising, bekräftigten den Beistand der christlichen Kirchen im Kampf gegen den Antisemitismus. Der Psychologe und Islamismus-Experte Ahmad Mansour rief im Anschluss dazu auf, Antisemitismus mit klarer Haltung und Solidarität entgegenzutreten und »Schluss zu machen« mit dem Hass. Die Präsidenten der Dachverbände der jüdischen Gemeinden aus Österreich und der Schweiz, Oskar Deutsch und Ralph Friedländer, unterstrichen in München die Dringlichkeit des Anliegens für den gesamten deutschsprachigen Raum.
Zwei Tage vor dem Jahrestag des 7. Oktober 2023 rief auch die israelische Generalkonsulin Talya Lador-Fresher die Schrecken der jüngsten Zeit ins Gedächtnis, ehe schließlich die Gastgeberin, IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, das Wort ergriff. Sie erinnerte daran, dass Antisemitismus schon immer die ideologische Klammer für alle Gegner einer freien Gesellschaft, ob Islamisten oder Rechtsextreme, gewesen sei und der Einsatz gegen Judenhass deshalb »Instandhaltungsarbeit am Fundament der Demokratie«.
Trotz aller Herausforderungen blieb Knobloch kämpferisch: Man lebe nicht im Jahr 1932 und schon gar nicht 1933, so die Holocaust-Überlebende. Eines bleibe ganz klar: »Dieses Land ist unser Land!«