Berlin

Die Vielfalt der Einheit

»Gelebte Einheitsgemeinde«: beim Lag-BaOmer-Fest am Sonntag im Garten des Jeanette-Wolff-Heims Foto: Omer Messinger

Am Anfang stand der Wunsch, etwas für die Senioren zu tun. Ein Fest zu Lag BaOmer schien genau der richtige Anlass zu sein, um Gemeindemitglieder für die Idee eines »generationenübergreifenden Festes« zu begeistern.

Dass sich dieser ursprünglichen Initiative nach und nach sieben von acht Berliner Gemeindesynagogen anschlossen, ist für Rabbiner Boris Ronis ein deutliches Zeichen für »gelebte Einheitsgemeinde« wie auch für deren gewachsenes Selbstbewusstsein.

graswurzel Der 41-Jährige leitete jahrelang die Gottesdienste im Gebetsraum des Seniorenzentrums Jeanette-Wolff-Heim, seit Dezember amtiert er als Gemeinderabbiner in der Synagoge Rykestraße. Ursprünglich hatten die Synagogen Rykestraße und Fraenkelufer sowie der Minjan L’Dor Wador des Jeanette-Wolff-Elternheims die Initiative zu dem Gemeindefest ergriffen. Spontan schlossen sich auf Anfrage von Ronis die Synagogen Pestalozzistraße, Joachimsthaler Straße, Sukkat Schalom und Oranienburger Straße an.

»Wir mussten niemanden überreden, alle waren sofort begeistert und haben direkt zugesagt«, freut sich Rabbiner Ronis über die Resonanz. Zudem konnte der Rabbiner neben der Gemeinde unter anderem das Jugendzentrum Olam und das Joint Distribution Committee (JDC) für die Veranstaltung ins Boot holen.

»Das ist eine echte Graswurzelbewegung«, meint Boris Moshkovits, Beter aus der Synagoge Rykestraße und Mitinitiator der Veranstaltung. Die Unterstützung jeder einzelnen Synagoge und die Eigeninitiative vieler Beter für das Fest seien »enorm gewesen und von Herzen« gekommen. Am Ende besuchten rund 700 Gemeindemitglieder das Gemeindefest. Und die Leute blieben auch, als es anfing zu regnen.

barrieren Diese Herzlichkeit war am Sonntag auf dem Innenhof des Seniorenzentrums an jeder Ecke zu spüren: neben der Bühne, wo sich junge Olam-Sänger auf ihren Auftritt vorbereiteten, am Grillstand, wo trotz langer Wartezeit fröhliche Stimmung herrschte, zwischen Hüpfburg und Kuchenstand, wo Familien miteinander plauderten, und auf der Wiese, wo Einjährige neben 100-Jährigen das Lag-BaOmer-Feuer bestaunten.

»Es ist genau das, was die Leute wollen und was wir gebraucht haben: zusammen etwas zu gestalten«, so Ronis’ Eindruck. »Dabei können wir Barrieren überwinden – sowohl die zwischen den Generationen als auch die zwischen unseren verschiedenen Ausrichtungen.«

Offenbar hat der Rabbiner mit seiner Initiative nicht nur einen Nerv getroffen, sondern auch einen Stein ins Rollen gebracht. Denn dass sich sieben von acht Gemeindesynagogen, darunter die orthodoxe ebenso wie die liberale, konservative und Reformbeterschaft, an dem Fest beteiligten, soll laut Ronis erst der Auftakt sein. Künftig wolle man verstärkt zusammenarbeiten und so »mit dem Funken, der an diesem Nachmittag entzündet wurde, die Einheitsgemeinde weiter von innen stärken«.

klima »Das ist übrigens auch der Geist von Lag BaOmer«, freut sich Boris Ronis nach dem gelungenen Fest. »Dass wir eins sind und miteinander wachsen«.

Diesen Wunsch drückte auch Berlins Gemeindevorsitzender Gideon Joffe in seinem Grußwort aus. In einem gesellschaftlichen Klima, das gegenüber Juden zunehmend rauer werde, sei der Einheitsgedanke besonders wichtig, betonte Joffe.

Unabhängig von dem Gemeindefest veranstaltete auch Chabad Lubawitsch anlässlich von Lag BaOmer seine alljährliche Parade zwischen Adenauerplatz und Westfälischer Straße, an der sich laut Angaben der Veranstalter etwa 40 Organisationen beteiligten, darunter die Sefardische Synagoge Tiferet Israel, Kahal Adass Jisroel, WIZO Berlin und Keren Hayesod.

Lesen Sie mehr dazu in unserer nächsten Printausgabe.

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025

Hanau

Greifbare Geschichte

Ein neues 3D-Denkmal zeigt die alte Judengasse der hessischen Stadt

von Eugen El  09.11.2025

Potsdam

Mehr Geld für jüdische Gemeinden in Brandenburg

Brandenburg erhöht seine Förderung für jüdische Gemeinden auf 1,2 Millionen Euro

 09.11.2025

Namensgebung

Jüdische Pionierinnen

In Berlin erinnern künftig zwei Orte an Clara Israel, die erste Leiterin eines Jugendamts, und an Regina Jonas, die erste Rabbinerin der Welt

von Christine Schmitt  09.11.2025

Porträt der Woche

Ein Überlebenswerk

Nicolaus Blättermann fand nach der Schoa die Kraft zum Neubeginn

von Lorenz Hartwig  09.11.2025

Gedenken

Neues Denkmal für jüdische Häftlinge in Gedenkstätte Ravensbrück

Etwa 20.000 Jüdinnen und Juden sind im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg inhaftiert gewesen. Die heutige Gedenkstätte hat nun ein neues Denkmal enthüllt - im Beisein von Überlebenden

von Daniel Zander  06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

von Karoline Preisler  08.11.2025 Aktualisiert

Reaktionen

Zohran Mamdanis Sieg spaltet die jüdische Gemeinschaft

Während ein Drittel der New Yorker Juden den neuen Bürgermeister gewählt hat, haben andere Angst, dass dessen Antizionismus ihre Sicherheit gefährdet

 06.11.2025

Hamburg

Viel mehr als Klezmer

In der Hansestadt haben die zweiten Jüdischen Kulturtage begonnen. Bis Mitte Dezember erwartet die Besucher ein breit gefächertes Programm – inklusive einer jiddisch-hebräischen Oper

von Heike Linde-Lembke  06.11.2025