Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, erhofft sich vom bundesweiten Jubiläumsjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« eine Signalwirkung. »Wenn wir im Laufe des Jahres erreichen, dass den Leuten der jüdische Anteil an der Historie ihrer Region bewusst wird, dann können wir diese Menschen auch gegen rechte Rattenfänger und Verschwörungstheoretiker leichter impfen oder imprägnieren, als uns das bisher gelungen ist«, sagte Lehrer.
2021 jährt sich der erste offizielle Nachweis jüdischen Lebens in Deutschland zum 1700. Mal. Eine am 11. Dezember 321 vom römischen Kaiser Konstantin ausgestellte Urkunde an die Stadt Köln belegt, dass Juden bereits seit der Spätantike ein wichtiger Bestandteil der mitteleuropäischen Kultur waren.
Das Jubiläum wird mit rund 1000 Veranstaltungen bundesweit gefeiert. Geplant sind etwa Ausstellungen, Konzerte oder Theateraufführungen. Wesentliches Ziel sei es, die vielen Facetten jüdischen Lebens in Deutschland darzustellen, sagte Lehrer, Mitgründer des Vereins »321-2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«, der das Programm des Themenjahres organisiert.
Der Festakt am 21. Februar in Köln mit einer Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird in der ARD live übertragen.
Äußerungen von Vertretern der jüdischen Gemeinde würden vielfach als »erhobener Zeigefinger« wahrgenommen. Vor allem in den vergangenen Jahren habe dieser Eindruck durch den Anstieg antisemitischer Anschläge unvermeidlich zugenommen. »Wir kommen normalerweise nicht dazu, das jüdische Leben von seinen positiven Seiten zu zeigen«, sagte Lehrer, der auch Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln ist. Das Jubiläumsjahr biete nun die Möglichkeit, das zu ändern.
»Wenn wir der jüngeren Generation vermitteln wollen, dass Judentum sich nicht immer nur durch Schoa oder Attentate definiert, dann müssen wir es anders darstellen.« Im Jubiläumsjahr gehe es darum zu verdeutlichen, dass Juden ein integrierter Bestandteil der deutschen Gesellschaft und Geschichte waren und sind. »Es gibt kaum einen Bereich des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens, an dem Juden keinen Anteil hatten.«
Die Planungen für das Jubiläumsjahr hätten bereits 2014 begonnen, also vor der erneuten starken Zunahme des Antisemitismus in Deutschland, sagte Lehrer. »Dass es jetzt erst recht eine Art Gegenmittel sein kann, ist absolut in unserem Sinne.«
Er hoffe, dass die bundesweiten Veranstaltungsangebote angenommen würden. Sie sollten das Bewusstsein dafür wecken »was es bedeutet, dass heute noch Juden in Deutschland leben.« Ein erstes Signal erwartet Lehrer von der Eröffnung des Jubiläumsjahrs am 21. Februar. Der Festakt in Köln mit einer Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird in der ARD übertragen. epd