Frankfurt/Main

Die Kunst des Dazwischen

»Wir sind dazwischen, wir sind auf dem Weg«, sagt Mirjam Wenzel. Die Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt hat die Öffentlichkeit für fünf Tage und sechs Nächte auf die Museumsbaustelle eingeladen.

»Open House« heißt das Programm, das Führungen und Vorträge, Gespräche, Performances und Ausstellungen beinhaltet. Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) freut sich über das Format. »In diesen Zeiten ist es wichtig und richtig, sich als Jüdisches Museum offen zu zeigen«, sagt Hartwig.

Das restaurierte Rothschild-Palais und der benachbarte Erweiterungsbau sollen im Spätherbst 2019 fertiggestellt und eröffnet werden. Das Jüdische Museum Frankfurt wurde vor genau 30 Jahren gegründet. »Der 9. November ist Teil der DNA dieses Museums«, betont Wenzel. Das Bild des »Dazwischen« zieht sich wie ein roter Faden durch das Programm. So ist es Thema einer Kunstausstellung im Rothschild-Palais.

lebensgefühl Wo später eine Dauerausstellung zur jüdischen Geschichte Frankfurts seit der Emanzipation präsentiert werden wird, ist die Generalsanierung noch in vollem Gange. Der Wohnhauscharakter des 1820/21 errichteten klassizistischen Baus solle stärker spürbar werden, kündigt Mirjam Wenzel an.

Die halb renovierten Räume werden von mehreren zeitgenössischen Künstlern bespielt. Nir Alon, 1964 in Jerusalem geboren, seit 2001 in Hamburg, hat im Vestibül des Rothschild-Palais eine Rauminstallation aus Neonleuchten und gebrauchten Möbeln geschaffen. Fragil wirkt die mit Schnüren zusammengehaltene Konstruktion, als würde sie jeden Moment zerfallen. Womöglich ist die Installation eine Metapher für das jüdische Lebensgefühl der Vorläufigkeit und Unsicherheit. Das Museum hat Alons Werk angekauft und wird es in der neuen Dauerausstellung zeigen.

Die Videokünstlerin Dana Levy wurde in Tel Aviv geboren und lebt in New York. Ihr 2008 entstandener Film Silent Among Us spielt in einem Naturkundemuseum. Inmitten ausgestopfter, in Vitrinen gesperrter Tiere sind auf einmal weiße Tauben zu sehen. Lebendig und frei bewegen sie sich durch die engen, künstlich beleuchteten Museumsräume. Symbolbeladen ist auch Levys Video »The Fountain« aus dem Jahr 2011. Es zeigt, wie ein Kran einen großen Baum aus einem Wasserteich herauszieht. Der Baum scheint samt Wurzelwerk gen Himmel zu entschweben.

glaskapseln Die 1949 in Ägypten geborene, in Frankfurt lebende Künstlerin Ilana Salama Ortar hat mehrere Glaskapseln mit eigenen Zeichnungen und Erinnerungsstücken befüllt, die von ihrer Familiengeschichte erzählen. Als Kind musste die Künstlerin mit ihren Eltern aus Ägypten fliehen und pendelte jahrelang zwischen Tel Aviv, Marseille und Berlin.

 

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Das »Dazwischen« ist auch Thema der ersten Wechselausstellung, die Anfang 2020 im Erweiterungsbau präsentiert werden soll. »Mir zaynen do! / Wir sind da!« heißt die Schau, die jüdisches Leben in West- und Osteuropa der unmittelbaren Nachkriegszeit thematisieren wird. Ein erster Vorgeschmack ist auf der Museumsbaustelle zu sehen.

Auf einer Europakarte können Besucher eigene Erinnerungen und Geschichten einbringen. Die Zeit nach 1945 werde im neu eröffneten Museum eine wichtige Rolle spielen, sagt Werner Hanak, seit Mai stellvertretender Direktor des Jüdischen Museums Frankfurt.

»Das Dazwischen ist Teil der gefühlten Situation von Juden in Deutschland und Europa«, stellt Mirjam Wenzel fest. Diesem Gefühl sollte sich auch das Veranstaltungsprogramm annähern, das am Samstagabend mit einer Elektroswing- und Balkanpop-Party und einer mitternächtlichen Baustellenführung begann. Am Sonntag stellte sich der für die Museumssanierung und -erweiterung verantwortliche Berliner Architekt Volker Staab den Besucherfragen. Ein internationales Symposium erkundete zudem Geschichte und Gegenwart jüdischer Museen. Nach Veranstalterangaben besuchten am Wochenende 1400 Menschen die Museumsbaustelle.

performance In den folgenden Tagen standen unter anderem Baustellenführungen sowie Künstlergespräche mit Nir Alon, Dana Levy und Ilana Salama Ortar auf dem Programm. »Desintegriert euch!« lautete das Motto am Mittwochabend.

Mit der gleichnamigen Streitschrift sorgt der Berliner Lyriker und Publizist Max Czollek derzeit bundesweit für Furore. Über seine zugespitzten Thesen zur deutsch-jüdischen Gedenkkultur sprach er mit Sabena Donath, Leiterin der Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden in Deutschland, und Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank.

Die Erfahrungen und Erinnerungen jüdischer Displaced Persons standen im Mittelpunkt einer dokumentarischen Theaterperformance der Gruppe »Futur II Konjunktiv«, die am Donnerstagabend zu sehen war. Mit der anschließenden »Closing-Party« mit DJ Sivan klang das Jubiläumsprogramm aus. Das Jüdische Museum Frankfurt macht sich nun auf den Weg zur Neueröffnung.

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