Bremen

Die Gedenkstätte an der Weser

Als neuer Standort für das Erinnerungsmahnmal in Betracht gezogen: die alte Straße »Tiefer« Foto: imago images/foto2press

Das »Arisierungs«-Mahnmal in Bremen wird möglicherweise nun doch woanders stehen. Der Bremer Senat hat Mitte Februar bis zu 50.000 Euro freigegeben, um einen alternativen Standort zu prüfen, der vor knapp einem Jahr von den Initiatoren des Mahnmals und der Jüdischen Gemeinde im Lande Bremen vorgeschlagen worden war.

Für den Bau des Mahnmals gibt es zwar seit November 2016 einen fraktionsübergreifenden Bürgerschaftsbeschluss, doch man stritt darüber, wo das Mahnmal gebaut werden soll.

Logistikkonzern 2015 hatte der Logistikkonzern Kühne+Nagel sein Gründungsjubiläum auf dem Bremer Marktplatz öffentlichkeitswirksam gefeiert, die NS-Zeit dabei aber weitgehend ausgelassen.

Infolgedessen begann der damalige »taz«-Journalist Henning Bleyl, zur NS-Geschichte des Unternehmens zu recherchieren. Konfrontiert mit den Rechercheergebnissen räumte Kühne+Nagel erstmals seine Involvierung in die Verbrechen des NS-Regimes ein. Insgesamt aber gibt sich der Konzern nach wie vor äußerst wortkarg und äußert sich allenfalls bagatellisierend über die Firmengeschichte während des Nationalsozialismus.

1933 wurde der Unternehmer Adolf Maass ohne Abfindung aus dem Unternehmen gedrängt.

Dabei hat das 1890 in Bremen gegründete und heute weltweit drittgrößte Logistikunternehmen ab 1942 eine Schlüsselrolle bei der Organisation und Durchführung des systematischen Raubes jüdischen Eigentums aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg gespielt und dafür auch eigene Niederlassungen in den besetzten Ländern aufgebaut.

Darüber hinaus wurde auch das eigene Haus »arisiert«. 1933 – kurz bevor Werner Kühne in die NSDAP eintrat – wurde Adolf Maass ohne Abfindung aus dem Unternehmen gedrängt. In der aktuellen Chronik wird die Trennung von Maass als »freundschaftliche Abstimmung« charakterisiert.

Infolge der Recherchen zur Firmengeschichte von Kühne+Nagel initiierte die »taz« einen Gestaltungswettbewerb für ein »Arisierungs«-Mahnmal. Den Kern des Siegerentwurfs bildet ein in eine Wand eingelassener Raum, der durch je ein Sichtfenster von oben sowie von der Seite einsehbar ist. Der Raum ist leer, lediglich Schattenrisse von verschwundenen Möbeln weisen auf Lebensspuren der Verfolgten hin.

Jury Die Jüdische Gemeinde im Land Bremen, die Mitglied der Jury war, charakterisierte den Entwurf als »subtil und eindringlich zugleich«. Er füge sich sehr gut in den öffentlichen Raum ein, sei gleichzeitig aber »provokativ genug, um zum Anhalten und zum Nachdenken anzuregen«, sagte der stellvertretende Vorsitzende Grigori Pantijelew.

Ursprünglich sollte das Mahnmal an der Flaniermeile »Schlachte« entstehen.

Ein Standort in unmittelbarer Nähe des neu gebauten Stamm- und inzwischen auch Deutschlandsitzes von Kühne+Nagel wurde vor allem von der Bremer SPD verhindert. Stattdessen fiel die Wahl auf die historische Uferpromenade und Flaniermeile »Schlachte«.

Akzeptanz Kritiker befürchten, dass dieser Standort weder zu einem würdigen Gedenken noch zur breiten Akzeptanz des Mahnmals in der Bevölkerung beiträgt. Denn die für das Mahnmal vorgesehenen Sitzstufen sind ein gesellschaftlicher Hotspot, über das gesamte Jahr hinweg wird an der »Schlachte« getrunken und Party gemacht.

In der Weihnachtszeit finden dort der »Schlachtezauber« und während internationaler Fußballbegegnungen auch Public Viewing statt. Für das Mahnmal müsste stark in die Umgebung eingegriffen werden.

Das wäre am nun geprüften Standort an der »Tiefer«, einer alten Straße, die in der Bremer Altstadt an der Weser zwischen der westlichen Wilhelm-Kaisen-Brücke und dem östlichen Osterdeich verläuft, anders. Dort würde das Mahnmal auch ästhetisch besser funktionieren, ist sich Architektin Evin Oettinghausen sicher.

Geländesituation Die Wand am Treppenabgang zwischen Wilhelm-Kaisen-Brücke und Weserarkaden garantiere die notwendige Geländehöhe und könne so einen wichtigen Teil des Konzepts wesentlich besser aufgreifen: das In-die-Leere-Schauen. Hinzu kommen die mutmaßlich geringeren Kosten für den Bau des Mahnmals, da die Geländesituation nicht so stark angepasst werden müsste wie am Standort an der »Schlachte«. Zudem befände sich das Mahnmal näher am Neubau von Kühne+Nagel.

Die Prüfung des alternativen Standortes könnte wohl bis Herbst abgeschlossen sein, schätzt Mahnmal-Initiator Henning Bleyl, sofern die Corona-Pandemie dies zulässt.

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